Ein Kofferraum voll Edel-HiFi aus den Siebzigern
#15
... es gab eine Vielzahl an Verfahren und Versuchen, beschäftigen musst Du Dich aber im Grunde nur mit dreien - dem SQ-Matrixverfahren, dem CD4-Verfahren, und dem diskreten Verfahren.

Das diskrete Verfahren ist das simpelste - hier sind einfach die vier Kanäle separat aufgezeichnet, das ging damals nur mit Bandgeräten ( Spule, Compact Cassette, 8-Track ). Diese Geräte schließt Du genauso an wie Stereogeräte, nur eben alles doppelt.

Das CD4-Verfahren gibt es nur für Schallplatten, es funktioniert ein klein wenig wie der Stereorundfunk. Die Signale, die in die Schallplattenrillen geschnitten sind, enthalten das Frontsignal direkt ( also auch mit Stereoabtastern abtastbar ), und zusätzlich einen Hilfsträger im Ultraschallbereich, auf dem das zugehörige Rear-Signal aufmoduliert ist. Bei CD4 brauchst Du zunächst mal einen Tonabnehmer, der in der Lage ist, bis 40kHz und darüber abtasten zu können. Speziell für diese Anwendung ist seinerzeit der Shibata-Nadelschliff entwickelt worden, später gab es noch Van den Hul, und einige Hersteller behaupten, auch mit biradialen Nadeln bis 50kHz zu kommen - der übliche Nadelschliff für CD4 ist aber Shibata. Dann muss sichergestellt sein, dass die Kapazität der NF-Verkabelung des Plattenspielers nicht zu hoch ist - Dual hat z.B. seinerzeit Plattenspieler mit CD4-tauglicher Verkabelung angeboten, äußerlich erkennbar an der zusätzlichen Skala im Antiskating-Rad. Die normalen abgeschirmten Tonarmverkabelungen, die in den frühen siebzigern verbaut wurden, haben die hohen Frequenzen durch ihre Eigenkapazität zu stark bedämpft. Und last but not least ist ein CD4-Decoder erforderlich. Die wenigsten Receiver hatten CD4 integriert, meist musste man ein Zusatzgerät kaufen - der CD4 Decoder, der bei Ebay am häufigsten und auch billigsten angeboten wird, ist der von Grundig. Viele Hersteller hatten solche Decoder im Programm, die optisch zu den übrigen Komponenten passten, in der Regel war aber überall die gleiche Platine von JVC verbaut, dem Erfinder des CD4 - Verfahrens. Die japanischen Receiver hatten oft die Option, den CD4-Decoder als Modul in den Receiver fest einzubauen - ich besitze einen Kenwood-Receiver mit so einem Modul. Das musst Du aber im Zweifel selber rausfinden.

Externe CD4-Decoder haben vier Ausgänge, und werden wie ein diskreter Zuspieler an einen vierkanaligen Eingang angeschlossen. Manche Receiver haben so einen Eingang, der eigentlich ein AUX-Eingang ist, mit CD4 beschriftet, vergleichbar mit einem normalen Verstärker, bei dem man einen der AUX-Eingänge auch "Tuner" nennt. Sowas führt schonmal zu Verwirrung. Der externe CD4-Decoder hat einen eingebauten Entzerrer Vorverstärker und einen zweikanaligen Phono-Eingang. Wenn man so ein Gerät benutzt, nimmt man auch bei Stereo nicht mehr den Phono-Eingang des Receivers, sondern benutzt den Decoder. Die Decoder haben hierzu einen Umschalter an der Frontplatte.

Ratsam ist auch noch eine CD4-Kalibrierschallplatte - und eine wichtige Sache ist noch zu beachten: die CD4-Schallplatten sind seinerzeit als voll stereokompatibel beworben worden, können es aber nicht gut haben, mit normalen Stereoabtastern abgespielt zu werden. Deshalb sind gebrauchte CD4-Platten immer ein Risiko, ich habe auch zwei Exemplare, die stereofon abgespielt völlig in Ordnung sind, aber im CD4-Modus Verzerrungen und Störgeräusche produzieren. Das CD4-System zeigt meiner Meinung nach am stärksten auf, wie begrenzt die technischen Möglichkeiten damals noch waren.

Das SQ-Matrixverfahren habe ich im Detail bis heute nicht verstanden, wenn Du tiefer einsteigen willst, müsstest Du mal Wikipedia bemühen. Für die Praxis ist es wichtig, zwei Dinge zu wissen - einmal reichen Stereogeräte als Quellen aus, SQ-Schallplatten können mit normalen Plattenspielern gespielt werden, die Platten können auf normale Zweikanal-Bandgeräte überspielt werden, auch UKW-Sendungen von SQ-Quadro waren möglich. Die Zuspieler werden ganz normal wie Stereogeräte angeschlossen ( nur die Frontkanäle benutzen ), und SQ-Decoder waren in Vierkanal Receivern oder -verstärkern meist vorhanden - hier musst Du einfach mal in die Bedienungsanleitung schauen. Das Abspielen geht entsprechend einfach - Quelle wählen, SQ-Modus einschalten und hören. Der Nachteil an SQ ist, dass die Kanaltrennung zwischen vorne und hinten sehr schlecht ist, was den räumlichen Eindruck stark schwächt. Ich persönlich höre bei meinen Geräten so gut wie keinen Unterschied zwischen SQ-Quadro und dem Pseudoquadro. was mit jeder Stereoaufnahme funktioniert. QS ist übrigens auch ein Matrixverfahren, aber NICHT kompatibel zu SQ. Interessant zu wissen ist vielleicht auch noch, dass aus SQ die erste Version von Dolby Surround entwickelt wurde.

Das größte Problem, was ich heute habe, ist das der Aufstellung. Schon normale HiFi-Anlagen werden heutzutage im Wohnzimmer nicht mehr gerne gesehen, bei Quadro hast Du erstmal vier statt zwei Boxentrümmer unterzubringen, diese Boxen müssen ziemlich exakt aufgestellt werden, und es entsteht ein ziemlicher Drahtverhau. Aus eigener leidvoller Erfahrung - ich baue die Anlagen immer nur mal für ein paar Tage auf - kann ich Dir nur den guten Rat geben, Dich zuerst um einen Hörplatz zu kümmern, und erst dann anzufangen, die Geräte zu aktivieren.


Das hier ist meine Japan-Quadro-Anlage:

[Bild: jap_quadro_01.jpg]

Der Kenwood-Receiver hat CD4 eingebaut, der Kopfhörer ist ein Beyer DT204, ein Quadro-Kopfhörer mit vier Wandlern. Die Sachen stehen aber leider die meiste Zeit verpackt im Keller, weil ich keinen Platz habe, das Zeug dauerhaft aufgebaut zu lassen.

Warum sich das nicht durchgesetzt hat, ist eigentlich klar erkennbar. Mitte der siebziger war die Situation noch so, dass die älteren Leute an HiFi mehrheitlich kein Interesse hatten, und die jüngeren ( noch ) nicht das Geld dafür. Die Sachen waren sauteuer, schon der kleinste Einstieg in HiFi-Stereo verschlang schnell ein bis zwei Brutto Monatsgehälter - eine komplette Quadroanlage von Dual in der größten Ausbaustufe kostete 1974 um 6000 DM, das Braun Quadrostudio 1020 kostete komplett ungefähr so viel wie ein einfach ausgestatteter Mercedes /8 . Die Aufstellprobleme solcher Anlagen gab es damals wie heute, und wenn dann noch über mehrere Jahre Systemstreits geführt werden, und die wenigen potentiellen Kunden nicht sicher sein können, ob sie in fünf Jahren noch Schallplatten für ihre Anlage bekommen, dann kauft das Zeug auch niemand. Man muss sich zur Beurteilung dieser Technik wirklich die 2020iger Brille mal absetzen, und sich vergegenwärtigen, wie wenige technische Möglichkeiten in den frühen siebzigern verfügbar waren. Ich muss mich da selber immer wieder dran erinnern - zuletzt vor ein paar Wochen, als ich eine fingernagelgroße Speicherkarte mit 512 GB in mein neues Smartphone eingebaut habe.


Gruß Frank
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