Warum klammerte sich der Rundfunk an den Rundfunkbändern fest?
#1
Im Nachbarforum hat PhonoMax geschrieben, daß der Rundfunk hartnäckig nach historisch bewährten Arbeitspunkten auch der neu zu kaufenden Bänder verlangte. Für mich liest sich das so: Der technische Fortschritt wurde gebremst, weil man die Kompatibilität zum vorhandenen Bänderbestand behalten wollte.

Was mir nicht einleuchtet:
- Die Bandmaschinen wurden auf die jeweilige Bandsorte eingemessen
- Die Einmessung ist nur für die Aufnahme nötig, nicht für die Wiedergabe
- Bänder wurden nicht gelöscht und neu bespielt

Man hätte also auf Bänder mit anderen Arbeitspunkten umstellen können? Eine kurze Übergangszeit wäre doch organisatorisch in den Griff zu kriegen gewesen? Oder scheute man selbst diese?
Michael(F)
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#2
Die Antwort hatte ich drüben (und auch hier -glaube ich- schon einmal) gegeben:

Man vermied alle Abweichungen vom regulären Betrieb, weil diese im 24-Stunden-Betrieb (mehr oder minder) -das hatte man nach 25 Jahren Rundfunktradition inzwischen gelernt- nur im Chaos enden konnten.

Also wurden z. B. eiserne Regeln für Aussteuerung aufgestellt (UKW ist kein 16-Bit-Code), denn die Begrenzerei heutigen Zuschnittes gab es noch nicht. Außerdem wusste man nur zu genau, was es bedeutet, wenn der Übertragungskanal auf 40 Hz und 16 kHz bei 55 dB Dynamik limitiert ist und warum das nicht schlecht sein muss.

Weiter forderte man Bandmaterial in Archiv und täglichem Sendebetrieb, das sich über Jahrzehnte idealerweise gleich, zumindest aber ähnlich verhielt, ohne gravierende Veränderungen im Betriebsalltag zu erzwingen. Man hätte ja sonst ständig ummessen müssen, was während einer Sendung einer Tontechnikerin/einem Tontechniker nicht zuzumuten ist und auch nur in Schlamperei und Unübersichtlichkeit geendet hätte.
(Ich habe in den 1970ern ein Jahr bei einem amerikanischen Public Radio volontiert und erlebt, was dorten Normalität war; und das hörte man auch, akustische Leistungen der 3-M-Bänder hin oder her.)

Schließlich forderte man normierte Betriebsanlagen, die in praxisnaher Prüfung deutschlandweit ihre Eignung für den Rundfunkbetrieb nachgewiesen hatten. Die Vorteile nicht zuletzt für Schulung und Einsatz des Personales liegen auf der Hand. Jeder kannte das eingesetzte Zeug in seinem bis heute faszinierenden Baukastensystem ja.

Beim Band führte das eben angesichts des letzten wirklich großen Schrittes der Magnetbandtechnik (Bandseite) "HiFi-low-noise" zum Kompromiss des 528, der unter Verzicht auf die letzten Feinheiten (Datenblatt anschauen) auch den Rundfunk an den Segnungen dieser Technologie teilhaben ließ, ohne dass der auf seine Arbeitspunkte verzichten musste.
Nachdem man über die UKW-Strecke auch nicht mehr als 55 dB kriegt, man -zumindest bei den öffentlich-rechtlichen Instituten nur mit 38,1 cm/s aufnahm, tat das ja auch nicht allzu weh, zumal ja schon erste 'Auflösungserscheinungen' mit dem 525 stereo in den 1960ern aufkamen, als man zur Wahrung einschlägiger Kompatiblilitäten die Aussteuerung (um den Korrelationsfaktor -zumindest damals- + den Rasenverlust = 4,1 dB) anheben musste, dabei aber mit dem Klirrfaktor der früheren Bandtypen (VA bei 320 pWb/mm) etwas ins Gehege kam.

Lehre:
Die damals noch aggressiv hochgehaltene Qualitätsforderung des Rundfunks rührt nicht aus klanglichen Ansprüchen, sondern solchen kompromissloser Betriebssicherheit bei hoher (!) Qualität. Dass das bei der Kopierhäufigkeit im Rundfunkbetrieb (die Plattenindustrie hantiert lieber mit Originalen) nur mit einem Entlangschrappen an der physikalischen Grenze zu verwirklichen war, leuchtet sicher ein. Als Kind und Jugendlicher habe ich mir mitunter Gedanken dazu gemacht, welche Kopie-Generation ich gerade hörte. Denn man wusste ja, wie schnell das, was man selbst verbrochen hatte, nicht mehr anzuhören war.

Hans-Joachim
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#3
Ich sehe schon, da müssen dringend ein paar informative threads zum Thema "Rundfunk" gestartet werden. Das ist ganz offensichtlich ein weisser Fleck, zumindest bei mir. Wink

Ich habe mir das so vorgestellt:

Der sendende Teil des Rundfunks spielt ab, und den abspielenden Maschinen ist es egal, mit was für Bändern sie gefüttert werden, Hauptsache die Bänder sind von Pegel und Entzerrung her normgerecht, also passend. Einmessen ist hier unnötig.

Dann gibt es noch den produzierenden, aufnehmenden Teil. Hier müsste selbstverständlich neu eingemessen werden. Dies kann man ja peu a peu tun, und die umgemessenen Maschinen geniessen die Segnungen des neuen Bandmaterials. Die verbleibenden verarbeiten die Reste des alten und werden ebenfalls Zug um Zug umgestellt.

Da ein einmal bespieltes Band nie ein zweites Mal bespielt wird sondern immer nur abgespielt, so mein Kalkül, ist eine Umstellung beherrschbar und innerhalb absehbarer Zeit zu schaffen.

Um auf Digitaltechnik umzustellen, musste wesentlich mehr gestemmt werden.
Allerdings war der technische und vor allem der wirtschaftliche Vorteil wohl bedeutend größer als beim Umstellen auf eine etwas leistungsfähigere Bandsorte.

Daß der Rundfunk nicht, wie man fälschlicherweise annimmt, auf höchste Qualität aus ist, sondern "nur" auf hohe Qualitiät bei maximaler Sicherheit, das muss man erst mal fressen. Der Amateur ist oft ehrgeiziger (wenn auch erfolglos!), während man beim Rundfunk offenbar genug Reserven hatte, von denen man bequem und sicher herunterleben konnte.

Die unterschiedliche Sorgfalt beim Rundfunk in den einzelnen Ländern ist sicher ein Kapitel für sich. Amerikanische Sender kenne ich nur von den lokalen Soldaten-Stationen, und die sah ich nie als represäntativ an - zu offensichtlich war hier die miese Qualität, durchaus auch in einem Autoradio hörbar. Ganz ungeniert sendete man Bänder, die schlecht geschnitten wurden, bei denen die Übergänge von Titel zu Titel nicht stimmten, und man sendete diese Fehler ungerührt über Wochen und Monate hinweg, denn die Abwechslung bestand oft nur darin, die gleiche Songkollektion in der gleichen Reihenfolge zu einem anderen Zeitpunkt zu spielen.

Womit die Roots für den heutigen Dudelfunk der deutschen Sender gefunden wären.


Bleibt zu fragen, inwieweit sich die Philosophie des Rundfunks von der Magnetband-Ära ins digitale Zeitalter gerettet hat.

# Gilt immer noch die Maxime: Höchste Sicherheit bei "nur" hoher Tonqualität?
# Und wie wird das in der Praxis umgesetzt? Welche alten Zöpfe pflegt man, um nicht ständig mit den Fehlern der Neuerungen kämpfen zu müssen?
# Lässt sich das in der schnellebigen Digitalzeit durchhalten?
# Der Rundfunk konnte immerhin die Hersteller dominieren. Kann der Rundfunk das heute auch noch? Oder diktiert die Industrie die Standards?
Michael(F)
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#4
Hallo,
Zitat:Michael Franz postete

# Gilt immer noch die Maxime: Höchste Sicherheit bei "nur" hoher Tonqualität?
zumindest was diesen Punkt angeht kann ich aus eigenen, mehrfachen Besuchen in einem staatlichen Sender mit einem klaren NEIN antworten!

Es wird geschlampt, gepfuscht was der Regler hergibt: Demo-Aufnahmen werden übersteuert u. Mikrofone brummen jämmerlich bei Liveaufnahmen im eigenen Studio!

Gruß, Euer Gunther
Hörmagazine? Da gibt es nur eine Wahl: TBS-47-AUDIOCLUB!
...mit: Hörspielen, Sketchen, Reportagen, Interviews, Montagen, Tricks usw.

INFO: http://www.tbs47audioclub.de/
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#5
Es ist beim Hörfunk - beim Fernsehen identisch - der gleiche Trend wie in der Wirtschaft: Billiger produzieren und teurer verkaufen.
Prinzipiell ist sowas legal und solange der Kunde bereit ist sein Geld für zweifelhafte Qualität aus dem Fenster zu schmeißen ist das in Ordnung!

Was eine Riesensauerei ist ist der Umstand, daß nach feudalistischer Manier den Kunden nach Belieben Geld abgepreßt wird für eine Gegenleistung die ein gesunder Mensch nie freiwillig honorieren würde.

Ich habe noch nicht vergessen was guter - im Sinne von gut gemacht - Rundfunk ist: Rundfunk ist eine Form der Kunst. Der Unterhaltungskunst, und Kunst kommt von Können!

Letzteres ist in diesem Lande zum Aussterben verurteilt. Per Gesetz. Bei den Schulen fängt es an, Theater, Konzerthäuser und sonstige Musentempel werden reihenweise dichtgemacht und weggerissen. An deren Stelle entsteht dann ein neues Einkaufszentrum. Um noch einen draufzusetzen bewirbt sich so eine Stadt dann als "Kulturhauptstadt Europas". Es übersteigt bei weitem meine Vorstellungskraft wie pervers heutige Entscheidungsträger sein müssen und welch geringen Aufwandes es bedarf diese zu korrumpieren.

Der Wildwucher regionaler und überregionaler privatwirtschaftlicher Rundfunkstationen, der ja mit Kultur kaum soviel zu tun hat wie Profifußball mit Sport, hat diesen Niedergang rasant beschleunigt.

Und die Talfahrt geht immer weiter.

Warum auch nicht, nur dummes Volk regiert sich leicht!

Edit:
Jaja, nun bin ich mit meiner Kolummne schon wieder am OT = Oberen Totpunkt angelangt. Entschuldigt bitte, aber ich bekomme das, wie so manches andere auch, halt nicht auseinanderdividiert Smile
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#6
Zitat:TBS-47-Audioclub postete
Hallo,
Zitat:Michael Franz postete

# Gilt immer noch die Maxime: Höchste Sicherheit bei "nur" hoher Tonqualität?
zumindest was diesen Punkt angeht kann ich aus eigenen, mehrfachen Besuchen in einem staatlichen Sender mit einem klaren NEIN antworten!

Es wird geschlampt, gepfuscht was der Regler hergibt: Demo-Aufnahmen werden übersteuert u. Mikrofone brummen jämmerlich bei Liveaufnahmen im eigenen Studio!

Gruß, Euer Gunther
Wieso klares N E I N ! ???

Betriebliche Maxime und Leitlinien und technische Vorgaben samt tech. Ausstattung, ist den meisten aktiven, produzierenden Mitarbeitern vorgegeben.
Was die Mitarbeiter daraus machen, liegt letztendlich an den Mitarbeitern welche die vorhandene Technik nutzen. Man kann auch mit besten technischen Voraussetzungen und gutgemeinten Regelwerken Mist produzieren. Das gilt gleichermaßen für technische Aspekte als auch für Inhaltliche.
Interessant wäre nur zu Klären was letztendlich alles im Bereich "höchste Sicherheit" fällt. Die Qualität nimmt sicherlich bei Brummen und Übersteuerung ab.
Mein Motto "Zitat" »Opa Deldok«: »Früher war alles schlechter. !!!!

Noa and Mira Awad
NOA Keren Or  

reVox B251 Revision und Modifikationsliste!

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#7
Zitat:MGW51 postete
Und die Talfahrt geht immer weiter.
Warum auch nicht, nur dummes Volk regiert sich leicht!
Das ist in meinen Augen eines der größten Probleme unserer Zeit.
Darüber könnte ich seitenweise schreiben und endlos Beispiele anfügen.
Nur nützen tut das nichts .....
Gruß
Michael

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#8
Ich glaube, dazu kann man einen Kompromiss finden. Gemessen an den neuzeitlich geradezu königlichen technischen Möglichkeiten ist die Sendequalität kein Ruhmesblatt. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass in den Chefetagen nicht mehr, zumindest aber deutlich seltener die betriebliche Praxis mit ihrem beruflichen Ehrgefühl (so etwas entwickelt Ästhetiken!) das Sagen hat, sondern eine neue Generation, die von der Seite finanzieller Verwaltung in ihre leitenden Positionen einstieg, demnach weniger als gar kein Verhältnis zu dem hat, was ein alt gedienter Betriebler 'schön', 'richtig', vertret- und mit seinem Berufsethos vereinbar findet/fand.

Ein Betriebswirt sieht nicht Klänge und deren Schönheit, sondern die Zahlen (da klingelts bei ihm...), um deren Änderungen willen er enagagiert wurde. Das Schielen nach 'Quoten' zeigt exemplarisch, wohin der Blickhorizont neuzeitlicher Geschäftsleitungen tendiert. Leider auch bei den 'öffentlich-rechtlichen', deren Aufgabe noch heute recht eng (und noch immer schriftlich!) umrissen ist.

Das Thema müsste man aufgrund seiner Vielschichtigkeit in persönlichen Gesprächen behandeln, weil die Sichten und Erwartungen der einzelnen Hörer bzw. 'Medienteilnehmer' zu unterschiedlich sind. Ich habe mich als leidenschaftlicher Klassikmann seit nun etwa 15 Jahren aus dem Fernsehkonsum verabschiedet, weil 'es' mir schon damals zuviel wurde. Der öffentlich-rechtliche Hörrundfunk ist mich, den bewussten Kämpfer gegen den Spartenrundfunk auch praktisch los ...
Einer der letzten Kicks in dieser Richtung kam mit der von Telekom-Sommer am runden Tisch (natürlich ohne den Kunden, klar!) angeschobenen entschuldigungslosen Abschaltung des DSR-Hörfunks, bei dem der eigentliche Abnehmer und Bezahler der Leistung als Dispostionsmasse behandelt wurde, mit der man nach Gutdünken verfährt.

Hans-Joachim
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#9
Darf ich fragen warum gerade du, eben als Klassikmann, nicht gerade für den Spartenrundfunk bist?

Ich finde dasz das Programm in sofern zu einseitig ist, das man eben nurnoch zwischen Hitradio und Kultur/Klassik Sendern wählen kann. Die Klassik kommt dabei -mit einem eigenen Sender- ja noch recht gut weg. Nun habe ich keine Ahnung von Klassik und wenn auf dem Klassiksender nur "Kommerz" läuft während der "Untergrund" zu zu kurz kommt dann kann ich das freilich nicht beurteilen. (Ich weis ja nicht einmal ob es die "Kommerzklassik" überhaupt gibt, da mir da jegliche Kenntnis fehlt.) Aber wenn man bedenkt wieviele Sender bzw. Sendungen man bräuchte um einen Überblick über das vorhandene Musikspektrum zu geben und wieviele Richtungen man dabei mittlerweile unter den Tisch fallen lässt, ist die Klassik, neben dem Jazz, recht gut representiert.
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#10
Ich gebe zu, daß ich kaum noch Radio höre. Es geht mir schlicht auf den Wecker!

Ein, höchstens zwei Sender kann ich hier empfangen wenn ich etwas anderes als dieses grottenelende gejaule aus dem Äther ziehen will. Das sind MDR-Kultur und der Deutschlandfunk, nennt sich ja jetzt wohl Deutschlandradio. Dort kommt ab und an mal ein wenig Klassik rüber.
Die einzige Ausweiche bildet dann die Kurzwelle - ist aber auch nicht mehr viel los mit deutschen Stationen und ein Hörgenuß ist es eh nicht. Noch vor wenigen Jahren hab ich ziemlich regelmäßig SF, SWF, ORF und Prag empfangen. Auch andere Auslandsdienste, allen gemeinsam war eine sehr informative und abwechselungsreiche Programmgestaltung wie es dem Sendeauftrag der Stationen entsprach.

Das ist leider passé. Hans-Joachim hat den Finger in der Wunde - schnellrechnende Schreibtischtäter machen heute das was nur sie selbst Rundfunk nennen. Hinzu kommt auch noch daß den Mitarbeitern großteils das handwerkliche Können fehlt. Was nutzt da Technik vom Feinsten - eine Stradivari macht noch lange keinen Paganini.

Reine Spartensender, so nach dem Motto 24 Stunden ein festgelegtes Genre, würde ich mir, so es sie denn gäbe, nicht antun wollen.

Alles was kanalisiert tötet die Vielfalt und führt zur Abstumpfung im Sender. Das kann man tagtäglich hören. Zum Glück kann ich ja auf meine Konserven rückgreifen - ein lebendiges Rundfunkprogramm können diese aber auch nicht annähernd ersetzen!
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#11
Lieber Matthias,

als alter Knacker suche ich grundsätzlich die Auseinandersetzung, das hat sich mit meinem Älterwerden dramatisch verschärft. Man wird es leid, zumindest dann, wenn man meines gedanklichen Klimas ist, immer wieder das einzuatmen, was man zuvor ausgeatmet hat; das gilt auch für meine musikalischen Vorlieben, deren Entwicklung ich ja nun buchstäblich 'drin habe'.
Außerdem stört mich gerade das, was andere "Belehrung" nennen und vital bekämpfen. ich weiß nicht alles und will aber (pathologisch??) mehr wissen.
Was ich als Kind dem "Schulfunk" (rundfunkintern übrigens ein Schlagwort für eine bestimmte Sendungsmachart...) ist nicht vergessen; der verfassungsmäßige Auftrag an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk spricht mir daher aus der Seele, die in ihrer Naivität denkt, dass das, was ihr gut tat, vielleicht auch nicht für alle anderen schlecht sein muss.

Doch dafür gibt es sicher auch hier und berechtigterweise Widerspruch (gegen den ich auch nichts einzuwenden habe). Ich füge mich in mein Schicksal, bleibe der, der ich bin, lasse aber eines nicht zu: Dass ein 'Anbieter' mit mir (und meinem Intellekt) Schlitten fährt (mich zur Dispositionsmasse degradiert): "Vox pupuli, vox Rindvieh" sagte einmal ein gottlob gestorbener bay. Politiker, dessen Söhne Jahre hinter mir dieselben Schulbänke drückten; die Tochter verscherzte es heute mit ihresgleichen endgültig. Deutlicher kann man seine Verachtung für den Mitmenschen neben der eigenen grandiosen Selbstüberschätzung nicht ausdrücken. Das ist nicht meine Baustelle.

Jenes Schlittenfahren liegt bereits und gerade im Medienbereich vielfältig vor (der 68er Vorwurf der Medienmanipulation ist heute alltägliche Realität: man vgl. den aktuellen Medieskandal Bush's; wir sind aber nicht besser), weshalb ich dieser Gesellschaftsordnung in praxi 'gekündigt' habe, da ich mich mit ihren offensichtlichen Zielen und Inhalten nicht mehr identifizieren kann. Ich bin zu sehr Historiker, um die sich auftuenden Untiefen nicht zu erkennen.

Hans-Joachim

Hans-Joachim
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#12
Als Gewohnheitstier bin ich immer sehr froh, wenn mir etwas neues, fremdes auf's Auge gedrückt wird. Ohne Einfluss von aussen landet man immer wieder in jenen Pfaden, die man im vorangegangenen Kreislaufen höchstselbst ausgetrampelt hat. Spartenradio fördert diese Entwicklung - man hört das, was man will und merkt nicht einmal, was einem entgeht. Anders ausgedrückt: Man stumpft ab!

Wildes Aneinanderreihen von Gegensätzen bringt's aber auch nicht - es ist der gelungene Wortbeitrag, der genial gesponnene rote Faden, der dafür sorgt, daß Konsumiertes als Wissen verankert bleibt. Schon alleine deswegen, weil in lebendiger Vortrag eines Moderators dafür sorgt, daß man sich auch nach Wochen noch im Plattenladen an einen Komponisten, einen Interpreten erinnern kann.

So habe ich, musikalisch zwischen dröhnenden Drums, sägenden Gitarren und nuschelnden Barden zu Hause, im Deutschlandradio einen Beitrag über einen Komponisten aus der alten Musik (glaube ich zumindest) names Ignaz Franz Biber gehört. Das Werk hiess "Die Rosenkranzsonaten" und fasziniert hat mich, wie dieser Komponist durch völlig andere Stimmungen der Geige völlig andere Stimmungen in der Musik erzeugte.

Für mich war die Geige ein Fixpunkt, so gebaut, so gestimmt, so gespielt. Ich sah es als Element der Rock- und Pop-Musik an, daß im lockeren Umgang mit diversen Stimmungen eines Instruments gewisse Effekte erzielt werden. Daß - wiedereinmal - "alles schon mal da war" und das, was man damit erreichte, war spannend zu lernen und sitzt im Gedächtnis.

Aber so eine Sendung zu machen, das dauert, das kostet Zeit und Geld, und vor allem: Es braucht einen Fachmann, der nicht nur etwas weiss sondern der sein Wissen auch mit Begeisterung weiter vermitteln kann, auch an die Ignoranten wie mich, die eigentlich etwas anderes hören wollten aber wegen schlechter Empfangslage nicht konnten.

Diese Art Rundfunk - darüber bin ich mir im Klaren - wird verschwinden. Es ist der Rundfunk der Idealisten, der Fachleute, derer, die zuletzt nach dem Profit fragen sondern zuerst nach dem Gewinn für die Hörer.

Fachleute und Idealisten gibt es, es fehlt daran, diese Arbeit bezahlen zu wollen und zu können, sich mit einer schwarzen Null zufrieden geben zu können statt auf Gewinne aus Werbeeinnahmen fixiert zu sein.

Wächst vielleicht im Internet etwas nach? Es gibt ja schon viele kleine Radiostationen, die quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit senden. Dafür braucht es wenig Geld für den Betrieb, Idealismus und Fachwissen laufen nicht ganz gegen die monetäre Wand.

Ist das Net eine Alternative für alternativen Rundfunk ohne "Äther"?
Michael(F)
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#13
Zitat:Matze postete
(...) Nun habe ich keine Ahnung von Klassik und wenn auf dem Klassiksender nur "Kommerz" läuft während der "Untergrund" zu zu kurz kommt dann kann ich das freilich nicht beurteilen. (Ich weis ja nicht einmal ob es die "Kommerzklassik" überhaupt gibt, da mir da jegliche Kenntnis fehlt.)
Ja, es gibt ausgesprochen kommerzielle Klassik. Karajan (zumindest der späte) galt als Inbegriff eines kommerziell denkenden Künstlers. Man sollte aber nicht den Fehler machen, deswegen sein Werk künstlerisch zu diskreditieren.

Es gibt ein Standardrepertoire, das jeder hören will und das rauf und runter gespielt wird und von dem ständig Neueinspielungen auf den Markt geworfen werden. Das muss nicht heissen, daß die Zauberfllöte oder Don Giovanni schlecht sind - es ist halt massentauglich.

Es gibt dann noch die Sparte der sog. Neuen Musik, die so neu nicht mehr ist, und die in der Regel im Konzert zuerst gespielt wird, damit die Leute nicht in Scharen davon laufen (der Beethoven kommt ja noch hinterher). Das ist das Genre, das bei hohen künstlerischen Ansprüchen wenig Wert auf den Kommerz legt.

Ist natürlich stark simplifiziert - ich kenne mich nicht sehr aus.
Michael(F)
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