Tonbandgerätekauf - Checkliste?
#1
Hallo in die Runde,

Ich plane jetzt nicht unbedingt die zeitnahe Anschaffung einer neuen Bandmaschine, aber ich habe trotzdem ein paar Fragen dazu. Auf Ebay werden ja immer wieder Geräte angeboten und als ich anfing, mich dafür zu interessieren, stand ich ein bisschen davor wie der Ochs vor dem Berg. Inzwischen habe ich eine A77 und ein bisschen Routine damit.

Ich würde kein Online angebotenes Gerät kaufen ohne es vorher angeschaut und ausprobiert zu haben. Aber meine Frage an die Experten: Ist es für den Laien überhaupt möglich, zuverlässige Rückschlüsse auf den Zustand einer alten Bandmaschine zu schließen? Ohne einen Schraubenzieher an das Gerät gesetzt zu haben kann man ja immerhin testen, ob Aufname- und Wiedergabefunktion funktionieren. Zumindest bei der A77 (ich denke, bei der B77 sollte es auch möglich sein) kann man ja auch einen Blick auf die Tonköpfe werfen. Sind sie sauber? Wie weit sind sie abgeschliffen? Aber sind das Kriterien, nach denen man sich tatsächlich für oder gegen einen Kauf entscheiden kann? Oder braucht man tatsächlich einen Fachmann, der das Gerät öffnet und sagt "Top oder Flop"? Sollte man vielleicht auch selbst einmal das Gerät aufschrauben um das Innere in Augenschein zu nehmen? Ich kann überhaupt nicht einschätzen, worauf man dabei achten sollte, denn ich weiß ja nicht, wie es aussehen muss bzw. worauf man achten muss.
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#2
Da Du schon ein bisschen Erfahrung mit Bandmaschinen hast, sollte es möglich sein, die Maschine einschätzen zu können. Wichtig sind natürlich die Köpfe resp. der Kopfspiegel und es sollten alle Funktionen gegeben sein, auch das Spulen am Anfang und Ende eines Bandes. Bei den Innereien ist es schon schwieriger, da gibt es verschiedene Varianten:
- an der Maschine wurde noch nie etwas gemacht
- die Maschine ist verbastelt, d.h. es hat jemand ohne große Erfahrung daran herumgelötet
- die Maschine ist ordentlich gewartet
Jetzt kommt es auf Dein Wissen/Können an, Variante 1 bietet sich für Leute an, die gerne selbst die Maschine revidieren, Variante 3 für die reine Nutzerfraktion.
Von Variante 2 sollte man Abstand nehmen, ausser man braucht ein billiges Schlachtgerät.
Es wird kaum möglich sein, eine BM beim Verkäufer von innen zu sehen, so dass man sich auf seine Aussagen verlassen muss. Kann man doch mal einen Blick hinein werfen, so ist auf ausgelaufenen oder geborstene Kondensatoren und 'alte' Einstellregler zu achten. Ein bisschen Staub darf schon drin sein, allerdings keine cm-hohe Dreckschicht.
Zu beachten ist, dass alle Maschinen ein paar Jährchen auf dem Buckel haben und es immer mal wieder zu Ausfallerscheinungen kommen kann (auch bei gewarteten Geräten).
Viele Grüße
Eckhard

M15A; Revox A700, B77, A76, A77, A78; Braun TG1000; Uher 4400 Report Stereo IC; www.engelstrasse.de
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#3
Dann nochmal eine blöde Frage: Was für eine Qualifikation braucht man, um eine Tonbandmaschine ordentlich zu revidieren? Ich traue es mir selbst grundsätzlich nicht zu, aber neugierig bin ich trotzdem. Mit einem Lötkolben umgehen kann ich. Ich habe als Schüler mal an Kurzwellenantennen und allerlei Funk- und Tontechnik rumgebastelt. Gibt es für so etwas Anleitungen oder basiert so eine Revision auf langjährigen Erfahrungswerten?

Ich frage mehr aus Neugier als aus der Motivation heraus, so etwas selbst mal versuchen zu wollen.
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#4
Ein bisschen Mechanikkenntnisse, ein bisschen Löten und ein bisschen Schaltplanlesen dürfte für den Anfang genügen, um die Maschine in einen 'gewarteten' Zustand zu versetzen. Zum Einmessen bedarf es schon etwas mehr, auch an Messmitteln. Wichtig ist vor Allem das Servicemanual, sonst stochert man wirklich nur blind in der Maschine rum. Zum Glück gibt es zahlreiche Informationen im Netz.
Für mich war als Erstes mal lesen, lesen und lesen angesagt, dann habe ich mich an die Einstellregler und Kondensatoren meiner ersten A77 herangewagt. Erst viel später habe ich mich dann ans Einmessen gewagt, mit mäßigem Erfolg. Als ich meine Messmittel um ein analoges Millivoltmeter ergänzt hatte, klappte dann ach das Einmessen.
Für die ersten 'Gehversuche' ist eine A77 ideal, die kleinen Platinen lassen sich sehr gut handhaben und sollte man dabei mal eine vermurksen, so gibt es im Netz Ersatz.
Viele Grüße
Eckhard

M15A; Revox A700, B77, A76, A77, A78; Braun TG1000; Uher 4400 Report Stereo IC; www.engelstrasse.de
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#5
Also ich kann jetzt nur für meine Wenigkeit sprechen und dir sagen, wie das bei mir aussieht.

Ich habe ja keinen "elektrischen" Beruf gelernt, wenn man davon absieht, dass ich jahrzehntelang (elektrische) Straßen- und Stadtbahnen gefahren habe.

Um eine Bandmaschine erfolgreich zu überholen, sollte man über wenigstens grundlegende Kenntnisse der Elektronik verfügen. Man sollte Schaltpläne und deren Symbole lesen können und zumindest bei einfachen Schaltungen (Netzteile, Vorverstärker...) auch die Funktion verstehen. Ich war auch mein Leben lang eher der Praktiker (und Pragmatiker), und zeitweise "Bausatzlöter", der nie wirklich alle Details einer Schaltung durchschaut hat.
Wenn ich da Fragen habe, ziehe z.B. ich den lieben Kai(mex) hinzu, der das gelernt hat und einem "ruckzuck" sagen kann, was dieser Widerstand bewirkt und welchen Wert ein Kondensator haben sollte, der dieses und jenes macht. thumbup

Ganz ganz wichtig finde ich eine gute Kenntnis in Bauteilkunde! Man sollte schon in der Lage sein, zu erkennen, was für ein Teil man vor sich hat und nicht bei jedem Zweibeiner nachfragen "hier habe ich ein braunes Teil ausgelötet, auf dem 104/125= draufsteht, was ist das denn?" Da ist also wirklich etwas Routine sehr nützlich und eigentlich unabdingbar! Genauso sollte man wissen, was man gegen was tauschen darf. Wenn ich unsicher bin, was ich machen soll, weil ich bei Conrad oder Reichelt gar keinen Elko 250 µF/15 V oder gar 1600 µF/3 V finde, erschwert und behindert das die Arbeit an einem Gerät unnötig. Und kann ich wohl einfach einen axialen gegen einen radialen Elko ersetzen? Auf dem neuen Motorkondensator steht 450 V~ drauf, auf dem alten aber nur 250! Wat nu? Wie rum muss man Folienkondensatoren einlöten? Was heißt das "M" auf der Feinsicherung? Oder: Tantalkondensatoren sehen doch immer wie Tropfen aus, oder? Huh

Solche Sachen, also das Identifizieren von Bauteilen, von der Diode bis zum Thyristor, auch mit etwas ungewöhnlichen Bauformen, und das Wissen, welche aufgedruckten Werte was bedeuten und in welcher Richtung da eine Änderung unerheblich oder unschädlich ist, sollte man also quasi "im Schlaf" intus haben. Natürlich ist das weitgehend Erfahrung! Wenn man mit so einem Hobby anfängt, wird man öfters mal nachschlagen oder -fragen müssen...

Weiterhin ist natürlich die Beherrschung einer einwandfreien Löttechnik unabdingbar! Kalte Lötstellen sind eine vertrackte Störungsursache und müssen unbedingt vermieden werden. Eine regelbare Lötstation ist für Viellöter sehr nützlich.

Und dann müssen die nötigen Hilfsmittel wie Messgeräte und Signalgeneratoren sowie Mess- oder Bezugsbänder vorhanden sein, wobei das Wissen um deren Bedienung auch nicht schaden kann! Wink Einiges kann ja heutzutage durch Softwarelösungen ersetzt werden, wobei Vielen die Arbeit mit richtigen, physisch greifbaren Geräten lieber ist.
Ebenfalls sollte man versuchen, immer die spezifischen Serviceunterlagen und Schaltpläne für das betreffende Gerät zu bekommen. Oft kommt man ohne diese Unterlagen nicht zum Ziel.

Der Rest ist die Theorie, also das Anlesen von Wissen zu allen Themen, die für dieses Hobby relevant sind, was eigentlich auch kaum innerhalb von vier Wochen zu machen ist, sondern bei den Meisten mehrere Jahre in Anspruch nimmt.

Schließlich schadet es auch nichts, wenn man weiß, welches Material man wo am besten und günstigsten bekommt. Bauteile, die man immer wieder benötigt, kauft man nicht einzeln, sondern 25-, 50-, oder 100 stückweise. Alle gängigen Elkos, andere Kondensatoren, Widerstände, Trimmer, Dioden und einige Transistortypen in npn und pnp kommen in Sortimentskästen oder -Koffer, so dass man im Fall des Falles nicht jedesmal zu Conrad fahren oder eine Bestellung aufgeben muss.
Wenn man öfters Geräte eines Herstellers oder bestimmter Typen (in meinem Fall Revox A und B 77) aufarbeitet und repariert, gehören auch spezifische Teile wie Riemen, Federn, Lämpchen, Andruckrollen, Kugellager und so weiter bevorratet. Diese Sachen werden vom Lagern über einige Monate ja nicht schlecht! ^^

Und nun viel Spaß beim Restaurieren und Einmessen! thumbsup

LG
Holgi
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#6
Naja ich glaube kaum, dass ich mich da ran trauen würde. Ich habe (als Physik-Leistungskursler und Chemiker, der damit auch Physik im Nebenfach hatte) grundlegende Kenntnisse in Elektrizitätslehre. Ich verstehe ungefähr, was zum Beispiel ein Widerstand, eine Diode und ein Transistor machen. Ich weiß auch, was ein Kondensator ist und macht, aber seine Rolle in einer Schaltung ist mir oft nicht wirklich zugänglich solange es sich nicht um einen Schwingkreis oder ein Glättungsglied hinter einer Graetz-Schaltung handelt. Ich glaube, ich würde da vorher eher mal an einem RaspberryPi rumlöten bevor ich mich an eine ehrwürdige A77 ranwage. Wenn ich die unwiderbringlich zerstöre, ist der Schaden größer als bei einem Minicomputer, der gerade eben 70 Euro kostet.

Aber es ist gut zu wissen, dass es hier im Forum Leute gibt, die man fragen kann, wenn man doch mal einen Rappel bekommen sollte. Oder die einem im Zweifelsfall evtl. auch ein gebrauchtes Gerät, das man gekauft hat, revidieren würden. :-D

Noch eine Frage zum Einstiegsthema: Angenommen ich kaufe bei Ebay eine Maschine als "defekt" - ist dann davon auszugehen, dass sie grundsätzlich revidierbar ist? Ich habe nämlich bislang noch nicht gehört, dass eine Bandmaschine sozusagen als "Totalschaden" aufgegeben wurde - außer sie wäre vom Tisch gefallen oder so.
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#7
Viele stellen ihre Maschinen bei eBay als defekt rein, wenn sie nicht wissen, was damit genau ist, oft ist auch der Fehler beschrieben. Es sind ja oft Bilder dabei, da hat man wenigstens einen Überblick über das Äußere. Revidieren lassen sich die Maschinen im Allgemeinen, man sollte nur bei den Tonköpfen nachfragen, sind die hinüber, ist es meistens ein Totalschaden.
Wenn Du Dich an einen Raspi herantraust, dann kannst Du auch so eine kleine Platine der A77 beackern, die gibts dann schon für 20 Euro, wenns mal daneben geht Wink
Viele Grüße
Eckhard

M15A; Revox A700, B77, A76, A77, A78; Braun TG1000; Uher 4400 Report Stereo IC; www.engelstrasse.de
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#8
Lassen sich die Tonköpfe nicht ersetzen?
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#9
... das schon, aber sie sind entweder schwer zu bekommen, oder teurer als eine 'neue' Maschine.
Viele Grüße
Eckhard

M15A; Revox A700, B77, A76, A77, A78; Braun TG1000; Uher 4400 Report Stereo IC; www.engelstrasse.de
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#10
Natürlich, und wenn du die 380 Euro pro Stück bei Revox nicht aus der Kaffeekasse nehmen kannst: gebrauchte gibt es in unterschiedlichen Zuständen immer wieder mal bei Ebay. Du kannst ja auch Köpfe nehmen, die für B77 oder PR99 angeboten werden. Da liegen die Preise zwischen 1 Euro (mein günstigster Kauf von Köpfen mit null Einschliff) und etwa einem Hunni pro Stück. Köpfe mit weniger als 4 mm Spiegel kann man ohne Weiteres nehmen. Ggf. können sie geläppt werden, um Kanten des Einschliffs zu glätten und dann halten sie noch mal ein paar tausend Stunden!
Bei anderen Herstellern sieht es mit Köpfen erheblich düsterer aus.... Sad
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#11
hannoholgi,'index.php?page=Thread&postID=236482#post236482 schrieb:Kai(mex) hinzu, der das gelernt hat
auch nur im Selbst-Studium. Ausgangspunkt war ein KOSMOS Radio + Elektronik Baukasten 7A nach Heinz Richter des Franckh-verlags, abgebildet unter
https://www.sarganserland-walensee.ch/ra...omann0.htm
bei "Die 1.te Schiene". Das muß so Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts gewesen sein. Gleichzeitig habe ich sämtliche Bücher von Heinz Richter und was es sonst so über Röhren und Transistoren in den öffentlichen Bibliotheken gab, gelesen. Manches blieb hängen.

Physik und Chemie sind gute Voraussetzungen: Physiker können bekanntlich alles, denn alles ist Physik. Chemie ist die Physik der Elektronen-Hülle der Atome/Moleküle/etc.
Erst neulich wurde hier ein Chemiker dringend gesucht, als einem Forianer ein Meßgerät verkauft worden war, in dem eingebaute Akkus ausgelaufen waren und die Platinen versaut hatten.

Solange man noch bereit ist, dazu zu lernen und nicht erwartet, daß einem alles von Mama/Papa oder den Heinzelmänchen benutzungs-fertig gemacht wird, kann man es wagen, sich mit Tonbandgeräten zu beschäftigen. Man muß aber auch jederzeit damit rechnen, daß ein unerwarteter Störfall eintritt. Insofern, wenn man einfach nur problemlos und betriebssicher akustische Ereignisse aufzeichnen möchte, ist man mit zeitgenössischer Digital-Technik besser beraten. Ich kann mir nicht verkneifen, mal wieder zu sagen, daß die Beschäftigung mit Tonbandgeräten eine Spielart des Masochismus ist, die hauptsächlich Männer befällt Big Grin .
Wenn man neu in dem Gebiet ist, sollte man keine als defekt deklarierten Geräte kaufen. Die richten sich an Leute, die sich zu helfen wissen oder noch brauchbare Ersatzteil-Vorräte erhoffen. Mit Geräten, die angeblich gut oder gar bestens funktionieren hat man bessere Chancen, etwas benutzbares zu bekommen, sicher ist das aber nicht und kann sich auch schnell ändern.

MfG Kai
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#12
Oops, Kai, das überrascht mich jetzt aber. Was ist denn dein beruflicher Hintergrund, wenn man fragen darf?
@ Arctic Refox, als einer der aus diesem Beruf kommt stimme ich Holgis Ausführungen zu 100 Prozent zu.

Und generell sollte man schon wenigstens so halbwegs wissen was man macht. Zu wissen "was ein Widerstand ist" reicht bei weitem nicht, um die jeweilige Schaltung auch nur ansatzweise zu verstehen. Allenfalls bei einem Toaster, und auch da nur, wenn er keine elektronische Regelung hat. Damit will ich dir nicht den Mut nehmen selbst mal Hand anzulegen, aber doch die Wahrheit sagen.
Wenn du ein neues altes Gerät kaufen willst, nimm eins, von dem der Käufer behauptet es laufe einwandfrei. Ich verspreche dir, es macht dir noch genug Arbeit, bis es wirklich einwandfrei läuft! Defektgeräte kaufen ist für einen Laien sinnlos.
VG Stefan
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#13
Meine Bevorratungs-Strategie hat einen etwas kleineren Maßstab als Holgis, ich kaufe eher in 3-10 Stück, je nach Preis und Häufigkeit der Bauteile, teilweise auch nach Platzbedarf. Das setzt natürlich eine gewisse Erfahrung voraus, welche Werte wie oft vorkommen und man sollte das eher nur tun, wenn man nicht auf teuren Versand angewiesen ist. Ich habe Zugriff auf zwei Geschäfte, die viele Komponenten bezahlbar lagernd haben und kann es mir daher leisten, öfter nachzukaufen. Außerdem arbeite ich oft an Geräten, die nicht extrem viel Bauteile haben (Röhrengeräte, Schaltnetzteile). Ein - extremes Beispiel - großer Transistorverstärker ist da eine ganz andere Kategorie von Elko-Grab, würde ich mehr an denen arbeiten, hätte ich vermutlich auch ein größeres Lager.
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#14
Es ist für einen nicht gut ausgebildeten - wozu ich mich auch zähle - auch niemals von Nachteil sich eher mit den einfachen, robusten Gerätschaften zu beschäftigen. Ein gutes Beispiel war mir hier immer die Seite diese Tonbandfreundes....
https://bandmaschinen.jimdo.com/
VG Martin
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