Ein langer Aufbruch in ein schnelles Ende: Stereotronic
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Quellen:

[1] High Fidelity-Jahrbuch III 1967/68 - Bausteine zur klangtreuen Musikwiedergabe, Verlag C. Braun c1967
[2] Deutsches HiFi-Museum / HiFi-Magazine / HiFi-Stereophonie: Inhalts-Übersicht http://www.hifimuseum.de/hifi-stereophonie.html
[3] Telefunken Nachrichten Nr.5 von 1935
[4] Stereotronic Steuerwagen Modell 27, Druckblatt 920.431
[5] Stereophonie: Paradies für Ohren, Der Spiegel 52/1965, S. 103ff
[6] Stereotronic Verstärker STV-102. Hinweise zur Bedienung
[7] https://www.tubeworld.com/7189.htm
[8] Datenblatt „Types 7189 and 7189A". Sylvania Electronic Tubes. (http://frank.pocnet.net/)
[9] http://www.sokoll-technologies.de/Museum.../6AN8.html
[10] Datenblatt „Sylvania Type 6AN8, 6AN8A, 5AN8". Sylvania Electronic Types (http://frank.pocnet.net/)
[11] Datenblatt: „12AX7 Twin Triode. Description and Rating“ General Electric Tubes (http://frank.pocnet.net/)
[12] Prospekt Schaub-Lorenz: Rundfunkgeräte-Musiktruhen ab 1.4.1965
[13] „Associated and Allied Companies“, in Electrical Communications, Oktober 1929, No.2 Vol.8, S.73, http://www.americanradiohistory.com/Arch...929-02.pdf
[14] „International Telephone and Telegraph Co.“ in Electrical Communications April 1931, No.4, Vol.9, S.255, http://www.americanradiohistory.com/Arch...931-04.pdf
[15] „Licensee Companies“ in Electrical Communications July 1935, No.1, Vol.14, S.95, http://www.americanradiohistory.com/Arch...935-01.pdf
[16] „Assiciated and Affiliated Companies“ in Electrical Communications Januar 1931 No.3, Vol.9, S.203, http://www.americanradiohistory.com/Arch...931-03.pdf
[17] Die ZEIT – Entschlossen vom 28.04.1967, https://www.zeit.de/1967/17/entschlossen
[18] Schaub-Lorenz Radio, Druckdatum Juli 1959, http://www.hifi-archiv.info/schaub59r/Sc...adio_2.jpg
[19] Graetz Raumklang mit Schallkompressor in „überall Graetz Radio“, Druckdatum 6/57, http://www.hifi-archiv.info/1957/11.jpg
[20] Valvo Datenblatt vom August 1963 (https://alltransistors.com/pdfview.php?d...ire=_valvo
[21] Radio RIM Görler Baumappe (http://www.rainers-elektronikpage.de/RAD...ruppen.pdf)
[22] Volker Konemeyer und Marco Böhme - Zeit Sprünge, Brühl/Baden, S.92
[23] http://www.hifimuseum.de/stereotronic.html
[24] Bob Estreich und Jal Verhelst - The Bell Telephone Manufacturing Company of Antwerp, Belgium (http://www.kulentuur.be/ateamuseum/vrien...b_BTMC.pdf)
[25] BTMC Prospekt (http://www.stereoskopie.com/3D-Anaglyphe...spekt.html)
[26] http://www.hifi-archiv.info/Rosita/1978/15.jpg
[27] http://www.wirtschaftswundermuseum.de/ba...966-1.html
[28] Werbung „Stereotronic ist ein neues Begriff für vollendeten Stereo-Klang“ hobby Magazin Nr. 21 vom 5.10.1966
[29] Hildesheim Fidelity - Blaupunkt Delta Hildesheim Fidelity – Blaupunkt Delta
[30] „Stereotronic STT 102 - wie im Märchen“, Interfunk-Magazin 1/67, S.18f
[31] Dr.-Ing. Jan Harmans: „Trends in Radio- and Television Receiver Components in Germany“ in Electrical Communications, Vol.41, Nr.3, 1966, S.341ff
[32] http://audiokarma.org/forums/index.php?t...le.279506/
[33] https://www.radiomuseum.org/r/ittusa_smx_100.html
[34] Pioneer-History: Corporate Information http://global.pioneer/en/80th/history/1950/
[35] Pioneer-History: Corporate Information http://global.pioneer/en/80th/history/1968/
[36] http://global.pioneer/en/80th/history/1937/
[37] Pioneer-History: Home HiFi http://global.pioneer/en/80th/history/1950/
[38] Werbung „3-way System Components“ im Audio Magazin 5/57 S.72 ... http://www.americanradiohistory.com/hd2/...2fukuin%22
[39] Werbung „The ultimate FM-Tuner“ im Audio Magazin 5/58 S.65
[40] „Annual Product Preview Issue 1962", Audio Magazin 8/62, S.35
[41] „Annual Product Preview Issue 1963", Audio Magazin 8/63, S.36
[42] Werbung Pioneer SM500 Audio Magazin 6/63, S.35
[43] http://audiokarma.org/forums/index.php?t...og.639108/
[44] „Annual Product Preview Issue 1965", Audio Magazin 8/65, S.38
[45] https://www.radiomuseum.org/r/stereotron_stv102_1.html
[46] Tabelle 1 http://www.jogis-roehrenbude.de/Transformator.htm
[47] http://www.transcendar.com/replacement-v...s/pioneer/
[48] Grundig HiFi-Studio 50: Die technischen Daten waren super http://www.hifimuseum.de/grundig-studio-50.html
[49] „Musik hören – aber wie?“ von Ernst Pfau im HiFi-Sonderteil des Hobby Magazin Nr. 25 vom 30.11.1966, S. 76 ff
[50] Was bin ich? - Artec SR32B
[51] „Neuheiten von der Deutschen Funkausstellung", Heft-Titel, Interfunk Magazin Heft 5 von 1967
[52] Schaltung Pioneer SM-83
[53] Stereotronic Tuner STT-102, Druckblatt 920.507
[54] Saba-Telewatt High Fidelity Programm, S.2 http://www.hifi-archiv.info/Saba/1967-4/0002.jpg
[55] Curt Menke – Stereo und HiFi – Das Erlebnis des dreidimensionalen Klangs, aus der Reihe: Der gute Tip, c1967 Südwest-Verlag München
[56] Gemeinsames Registerportal der Länder, HRB 500149, AG Mannheim
[57] Elektrotechnische Zeitschrift (ETZ) Ausgabe 17 1965
[58] Stereotronic-Werbung im Hobby-Magazin Ausgabe 21 vom 5.10.66
[59] Stereotronic-Werbung im Hobby-Magazin Ausgabe 22 vom 19.10.66
[60] Grußwort im Interfunk-Magazin, Ausgabe 1, 1967, S.3 http://www.fernsehmuseum.info/interfunk-magazin.html
[61] „Registreringstidende for vare- og faellesmaerker“ der direktoren for patent- og varemarkevaesenet, Nr.26A, 88 Jahrgang, Ausgabe vom 26.07.1967, S. 557, Tagebuchnummer A411/67 (Registernummer 1927/67, Journal 10A/67, S. 216)
[62] RADIO ELEKTRONIK SCHAU, Frühling 1968 (Band 44, S. 212)
[63] Deutsche Nationalbibliothek: Zeitschriftendatenbank https://zdb-katalog.de/title.xhtml?idn=01339889X&tab=4
[64] Billboard 30.08.1969, S.315, International Market Report, Phonograph Manufacturers
[65] Juno-Ausgabe 1968 der FONO FORUM (S. 359) berichtete Ingo Harden in „Das Neue kommt leise", den Nachträgen zur Hannover-Messe
[66] DER SPIEGEL Völlig blank, 23.12.1968
[67] The history of Mitsubishi Corporation in London: 1915 to present day, von Pernille Rudling, S. 132, ISBN 0415228727
[68] Die Industrie berichtet, Funkschau 4 vom 2.02.1967, S.94
[69] Aus Industrie und Handel, Funkschau 1 vom 1.01.1967, S. 31
[70] Aus der Wirtschaft, Funkschau 9 vom 1.05.1967, S.242
[71] Die ZEIT – Gesundgeschwitzt (24/1968) vom 14.06.1968 https://www.zeit.de/1968/24/gesundgeschwitzt
[72] Ingo Harden für die FONO FORUM (5/68, hifi Forum: Die Geräte-Neuheiten des Frühjahrs, S. 284)
[73] „DIN 45 500 – durchaus erschwinglich“, Interfunk-Magazin 6/67, S. 215ff
[74] „Stereophonie – schöne Gefühle“, Interfunk-Magazin 6/67, S.180
[75] „Die letzten 3 dB bringt der Whisky“, Interfunk-Magazin 1/67, S. 22F
[76] Ing. Max Victor: „Magnetkopf-Eingang am Hi-Fi-Verstärker?“ Funkschau 9 1967 S.279/719 ff
[77] „Ihre beste Schallplatte ist nichts wert ...“ Werbung für die SEL 25W40. Interfunk-Magazin 3/67, S.81

Nahezu alle genannten deutschen Quellen sind über das Zeitschriftenarchiv der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt am Main und teils auch in Leipzig einsehbar. Darüber hinaus gibt es Jahrbücher, Radio-RIM Kataloge, Hersteller-Prospekte und Schaltungen bei http://www.hifi-archiv.info (ehemals „wegavision“), US-Publikationen bei http://www.americanradiohistory.com oder http://www.vintagevacuumaudio.com
Ein besonderer Dank gilt den Verlagen DIE ZEIT und DER SPIEGEL, die ihre alten Ausgaben recherchierbar online bereit stellen.

Die mir vorliegenden Stereotronic-Unterlagen werde ich bei Gelegenheit scannen und ins Netz stellen. Die finden sich dann im Download-Bereich des Forums und im HiFi-Archiv, wenn die Betreiber das denn wollen.


Nachbetrachtung.

Ein Wort zum Geleit. So könnte man meinen. Auf Seite 3 der ersten Ausgabe des INTERFUNK-Magazin erklärt die Redaktion ihren Lesern, das neue Heft sei nach dem Vorbild der GRAETZ-NACHRICHTEN entstanden, angereichert durch einige „redaktionelle Akzente", die sich in der SCHAUB-LORENZ-ZEITSCHRIFT als „erfolgreich“ erwiesen hätten. „Zur koordinierten Vertriebsorganisation der beiden Unternehmen kommt ... also gewissermaßen eine „koordinierte“ Zeitschrift."
Weiter heißt es, „Durch den neuen Mitherausgeber Stereotronic eröffnet sich die Möglichkeit, nicht nur beiläufig über interessante HiFi-Projekte zu berichten. ...“ Gleich im ersten Heft wurde der große Tuner STT-102 vorgestellt.

Tatsächlich veröffentlichte das INTERFUNK-Magazin das Geleitwort der ersten Ausgabe Anfang 1967, als es die Marke „Stereotronic“ bereits gegeben hatte. Monate lang. Jahre lang? Und wurde auch Stereotronic „koordiniert"?
Tatsächlich stand auf Seite 2 eine Pressemitteilung, „die hiermit auch Interfunk-Lesern zur Kenntnis gegeben werden soll: Wie Dipl.-Ing. Burkhard Wiesmann, stellvertretendes Vorstandsmitglied und Leiter des Geschäftsbereiches Rundfunk Fernsehen Phono der Standard Elektrik Lorenz AG in Pforzheim mitteilte, wird die angekündigte Koordinierung der Vertriebsorganisationen der Graetz Vertriebsgesellschaft mbH, Dortmund, und der Schaub-Lorenz Vertriebsgesellschaft mbH, Pforzheim, am 1. Januar 1967 durchgeführt. ...“ Kein Wort zu Stereotronic! Wie bereits weiter oben angedeutet, war da wohl nicht viel zu koordinieren gewesen. Vielmehr dürfte die Stereotronic bereits koordiniert auf die Welt gekommen sein.

"Konzipieren Sie einen HiFi-Stereotuner, der kompromißlos allen Forderungen moderner HiFi-Technik gerecht wird, ohne Rücksicht auf die Kosten". Wenn Weihnachten nicht gerade vorbei wäre - wie ein Weihnachtsmärchen klingt ein solcher Auftrag in den Ohren des Eintwicklungsingenieurs. ...“ leitete der unbekannter Autor seine Vorstellung des Stereotronic-Tuners ein.
Wenn die erste Werbung für Stereotronic in der Oktober-Ausgabe 1965 der HiFi-STEREOPHONIE erschienen war, wenn die Firma im August 1965 gegründet worden war, dann könnte dieses Weihnachtsgeschenk Anfang 1965 überreicht worden sein. Nur eine These. Zwei Jahre, bevor das Interfunk-Magazin das Ergebnis der Entwicklungsarbeit vorgestellt hatte. Nahezu zwei Jahre, in denen Stereotronic kein Produkt hatte verkaufen können, dafür aber Geld gekostet haben dürfte.

Grundig hatte sein Studio 50 1963 auf den Markt gebracht. Und die Anlage funktionierte! Und die Anlage war ein Paukenschlag gewesen. „Warum haben wir so etwas nicht?", wird der eine oder andere Manager der größeren Konzerne gedacht haben. Die AEG, Siemens, Philips, Blaupunkt, Nordmende ... All die Großen der Branche hatten bestenfalls erste Steuergeräte im Angebot gehabt. Es waren vor allem die vermeintlich Kleinen: Braun, Dynacord, Sennheiser, die bereits auf Komponenten-"HiFi“ gesetzt hatten. Eine Marktlücke?

Die Amerikaner hatten getrommelt. Die Briten trommelten mit. Und nun Max Grundig als einer der Großen, der für seine gute Nase bekannt gewesen war.

Dies mag der Kontext gewesen sein, in dem der Entwicklungs-Ingenieur der SEL sein verspätetes Weihnachtsgeschenk bekommen hatte. Ein anderer Teil des Kontextes mögen die rückläufigen Umsätze im Radio-Markt gewesen sein. Etwas stockte. Warum?
"Ganz im Gegensatz zu klassischen Luxusgütern reagierten die HiFi-Verkaufszahlen nicht auf die gedämpfte Konjunkturlage", diktierte der Stereotronic-Geschäftsführer Ferdinand Wrobel den Autoren des INTERFUNK MAGAZIN die Ergebnisse einer „kommerziellen Beobachtung“ in die Feder. Sollte also „HiFi“ ein Ausweg sein können?


Mit Beginn der Sechziger Jahre hatten die Radio-Hersteller begonnen, Stereo-Geräte auf den Markt zu bringen. Freilich etwas früh, denn das Angebot an Stereo-Sendungen war begrenzt gewesen. Der frühe Boom schien abgeflaut. Die Käufer hielten sich zurück, setzten eher auf die Stereo-Schallplatte. Das Resultat zeigt das Telefunken-Programm: ein Stereo-Steuergerät, 1964 dann zusätzlich zwei HiFi-Stereo-Röhrenverstärker, die im Prospekt jeweils zusammen mit einem Plattenspieler gezeigt wurden. Kein Tuner. 1966 dann der erste Transistor HiFi-Verstärker von Telefunken. Kein Tuner.

Wer etwas verkaufen will, der braucht ein Produkt. Wer ein Produkt hat, der braucht jemanden, der es haben will. Dafür muss der wissen, dass es das gibt.
Die meisten der Mitbewerber hatten sich für den Weg entschieden, vorhandene Produkte abzuwandeln: Man nehme die bekannte Marke, man nehme ein bekanntes Radio, hänge einen zweiten Lautsprecher dran und nenne das Ergebnis „Stereo". Das Schaub-Lorenz Rialto M Stereo ist ein Beispiel für diesen Weg. Oder man beraube das bekannte Radio um den eingebauten Lautsprecher, mache das Gehäuse etwas flacher, hänge zwei Lautsprecher dran und nenne das Ergebnis „HiFi-Stereo". Telefunken Concertino, Nordmende 3004, Grundig Stereomeister 35 oder Saba Freiburg Studio Vollautomatic sind Beispiele für diese Geräteklasse.
Schaub-Lorenz und Graetz waren mit Ihren Stereo-Radiogeräten für den Konzern aktuell nicht eben Wachstumsbringer gewesen. Das Image der alten Marken war zudem nicht wirklich „modern". Würden die HiFi-Interessenten, die Werber als typischerweise „Männer von mindestens 25 Jahren Alter mit einem monatlichen Netto-Einkommen oberhalb von eintausend Mark“ beschrieben, eine „HiFi-Anlage“ der alten Marken den amerikanischen, den britischen oder den Fürther Konkurrenten vorziehen?
Übrigens lag das jährliche Durchschnittseinkommen lediger und kinderloser Männer (Steuerklasse 1) im Jahre 1965 laut Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz bei DM 9.229. Der „Durchschnittsbürger“ war also nicht der typische HiFi-Käufer gewesen. Ganz anders heute, ob die Unterhaltungselektronik vor allem von „Hartz 4“ lebt. China sei dank.

"HiFi“ war keine Erfindung der SEL gewesen. Andere dominierten das Thema, hatten den Begriff mit einer „Idee“ gefüllt. Es galt also zu einem Zeitpunkt, als diese Anderen bereits dominiert hatten, deren Idee „HiFi“ im deutschen Markt zu beanspruchen. Besitzt man eine eingeführte Marke und hat man ein Produkt, so kann man damit sofort beginnen. Will man eine neue Marke etablieren und will man dem Kunden beibringen, diese mit der neuen Idee zu assoziieren, dann braucht das Zeit. Und muss man das Produkt, das man verkaufen will, erst entwickeln, so braucht das auch Zeit. Irgendwie praktisch: passt. Stereotronic wurde erfunden, das „Weihnachtsgeschenk“ bestellt und dazu eine Image-Werbung gestartet, die die Marke mit „Stereo“ und mit „HiFi“ in Verbindung bringen sollte. Soweit die Theorie.

Die Realität ist vielschichtiger, als Werbe-Strategen das zugeben wollen. Denn einfache Dinge verkaufen sich leichter, als komplizierte. Kompliziert kann man es immer noch machen, wenn der Auftrag erst einmal akquiriert ist.

Die Frage, wer Stereo und wer HiFi zu kaufen bereit ist, und wie er entscheidet, war eine Frage, die zu beantworten gewesen war. Immerhin schlugen HiFi-Systeme Mitte der Sechziger Jahre in der Regel mit einem Kostenaufwand von mehreren Tausend Mark zu Buche. Also beauftragte man eine Studie. Unter dem Titel „Die letzten 3 dB bringt der Whisky“ veröffentlichte das INTERFUNK-Magazin Auszüge aus den „Untersuchungen zum typischen HiFi-Käufer"
Der teile sich in drei Gruppen:
Gruppe 1 - sie ist die größte - fordert tatsächlich „höchst naturgetreue Wiedergabe", also High Fidelity im technischen und künstlerischen Sinne des Wortes.
Gruppe 2 verbindet mit High Fidelity nicht nur künstlerisch-musikalische Vorstellungen. Eindrucksvolle Klangeffekte wiegen hier manchmal mehr als der musikalische Inhalt.
Gruppe 3 - sie ist zahlenmäßig sehr schwach - erkennt in der HiFi-Idee einen zugkräftigen Snobappeal. Der Wunsch, sich durch den Besitz des Neuesten und Modernsten vorteilhaft von den Nachbarn abzuheben steht dabei im Vordergrund.


Als Problem wurde dabei erkannt, dass einerseits die Auswahl der passenden Anlage anhand technischer Eigenschaften versucht wurde: Ausstattung, Daten, Preis. Andererseits sollte die HiFi-Anlage im Ergebnis vor allem Spaß machen: „Vorliegende Untersuchungen zeigen, daß der typische HiFi-Käufer Musik und Wohlklang regelrecht genießen will, daß er pure Lebensfreude und so etwas wie Lust dabei empfindet."
Die Kaufentscheidung fiel aber tatsächlich in der Regel auf anderem Wege. Denn die Lebenssituation in der Mitte der Sechziger war für die Zielgruppe typischerweise noch etwas anders, als heutzutage. Die Käufer waren verheiratet und hatten nicht selten Kinder. Die HiFi-Anlage stünde auf der Wunschliste der Interessenten zwar recht weit oben, doch wurde die Entscheidung oft von den Frauen getroffen, die den Kauf erlaubten. Oder eben nicht. „Die Ursachen für diese scheinbare Diskrepanz sind naheliegend. Über die Reihenfolge der mehr oder weniger notwendigen Anschaffungen entscheidet der jeweilige praktische Nutzen. Vom Standpunkt der Hausfrau betrachtet rangiert dabei der Kühlschrank eindeutig vor der HiFi-Anlage.“ Und nicht nur der Kühlschrank. Auch der Staubsauger und in der Regel auch das Fernseh-Gerät, nicht selten auch das Haus, das Auto, der Studiensparplan für die Kinder.

Die Frage, wie man seine fertig entwickelten Geräte an den Mann bringt, hatte aber noch eine andere Dimension.
Anlässlich einer Fachkonferenz hielt Markus Tuner (Autor von: Graetz Farbfernseh-Praktikum Band 1: Eine Einführung in das Prinzip der Übertragung von farbigen Fernsehbildern, Rubens Verlag, 1. Auflage 1966) von der SEL einen Vortrag und nahm dabei anhand einer Marktuntersuchung, die die Situation im Jahre 1967 darstelle, Bezug auf die Themen Stereophonie und HiFi:
"... Wie Sie selbst am besten wissen, ist viel Geist und Geld aufgewendet worden, um dem Publikum klar zu machen, was Stereo ist. Das vorliegende Untersuchungsergebnis legt nun aber den Verdacht nahe, daß da meistens mehr Geld als Geist aufgewendet wurde. Denn auf die schlichte Frage „Haben Sie schon einmal etwas über den Begriff Stereo gehört?“ antworteten 33% der Befragten - und notabene repräsentativ - Personen mit einem glatten „nein".
Dabei ist zu bedenken, daß ein normaler Mitbürger einem Interviewer gegenüber höchst ungern zugibt, von etwas noch nichts gehört zu haben. Tatsächlich haben dann auch mehr Menschen behauptet, etwas von Stereo zu wissen, als das wirklich der Fall war. Jedenfalls ergibt sich das aus der Beantwortung der folgenden Fragen.
Dabei wurden alle Personen, die die Frage „Haben Sie schon einmal etwas über den Begriff Stereo gehört?“ bejaht hatten, kurzerhand gefragt: „Was stellen Sie sich unter Stereophonie vor?"
Was bei dieser Frage herausgekommen ist, kann unsereins nur mit einem lachenden und einem weinenden Auge zur Kenntnis nehmen. Mit einem lachenden insofern, als wenigstens die meisten der Befragten positiv der Stereophonie gegenüber stehen. Da kommen dann so Antworten wie besserer, vollerer Klang, mehrere Lautsprecher, Musik von mehreren Seiten oder verbessertes Radiogerät.
Das alles zeigt, daß die Leute wenigstens schöne Gefühle bei dem Begriff Stereo assoziieren. Ein wenig betrüblich bleibt aber noch, daß nur 2% der Befragten eine wirklich korrekte Antwort darüber machen können, was Stereo ist.
Doch wesentlich trauriger sieht es aus, wenn man fragt „Haben Sie den Begriff HiFi schon mal gehört?“ Hier antworten 69% mit einem schlichten „nein". Nur 31% sagen also, daß sie schon einmal etwas über HiFi gehört haben.
Natürlich wurden diese 31% auch hier anschließend gefragt, was sie sich unter HiFi vorstellen. Ein sehr großer Teil der Befragten paßte bei dieser Frage. Die übrigen gaben ähnliche Antworten, wie ich sie vorhin bei der Stereophonie zitiert habe. Es bleibt festzustellen, daß zu Guter Letzt nur 84 von 2000 Menschen brauchbar zu definieren vermochten, was man sich unter HiFi vorzustellen habe. Übrigens gab es unter den 2000 Befragten nicht einen, der die HiFi-Norm 45 500 auch nur erwähnt hätte. ...
“ (Interfunk-Magazin 6/67 S.180)

Es gibt noch eine dritte Dimension. Eine Firma, vor allem ein Konzern von der Größe der SEL, will ihren Kunden kein Wohlgefühl vermitteln, sondern Geld verdienen. Heute und in der Zukunft. Und genau hier hatte nicht nur die SEL begonnen, Schwierigkeiten zu entwickeln.
Man erinnere sich, dass die Siemens AG den Rundfunk-Sektor in der zweiten Hälfte der Sechziger Jahre aufgab, sich darauf beschränken sollte Produkte der BSH-Tochter Blaupunkt und von Elac umzulabeln. Telefunken rutschte, wie ich in der TED-Vorstellung bereits geschrieben habe, langsam in die Krise: DER SPIEGEL hatte berichtet, die Sparte Unterhaltungselektronik der AEG sei „schon seit 1967 ertraglos“ (4/75) gewesen.
Schon am Jahresende 1966, also kurz nach der Vorstellung der ersten Stereotronic-Geräte, hatte der Generaldirektor der SEL vor dem Betriebsrat konstatieren müssen, dass die Umsätze bei Rundfunk-, Fernseh- und Phonogeräten weiter zurückgegangen waren. Da das den Mitbewerbern ebenso ergangen sei, wären auch weniger Bauelemente verkauft worden. [68]
In der Rundfunkempfänger-Fertigung im Werk Rastatt hatten 500 der 1.300 Mitarbeiter im Dezember 1966 nur an zwei Tagen pro Woche arbeiten können. [69] Anfang 1967 wurde „… an Stelle einer für April vorgesehenen Kurzarbeit im Werk Pforzheim dessen Kapazität ... verkleinert.“ [17] In Rastatt sei der Tuner entwickelt und in Pforzheim gefertigt worden, hatte der ehemalige SEL-Mann dem HiFi-Museum berichtet.
Nur wenige Monate später ließ sich aus der Bilanz der SEL heraus lesen, „… daß der Sektor Rundfunk, Fernsehen und Phono im Berichtsjahr ungefähr 20 Millionen DM Verlust verbuchen mußte. ...“ [70] Drei Werke dieses Bereiches, Altena, Dortmund und Mühlhausen, waren im Laufe des Jahres 1966 geschlossen worden. Der Personalstand hatte in diesem Bereich sogar um 3.500 Mitarbeiter reduziert werden müssen.
Zwischen 1965 und 1967 sollte die SEL insgesamt neuntausend Beschäftigte abbauen, berichtete DIE ZEIT Mitte 1968: „… Das Schwergewicht der Rationalisierungsbemühungen lag auf dem Konsumgütersektor (Rundfunk, Fernsehen, Phono), der im letzten Jahr am Gesamtumsatz mit gut 20 Prozent beteiligt war. SEL sah in dieser Sparte, die vor allem durch die Graetz-Gruppe und die Schaub-Lorenz Vertriebsgesellschaft vertreten wird, nur noch rot. In den beiden letzten Jahren entstanden Verluste von schätzungsweise über 40 Millionen Mark. ... Die Kapazitäten wurden der „geänderten wirtschaftlichen Situation“ angepaßt. Die Beschäftigtenzahl sank allein in diesem Bereich um gut die Hälfte auf 4300 Personen. ...“ [71]

Insgesamt, so berichtete Ingo Harden für die FONO FORUM über die Geräte-Neuheiten des Frühjahrs 1968, sei der Umsatz der gesamten Phono-Branche „… von 960 Millionen DM im Jahre 1966 auf rund 930 Millionen DM im Jahre 1967 ...“ zurückgegangen. [72]
Der Anteil der SEL an dieser Zahl der gesamten Branche muß gigantisch gewesen sein.

DIE ZEIT berichtete am 28.4.1967, „Die Verwaltung der SEL ...“ hätte deutlich gemacht, „… daß sie zumindest für geraume Zeit nicht mehr mit der Geschäftsausweitung früherer Jahre rechne ...“ [17], allerdings Chancen im Telekommunikations- und Fernseh-Geschäft sehe. Nicht in HiFi.

Allein vierzig Millionen DM hatte die SEL die Modernisierung des Werkes Bochum gekostet, in dem die Fernsehgeräte-Fertigung konzentriert werden sollte, und weitere vierzig Millionen DM waren für den Bau des neuen Farb-Bildröhrenwerks in Esslingen veranschlagt worden. [70]
Achtzig Millionen D-Mark Investitionen. Nicht in HiFi.


Eine vierte Dimension war der Handel. Direktvertrieb ab Werk oder ab Großhandel gab es nicht. Man kaufte, was der Einzelhandel bereit hielt. Und es gab wesentlich mehr Fernseh-Händler als HiFi-Händler in der Republik, wesentlich mehr Fernsehgeräte in den Auslagen als HiFi-Anlagen. Und mal ehrlich: nur ein Trottel kauft eine HiFi-Anlage im Versand oder bestellt sie blind, wenn er sie nicht vorher gesehen und gehört hat.
Tatsächlich finanzierte sich ein großer Teil der Radio-/Fernseh-Händler über das Zahlungsziel des Großhandels. Es war also wichtig gewsen, die bestellte Ware so schnell wie möglich wieder abzusetzen. Und hier bot das Fernsehgerät weit mehr Chancen, als die HiFi-Technik.
Der Preis für ein Farbfernseh-Gerät, das unmittelbar mit dem Budget für HiFi konkurriert haben dürfte, wurde mit 2.500 D-Mark erwartet. Für den Durchschnittsbürger war das eine Menge Geld gewesen.
DER SPIEGEL berichtete im Dezember 1968 von einer Markterhebung der Schaub-Lorenz über die interessierten Käuferschichten: „41 Prozent der Käufer stammten aus der sozialen Unterschicht der Arbeiter, Rentner und Pensionäre, 49 Prozent waren Angestellte und Beamte und nur zehn Prozent Selbstständige und Freiberufliche“ [66]. Die Zahl der potenziellen Kunden für Farbfernsehgeräte war also um ein Vielfaches größer, als bei den HiFi-Anlagen. Im Jahr 1967 hätten 14% der westdeutschen Haushalte die Anschaffung eines Farbfernseher geplant gehabt, 1968 bereits 30%. Dabei wäre der Kunde nicht sparsam gewesen, fragte eher große, denn kleine Fernseher nach.
Hat sich der Handel also eher Farbfernsehgeräte oder eher HiFi-Anlage in die Auslage gestellt?
Dazu kam, dass eine HiFi-Anlage in der Regel bar bezahlt werden musste. Anders bei TV-Geräten: „Um in den Besitzt des Prestige-Möbels zu kommen, nehmen die ärmeren Kunden oft Abzahlungen bis zu 36 Monate in Kauf.“ [66] Hat jener, der auf Ratenzahlung kauft, noch Geld für die HiFi-Anlage übrig?

Das Ergebnis lässt sich in den Heften des INTERFUNK-Magazin betrachten. Die Marke „Stereotronic“ wurde in lediglich drei Artikeln überhaupt erwähnt. Zwei mal davon wurden Geräte technisch beschrieben. Zudem zeigte das Titelblatt die neuen Modelle auf der Messe: Im Innern des Heftes wurden die nicht einmal erwähnt. Stattdessen dominierte das Thema „Farbfernsehen“ zunehmend, Stereotronic verschwand als „Mit-Herausgeber“ zugunsten der Radiofabrik Ingelen. Schon 1969 erschien die Marke ITT auf dem Titel und zum Jahrgang 1970 wurde das Magazin schließlich in ITT SCHAUB-LORENZ MAGAZIN umbenannt.
Das Verschwinden der Marke Stereotronic war der Redaktion nicht einmal eine Meldung wert gewesen. Stattdessen wurden die neuen HiFi-Receiver von Schaub-Lorenz vorgestellt.


Wenn ein Management entscheidet, ein neues Produkt auf den Markt zu bringen, sogar in eine neue Sparte einzusteigen, dann ist es hilfreich, wenn man ein Vorbild hat. Für HiFi war das Vorbild die USA gewesen.
Doch der US-amerikanische HiFi-Markt erodierte bereits, war gekennzeichnet von Pleiten und Verkäufen der etablierten Firmen. Die Idee des Institute of HiFi-Manufacturers war weitgehend gescheitert und auch das nachfolgende IHF war eine Farce gewesen. Fachleute beklagten, selbst prominente HiFi-Hersteller würden kein „State of the Art“ anbieten. Die US-Hersteller sahen sich aus Japan bedrängt und hofften auf die Quadrofonie. Die großen Handelsketten setzte die Preise unerbittlich unter Druck.
Curt Menke beschrieb die Folgen für „HiFi“ 1967 in seinem Buch folgendermaßen: „… Falls Sie in jüngerer Zeit in den USA gewesen sind … so werden Sie ganz blaß über die großzügige Benutzung des Begriffs „HiFi“ in dessen Ursprungsland geworden sein. Tonbandgeräte …, die man bei uns gerade noch zur Volksgruppe 17 (der deutschen Sprache kaum mächtig) rechnen würde, prangen dort im Schmucke des HiFi-Zeichens. Böser konnte man eine so hoffnungsvoll begonnene Technik kaum abwerten. ...“ [55]

Wenn ein Management eintschieden hat, ein neues Produkt auf den Markt zu bringen, sogar in eine neue Sparte einzusteigen, dann wird es irgendwann auf den Erfolg schauen. Insbesondere in den USA gilt, dass man verlorenem Geld kein weiteres hinterher wirft.

Die ITT griff ein, reduzierte die Selbstständigkeit der deutschen Tochter. Der Konzern wurde gestrafft und die Marke ITT nach vorn gestellt. Das ist schon auf dem Titel des letzten INTERFUNK-Magazins zu sehen.

Vom „Weihnachtsgeschenk“ bis zur Präsentation des Tuners hatte es bald ein Jahr gedauert. Der eigene Verstärker war da noch nicht fertig gewesen. Die „kleine Serie“ wurde zwar mit „HiFi“ beworben, genügte aber nicht der neuen HiFi-Norm, mit der ja auch geworben werden können sollte. Letztlich ein Fehlstart für die Stereotronic.
Wäre das Farbfernsehen bereits eingeführt gewesen, wären die Start-Chancen für das Experiment „HiFi“ nicht nur bei der SEL sicherlich besser gewesen. So wurde eine „Entweder-Oder-Wahl“ getroffen. Denke ich mal. Fernsehen hat gewonnen. Nicht nur bei der SEL.

ENDE

Oder nicht? Vielleicht wisst Ihr mehr und mögt das berichten.

Tschüß, Matthias
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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[Kein Betreff] - von Matthias M - 18.09.2018, 20:23
[Kein Betreff] - von Matthias M - 18.09.2018, 20:28
[Kein Betreff] - von Matthias M - 18.09.2018, 20:40
[Kein Betreff] - von Matthias M - 18.09.2018, 20:46
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[Kein Betreff] - von Matthias M - 18.09.2018, 20:59
[Kein Betreff] - von Matthias M - 18.09.2018, 21:04
[Kein Betreff] - von cisumgolana - 19.09.2018, 11:46
[Kein Betreff] - von Anselm Rapp - 19.09.2018, 17:56
[Kein Betreff] - von Stereo_Record - 20.09.2018, 20:11
[Kein Betreff] - von Vollspurlöschkopf - 21.09.2018, 08:33
[Kein Betreff] - von niels - 22.09.2018, 15:29
[Kein Betreff] - von w-i-l-l-i - 28.09.2018, 08:54

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