Klavierduo mit Streichquartett - Gianna Nannini einmal anders
#1
Als Gianna Nannini Anfangs der 70er ihre ersten Erfolge hatte fand ich sie "ganz gut" auch wenn ich damals schwer in ihre englische Kollegin Chrissie Hynde verliebt war :-) Dann erlahmte das Interesse - vieles in ihrer Musik wiederholte sich und hatte nicht mehr die Klasse von "America" oder "California". Zwar mochte ich das eine oder andere ihrer Stücke - ein richtiger Fan wurde ich nie.

Warum ich mir Karten für das Auftaktkonzert ihrer Tournee 2004 kaufte weiß ich nicht. Die Ankündigung, daß sie alte Songs in neuem Gewand präsentieren würde - ein Arrangement mit Klavier und Streichern hatte sie sich ausgedacht - ließen meine Zweifel daran, daß das funktionieren würde, eher steigen.

Vorneweg: Es hat funktioniert und ich bin 6 Wochen Später nochmals in ein anderes Konzert dieser Tour gegangen, die von Januar bis März dauerte.

Die Locations waren dem neuen Sound entsprechend gewählt: Keine Rock-Schuppen sondern die Konzerthalle in Karlsruhe und die Liederhalle in Stuttgart waren Orte des Geschehens. Es war bestuhlt, und als Bühnebeleuchtung mußte für den ersten Song eine Kerze genügen. Frau Naninni kam wie gewohnt: Einfache weiße Bluse, Jeans, etwas zerzauste Haare, ganz so, als sie sie soeben etwas verspätet von der Vespa gestiegen und dann die Treppe hochgerannt.

Das erste Stück spielt sie alleine und begleitet sich dazu auf dem Klavier. Diess Instrument beherrscht sie durchaus bühnentauglich, wie der Abend noch zeigen wird. Dann kommen ihre Musiker - ein Streichquartett (drei Geigen, ein Cello) und ein Universalgenie das ein wenig Percussion spielt, hin und wieder bei Bedarf einen PC programmiert (ganz ohne Einspielungen "von Band" kam man nicht aus, das beschränkte sich jedoch auf sparsam eingesetzte Effekte) und vor allem ein ganz herrvorragender Pianist ist. Er ist zugleich sowas wie der musikalische Direktor dieser Unternehmung und war nicht nur auf der Bühne sondern auch im Studio für alles verantwortlich.

Gianna wäre nicht Gianna, wenn sie einen ganzen Abend lang stillhalten könnte - das kann sie natürlich nicht. Das Publikum ist auf Anhieb begeistert, und mit "Latin Lover" versucht sie noch mehr Leben in die Bude zu bringen. Das gelingt ihr auch - der Song wird frenetisch beklatscht - aber ich selber finde gerade bei diesen großen Hit das neue Arrangement etwas verkorkst. Das liegt wohl an den penetrant-monotonen Drum-Loops, mit denen sie das Stück unterlegt hat.

Der zweite Versuch mit "America" gelingt viel besser. Das war ein Bild für Götter: Am Bühnenrand die quirlige Fr. Nannini, im Hintergrund 4 schwarz gewandetet Musiker die mit ernsthaften Gesichtern und energischen Bogenstrichen versuchen, den Druck einer Rock-Combo zu erzeugen, durchaus mit Erfolg, denn davor tanzt das ehemals gesetzte Publikum, daß schon längst die Sitze verlassen hat um sich vor die Bühne zu drücken.

Das war die eine Seite der Medaille, die andere bestand aus ruhigen melodischen Songs, mit viel Enthusiasmus, man könnte auch sagen Pathos, dargeboten. Dabei zeigte sich vor allem eines: Im Verlaufe ihrer 30jährigen Karriere hat diese Frau viele herrvorragende Songs geschrieben, die sich erst jetzt von Schnicksack und Bombast befreit in voller Schönheit entfalten. So ist es ja oft bei "unplugged"-Versionen, aber mit einem simplen und daher oft langweiligen Ersetzen der E-Gitarre durch eine akustische hat das nichts zu tun. Diese Neubearbeitungen der Songs sind tiefgreifender. Stimmlich ist die Dame in bester Verfassung. Sie singt mal präzise und clean, mal kehlig und rauh, shoutet mal rockig-röhrig um im nächsten Moment den Text zart und leise hinzuhauchen. Diese Bandbreite im stimmlichen Ausdruck hält sie auf höchstem Niveau ohne erkennbaren Verschleißerscheinungen durch bis zum Ende des Konzerts.

Wer nicht dabei war, der sollte mal in ihre aktuelle CD "Perle" hineinhören. Leider ohne "America", aber wer italienische Musik mit Schmelz und süffige Melodien abseits von Kitsch geniessen will ist mit dieser Scheibe gut bedient. Kopieren konnte ich sie, die Klangqualität ist sehr gut.

- Michael
Michael(F)
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