Wie sind FeCr Cassetten einzuschätzen?
#1
Hallo Leute,

als ich ca. 79/80 mich mit Stereoanlagen begonnen hatte zu beschäftigen, waren, soweit ich mich erinnere, FeCr schon relative "Außenseiter".

Wenn man's billig haben wollte (z.B. für's Autoradio) nahm man Fe, wenn's besser sein sollte Cr, später dann Me (wenn das Tapedeck das konnte).

Ich habe mir jetzt eine Sony FeCr Cassette ersteigert, eigentlich nur, um einfach "auch so eine zu haben".

Die Cassette hat keine Aussparungen am oberen Rand (nicht wie bei Cr oder Me), und ein Cassettendeck das sich automatisch auf das Bandmaterial einstellt, würde sie wohl wie eine Fe Cassette bespielen. Dazu paßt auch, daß auf dem Aufkleber zwei Einstellungen stehen, einmal IEC I (Fe) und einmal IEC III (FeCr).

Was sind die Vor- und Nachteile von FeCr Cassetten, verglichen mit Fe und Cr Cassetten?

Viele Grüße,
chris
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#2
Hallo Chris!

Als die FeCr-Cassetten um 1973 herum eingeführt wurden - zuerst von Sony, etwa 2-3 Jahre später zogen Agfa, BASF und 3M nach - waren sie den zeitgenössischen Fe- und Cr-Bändern überlegen, weil sie die Vorteile der beiden Materialien kombinieren und deren Nachteile ein wenig kompensieren konnten. Das Ergebnis war ein Band mit dem geringen Grundrauschen und der guten Höhendynamik von Chromdioxid, und der guten Tiefendynamik von Eisenoxid. Nachteil war der nicht lineare Frequenzgang mit einer Abschwächung des Mittenbereichs ("Präsenzsenke"), der mit der speziellen Kombination aus 70 µs Wiedergabeentzerrung und einem Vormagnetisierungswert zwischen Fe und Cr etwas entgegengewirkt werden konnte. Auf einem Deck mit FeCr-Einstellung klangen die Bänder also nur wenig verfälscht und hatten eine große Dynamik. Zumindest in der Theorie. In der Praxis taten sich die Hersteller damals noch schwer, das Verhältnis der Schichtstärken, und damit den optimalen Arbeitspunkt, konstant zu halten. Ein seinerzeit bei der BASF beteiligter Entwickler hat mir berichtet, daß die Ingenieure deshalb zwei Beschichtungsvorgänge mit zwischenzeitlichem Trocknen der ersten Schicht gefordert hatten ("Naß auf Trocken"), während die Hüter der Produktionskosten auf dem schnelleren Verfahren "Naß auf Naß" bestanden. Ob sich das später geändert hat, wußte er leider nicht, da er schon kurz nach Fertigstellung der ersten ferrochrom-Cassetten den Arbeitgeber gewechselt hat.

Wenige Jahre später (1978) wurden dann zwei Chromdioxid-Schichten von unterschiedlicher Partikelgröße miteinander kombiniert. Diese Chromdioxid Super waren den FeCr-Bändern in fast allen Belangen überlegen, nur eine etwas geringere Tiefenaussteuerbarkeit und eine schlechtere Kopierdämpfung blieben in den Anfangsjahren als kleine Nachteile. Dafür war die Kompatibilität deutlich besser. Spätestens 1982 hatten die Zweischicht-Chromdioxidbänder und auch erste Zweischicht-FeCo-Bänder die FeCr in allen Belangen überholt und damit obsolet gemacht. Typ IV war nochmal eine andere Geschichte mit völlig anderen Eigenschaften, und anfangs auch doppelt so teuer wie FeCr- oder Cr-Super-Cassetten.

Heute wird es schwierig sein, selbst mit einem Deck, das eine Typ-III-Einstellung besitzt, ordentliche Aufnahmen auf Ferrochrom zu machen. Zum einen hat das Chromdioxid über die Jahrzehnte seine magnetischen Eigenschaften verändert und jetzt eine geringere Empfindlichkeit, während die untere Fe-Schicht davon relativ unberührt ist. In Kombination führt dies dazu, daß die Entzerrung überhaupt nicht mehr stimmt. Zum anderen sind einige der FeCr-Bänder nicht langzeitstabil: Frühe BASF und einige Sony aller Altersklassen werden klebrig, die Agfa bilden Dropouts und weiße Ablagerungen, die Scotch Classic schmieren wegen ihrer Rückseitenbeschichtung. Einzig die Scotch Master III und jüngere BASF fecr III laufen noch durchgehend problemlos. Auch Denon DX 5 sind problemlos - aber das sind genaugenommen gar keine Ferrochrombänder, sondern doppelt beschichtete FeCo-Bänder für Typ III.

Viele Grüße,
Martin
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#3
Vielen Dank, Martin, für Deine ausführliche Erläuterung.

Also kann man heutzuage FeCr guten Gewissens ignorieren.

Viele Grüße,
chris
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