RdL Lautsprecher Frequenzgang
#1
Vor einiger Zeit fiel in dem Thread "Noch eine Grundig TK600 Frage (Lautsprecher)" auf, daß Grundig in dem Gerät die beiden Lautsprecher gegenphasig an die Verstärkerausgänge angeschlossen hat.

Bekanntlich hat diese Schaltungsart die Eigenschaft, daß sie einen unnatürlich "räumlichen" Klangeindruck erzeugt, der keine Mittenortung zuläßt. Nachdem das Gerät umgestellt war auf gleichphasigen Anschluß, fiel dem Eigentümer auf, daß nun Bässe deutlich schwächer zu hören waren als vorher. Das mißfiel ihm mehr als der "space-ige" Klang der gegenphasigen Schaltung.

Ich habe heute mal mangels TK600 an einer Uher Royal de Luxe den Frequenzgang direkt vor dem rechten Lautsprecher in 3 Konfigurationen gemessen : 1. allein, 2. linker Lautsprecher gleichphasig, 3. linker Lautsprecher gegenphasig.
Das Gerät stand dazu frei in einem normalen Wohnraum senkrecht auf einem Tischchen, Lautsprecher-Mitte in etwa 85 cm Höhe. Eine Elektret-Mikrofon-Kapsel (Sennheiser KE4-211) in ca. 2,5 cm Abstand vor dem siebenten Schlitz (von oben) des Lautsprechergitters (Lautsprechermitte ist beim siebentem Steg). Gemessen wurde mit Sinus-Sweep. Die Lautsprecher waren dabei von der internen Schaltung abgeklemmt und mit einer externen Endstufe verbunden. Die Uher Royal selbst war ausgeschaltet.

Erste Versuche zeigten, daß das Gehäuse der RdL nicht nur resoniert sondern auch räsoniert. Es gibt im Innern und am Gehäuse Teile, die gern mitschwingen wollen. Deshalb wurden auf dem Plastik-Bodendeckel (bzw. Rückwand in der senkrechten Stellung) und der Klarsichthaube der Vorderseite etwas dämpfende Schaumstoffe angebracht und mit Gummi-Spanngurten gegengedrückt.

Bild 1 zeigt die Frequenzgänge im Bereich 40 Hz bis 20 kHz :
Blau : nur der rechte Lautsprecher
Grün : rechter und linker Lautsprecher gleichphasig gespeist
Rot : rechter und linker Lautsprecher gegenphasig gespeist
Türkis: nur der linke Lautsprecher
   

Es ist deutlich zu sehen, daß der gegenphasige Anschluß bis etwa 200 Hz höheren Basspegel erzeugt, als der gleichphasige Anschluß. Im Bereich von etwa 220 - 440 Hz erzeugt dagegen die gleichphasige Anordnung höheren Pegel. Bei höheren Frequenzen werden diese Wellenlängen-abhängigen Effekte zunehmend von anderen überdeckt.
Bild 2 zeigt den Bereich 40 - 1000 Hz im Detail,
   

Bild 3 nochmal mit linearer Frequenzachse.
   

Die beiden Lautsprecher befinden sich in einem Abstand von ca. 38 cm, das entspricht bei 447 Hz einer halben Wellenlänge , also einer Phasendrehung von 180° (90° bei 223 Hz). Bei tiefer Frequenz und gleichphasiger Ansteuerung "behindern" sich die Lautsprecher gegenseitig (zB wollen beide gleichzeitig raus), bei gegenphasiger Ansteuerung bewegen sie sich dagegen in die gleiche Richtung.

Bild 4 zeigt die Impedanzen der Lautsprecher.
   
Rechts (rot) und links (türkis) sind etwas verschieden. Die Resonanzfrequenz liegt zwischen 94...95 Hz, Rdc um 7 Ohm, die mechanische Güte bei 3.74, die elektrische bei 2.73, Gesamtgüte um 1.58. Bei Serienschaltung (grün) rutscht die Resonanzfrequenz etwas nach unten, bei Anti-Serienschaltung (blau) etwas nach oben. Wegen der sich in dem Fall gegenseitig unterstützenden Bewegungen beider Membranen ist die Resonanz-Impedanz größer.
Der Buckel in der Impedanz etwas oberhalb 200 Hz bei Serienschaltung kommt daher, daß bei 220 Hz der Weg von rechts nach links und zurück 2 mal 90° Phasendrehung bewirkt, die linke Membran sich gegenphasig bewegt, macht zusammen 360° bzw. 0° Phasendrehung. Daraus resultiert eine Unterstützung der rechten Bewegung, die sich dort als erhöhte Impedanz niederschlägt. Im Schalldruck-Frequenzgang übernimmt dort die gleichphasige Anregung von der gegenphasigen die "Führungsrolle".

Fazit:
Was nun besser ?
Am besten nimmt man statt der eingebauten (Kontroll-)Lautsprecher zwei getrennte "richtige" HiFi-Boxen...

MfG Kai
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#2
Also liegt das merkwürdige Verhalten an der gegenseitigen Anordnung?

Die RdL macht nämlich mit diesen Lautsprechern überhaupt keinen wirklichen Bass, da klingt es untenrum ziemlich dünn, während die Grundig wesentlich "größer" klingt und gefühlt auch sowas wie Tiefbass macht.

Vielleicht sollte ich bei der RdL mal einen Lautsprecher verpolen, hab ich da auch Space Age Sound ;-)

Das Diffuse fällt halt nicht immer auf, es kommt stark aufs Mastering an, bei DX7 80er Sound mit Halldrums und so kann einen das schonmal halb in den Wahnsinn treiben, aber richtig rum gepolt ist das Fundament quasi nicht vorhanden und das macht dann auch keinen Spass.

Beim RdL habe ich eher den Eindruck, dass die Lautsprecher einfach nicht so pralle sind, zumindest "untenrum" nicht, denn auch wenn ich nur einen Kanal aufdrehe klingt das nicht so knackig und voll wie bei der Grundig.

Klar sind HiFi Boxen immer die bessere Wahl, aber es ging mir ja gerade darum aus dem Gerät möglichst viel raus zu holen ohne externe Lautsprecher.

Danke auf jeden Fall für deinen Bericht!

LG Tobi
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#3
Also ich habe jetzt mal die RdL aufgeschraubt und einen der Lautsprecher gedreht, dabei ist - bis auf den Space Age Effekt hörbar nicht viel passiert. Die Lautsprecher sind einfach nicht das Wahre, auch wenn die Grundig nicht wirklich in den Tiefbassbereich kommen, schaffen sie zumindest so zu klingen, als stünden da größere Bassreflex Boxen, keine Ahnung wie die das schaffen, aber auch die Lautsprecher an sich müssen schon irgendwie eine gewisse Qualität vorweisen.

Im Gegensatz zur Grundig ist aber bei Uher noch positiv zu vermerken, dass die Lautsprecher geschirmt sind, das ist möglicherweise auch der Grund für deren bloß mittelmäßige bis schlechte Performance im Bass. Dass da 40 Hz vorhanden sind hört man nicht wirklich.

Abgesehen davon muss ich leider das bestätigen, was Manuel auch schon mehrmals schrieb: auf 9,5 cm/sec ist die Performance trotz korrekter Einmessung eher mittelmäßig bis schlecht, der Hochtonbereich muss schon stark angehoben werden, damit das wirklich gut klingt, bei der Grundig ist der Unterschied zwischen Vor und Hinterband kaum hörbar - in beiden Geschwindigkeiten, der Höhenzuwachs ist bei 19 cm/sec nur minimal, während bei Uher zwischen beiden Geschwindigkeiten ein ein Unterschied wie Tag und Nacht ist.

Wahrscheinlich ist mein Kopfträger einfach runter oder aber Grundig hat sich bei der Entzerrung mehr Mühe gegeben.

LG Tobi
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#4
Hallo Tobi,

woran erkennst du, dass die RdL Lautsprecher geschirmt sind ?
Hast du das Magnetfeld gemessen ?
Ich sehe nur, daß die Magnete recht klein sind, was auch für die schlechte Dämpfung der Chassis verantwortlich ist.
Das ist bei Lautsprechern dieser Art allerdings meist so.
Da die Eigenresonanz der Lautsprecher bei ca. 95 Hz liegt (am nächsten Tag waren es eher 90 Hz), kann bei 40 Hz naturgemäß nur wenig rauskommen, denn unterhalb der Resonanzfrequenz ist der Schalldruck proportional zu f². Mal überschlagen ergibt das (40/95)²~0.18 entsprechend -15 dB (was sogar mit der Messung übereinstimmt).
Wenn bei 40 Hz noch ordentlich was rauskommen soll, muß die Resonanzfrequnz auch mindestens da unten liegen. Es gibt allerdings noch einen Trick, der früher zuweilen (insbesondere bei Kofferadios) angewandt wurde: man erzeugt absichtlich starke Verzerrungen, also Oberwellen im Bassbereich. Im Gehirn des Hörers wird dann der Grundton ergänzt und er meint, kräftige Bässe zu hören.

Bei dem starken Vorband/Hinterband Unterschied im Hochtonbereich bei 9.5 cm/s, den du bei deinem Gerät beklagst, könnte es sich um einen individuellen Fehler deines Gerätes handeln. Das sollte mal technisch überprüft werden.
Bei Mitschnitten von Radio-Musik, die ja idR nur bis 15 kHz geht, fällt einem bei fehlerfreiem Gerät zwischen 9.5 und 19 cm/s als Unterschied nur auf, daß bei 9.5 cm/s die Höhen unsauberer sind, weil die Aussteuerbarkeit des Bandes da niedriger ist und schon bei niedrigerem Pegel Kompression/Verzerrungen bewirkt.

MfG Kai
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#5
Interessante Ausführungen. Würde mich auch mal am Beispiel meines A77 Mk II Koffers interessieren. Der hat wie die Grundig TK 600 und eine Stereo 2-Wegesystem drinne.

VG Martin
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#6
Hmm möglicherweise sind ja in den unterschiedlichen RdL Serien unterschiedliche Lautsprecher verbaut? Bei meiner sind da so Kelche um die Magneten, wie bei alten Fernsehlautsprechern. Wenn deine nicht geschirmt sind würde das aber heißen dass das magnetische Feld das an Kopfträger und Band ankommt sich in Grenzen hielte und man auch mit anderen Lautsprechern (z.B Autolautsprecher wie beim Grundig schon überlegt, als der eine noch schnarrte) experimentieren könnte.

@Leserpost: Diese Revox Lautsprecher sind Mega grottig, die taugen echt nur zur Kontrolle, ob 1 oder 2 Wege sagt hier nix über die Qualität der Lautsprecher aus.

Ich habe da auch den Eindruck, dass Grundig hier qualitativ ein Alleinstellugsmerkmal hat, wobei ich glaube, dass die Qualität der eingebauten Lautsprecher nach der TK 2xx Serie schlechter wird.

LG Tobi
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#7
Achso zur Aufnahme: was könnte denn da kaputt sein? Ich habe eher den Kopfträger in Verdacht, weil vor Allem der Diakopf einen sichtbar ungleichmäßigen Einschliff hat und bei der Wiedergabe sämtlicher Fremdbänder ist ein Kanal dumpfer als der Andere, das ist auch so, wenn ich den Azimut anpasse.

Genau das Gleiche hätte ich auch mal bei einer A77, auf 19 cm/sec fiel das nicht weiter ins Gewicht, bei 9,5 cm hörte man aber einen deutlichen Unterschied zwischen den beiden Kanälen.
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