Sicherheit, gelegentlicher Betrieb von unrevidierten TB-Geräten ?
#1
Hallo,

in meinem Hobbyraum stehen ca. 35 St. weitestgehend elektronisch unrevidierte, aber gereinigte und mechanisch instandgesetzte TB-Geräte (ab Bauj 52). Alle Geräte, "betriebsbereit" mit aufgelegten Bändern, werden von Zeit zu Zeit eingeschaltet. Die jeweilige Spieldauer reicht von wenigen Minuten bis zu einer Stunde. Alle Geräte werden im unbeaufsichtigten Zustand vom Netz genommen.

Vor Gefahren, welche von schadhaften Kondensatoren ausgehen können, wird gewarnt. Der Tausch einschlägiger Kondensatoren wird empfohlen. Sind diese sicherheitsrelevante Bedenken und daraus resultierende Empfehlungen auch bei dem zuvor beschriebenem Hobbybetrieb zutreffend?

Gruß, Martin
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#2
Franz,'index.php?page=Thread&postID=196298#post196298 schrieb:... Vor Gefahren, welche von schadhaften Kondensatoren ausgehen können, wird gewarnt. Der Tausch einschlägiger Kondensatoren wird empfohlen. Sind diese sicherheitsrelevante Bedenken und daraus resultierende Empfehlungen auch bei dem zuvor beschriebenem Hobbybetrieb zutreffend? ...


'Hallo Martin,

eine Frage, die viele von uns betrifft und die wahrscheinlich nicht endgültig und auch nichts wahrheitsgemäß beantwortet werden kann.

Der eine oder andere wird Dir schreiben, er habe mit bestimmten "alten" Geräten überhaupt keine Probleme und die Tatsache, dass Du ja auch keine Schwierigkeiten hast, könnest Du als Indiz nehmen, dass es so, wie Du es machst, auch weiter funktionieren wird. Ein anderer Einer oder Anderer wird Dir davon berichten können, dass sich bei Ihm ein Kondensator im Betrieb verabschiedet hat. Dann wird jemand beipflichten und erzählen, bei ihm habe es sogar gebrannt, sei zumindest größerer Schaden beim resultierenden Kurzschluss entstanden.
Deine Maschinen laufen (zur Zeit) trotzdem und stören sich (bislang) nicht an solchen Erzählungen.

Hättest Du jetzt geschrieben, Du wollest solche Bandgeräte im "harten Alltagseinsatz" benutzen, dann würde ich Dir wohl empfehlen, genau das Gerät, das es betrifft, lieber zu revidieren. Vielleicht würden wir darüber diskutieren, ob das betreffende Gerät denn überhaupt VDE-konform und ob daher ein Betrieb am öffentlichen Stromnetz zulässig ist, zumindest ob Du es bei anderen Menschen benutzen oder durch andere Menschen betreiben lassen dürftest.
Aber so?

Wenn es Dir darum geht, solch alter Technik letztlich nur einen genügsamen Ruhestand zu spendieren, werden Deine Ansprüche sicher nicht hoch sein. Was hast Du also zu verlieren, wenn plötzlich etwas passiert? Schließlich schreibst Du, Du bist immer dabei, wenn die Spulen-Rotierer Strom bekommen.

Letztlich stellst Du eine Versicherungs-Vertreter-Frage. Hast Du eine Glasbruch-Versicherung, weil ja etwas passieren könnte?

Wichtig wäre, dass Du einen Überspannungsschutz installierst und sicher stellst, dass die Geräte nicht mit zu viel Spannung belastet werden. Wichtig wäre, dass Du sie über eine schaltbare Steckdose versorgst, damit Du - falls etwas passiert - außerhalb des Netzschalters am Gerät den Strom (für alle Geräte) unterbrechen kannst. Erleichtert auch das Löschen.
Persönlich würde ich mich zu versichern versuchen, ob es im Innern der Geräte noch gut aussieht: Sind Papier-Kondensatoren verbaut? Gibt es Kondensatoren, die bereits aufgebläht sind? Sind bekannte Problemfälle vorhanden. Gibt es irgendwo Überhitzungs-Spuren? Ich glaube jedem Gerät tut es gut, es innen von Schmutz zu befreien, vor allem auch um Kriechströme und Kurzschlüsse zu vermeiden, aber auch um die ordnungsgemäße Belüftung nicht zu behindern.

Bei allem, was darüber hinaus geht, wirst Du auch entscheiden müssen, wie weit es Dir bei diesen Schätzchen auf die Originalität ankommt. Passt es Dir, den alten Siemens- oder Mullard-Kondensator gegen einen "modernen" Chinesen auszutauschen? Oder ist Dir das egal?

Wie gesagt: Ich glaube nicht, dass es einen "richtigen" Weg gibt. Jedenfalls nicht, solange Du keine besonderen Anforderungen an die Geräte stellst.
Meine Meinung. Und ich habe keine Ahnung.

Viel Spaß also mit Deinen Maschinen, egal ob mit oder ohne Revision.

Tschüß, Matthias
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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#3
Hallo Martin,
ich befasse mich hobbymässig überwiegend mit der Wiederherstellung von Röhrenradios und da sind defekte "Papierkondensatoren" ein großes Thema.
1. zur Sicherheit: bei Röhrenradios können durchschlagende Kondensatoren insbesondere am Netzeingang und in der Stromversorgung für ein "rauchendes Gerät" sorgen. Wenn man Glück hat, geht noch rechtzeitig die (hoffentlich richtig dimensionierte) Sicherung im Gerät durch. Die Sicherung sollte auch vor Folgeschäden im Gerät schützen. Deshalb sind zumindest bei Röhrenradios an sicherheitsrelevanten Stellen alte Papierkondensatoren (z.B. die bekannten Wima-Bonbons) zu ersetzen.
Bei Röhrentonbandgeräten (habe gerade ein paar Telefunken-Schaltpläne durchgesehen) scheinen Entstörkondensatoren am Netzeingang eher nicht aufzutauchen. Ein Blick ins Schaltbild verschafft hier aber Sicherheit.
2. zur Funktion: ältere Papierkondensatoren (ich meine die bis etwa 1965 verbauten Typen) neigen dazu, ihren Innenwiderstand zu verringern und ihre Kapazitätswerte zu vergrössern. Das wirkt sich u.U. hörbar auf die Funktion aus ( Verschiebung der Arbeitspunkte bei Röhrenstufen, falsche Entzerrung usw.) Ob das bei deinen Geräten eine Rolle spielt, musst du selbst entscheiden.
Das ist die Einschätzung eines Hobbyisten. Tongue

Grüße
Frank
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#4
ich habe schon so viele hochgegangene Netzteile von modernen Geräten gesehen, z.B. von PC-s oder SAT-Receivern, und da hat niemand Probleme, sie quasi dauerhaft am Netz hängen zu lassen. Natürlich gibt es immer ein Risiko, dass Bauteile wegen Alterung hochgehen, aber selbst dann ist es immer noch unwahrscheinlich, dass ein gefährlicher Zustand eintritt. In Tonbandgeräten gibt es auch wenige unersetzliche Teile, die durch einen Bauteildefekt unrettbar verloren gehen können.

Bei alten Bauteilen in Röhrengeräten habe ich noch die Erfahrung gemacht, dass es extrem davon abhängt, wie die Geräte gelagert wurden. Das beste Beispiel hierzu war vor einigen Jahren eine kleine Graetz Musiktruhe von 1954, die direkt aus dem Wohnzimmer der verstorbenen Erstbesitzerin kam, noch nie eine Werkstatt gesehen hat, und einwandfrei spielte. Dann musste ich die Räume in meinem alten Elternhaus räumen, und die Sachen über den Winter im Keller aufbewahren, danach war die Truhe buchstäblich platt. Temperaturschwankungen mit den zugehörigen Kondensationseffekten leisten besonders bei den alten Kondensatoren in kurzer Zeit ganze Arbeit. Deshalb plädiere ich immer dafür, lieber weniger Geräte zu horten, und diese dafür in einem vernünftigen Zimmer aufzubewahren.

Die einzige Geräteart, von der meiner Meinung nach eine echte Gefahr ausgeht, sind alte Fernseher. Ich denke besonders die frühen Farbfernseher waren es auch, die die Elektronik-Phobie in den sechzigern ausgelöst haben.

Was bei den alten Tonbandgeräten viel eher sein kann, ist, dass Du niemals erfahren wirst, wie die Dinger klingen können, weil Du sie nur mit altersschwachen Bauteilen kennst. Wir haben kürzlich ein altes Autoradio Becker Mexico TR überholt, so eins mit separater Endstufe und zwei AD150 als Endtransistoren. Das hat vor der Reparatur geklungen, wie man ein altes Autoradio kennt - Funktion einwandfrei, aber etwas flach und matschig im Klang. Nach dem Tausch von etwa zehn Kondensatoren im Endverstärker haben wir es unfreiwillig geschafft, die Bassmembran einer angeschlossenen Dual CL173 vor die Bespannung hauen zu lassen, und im Auto, einer alten S-Klasse von 1969, haben wir dann erleben können, dass die Leute vor 50 Jahren auch schon wussten, was gut klingt. Diesen Aspekt würde ich bei den alten Tonbandgeräten eher im Auge behalten als die Sicherheit.

Gruß Frank
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#5
Hallo Martin,

ich schließe mich den Vorrednern voll an und kann ein kleines Beispiel dazu bringen: ich hatte gerade mit einem (normalem, also ca. 3 Jahre altem) Staubsauger die Wohnung gereinigt und mich dann anderen Dingen beschäftigt. Nach 1 Stunde begann es fürchterlich zu stinken und der Staubsauger qualmte mächtig. Klar war der Stecker noch in der Steckdose aber ich hatte ja das Gerät ausgeschaltet. Fazit, der Entstörkondensator war VOR dem Ein-/Ausschalter, hing also ständig am Netz.

Was ich damit sagen will, man sollte seine Geräte kennen, sprich mal wenigstens rein (Schaltplan) geschaut haben ob zB der Netzschalter wirklich das komplette Gerät vom Netzt trennt.

Schaltbare Netzleiste ist auch gut und habe ich vor meinen Radios, TB's ect.

Aber jetzt bitte keine Diskussion über die Übergangswiderstände und der damit verbundenen Klangbeeinflussung X(



Gruß luedre
Fostex R8; REVOX B77; Uher 4200 Report IC, Uher 4000 L, Tesla B115; Tesla B90; Technics RS AZ7; Mirano Echo Chamber T-4;
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#6
Hallo

ich denke, über Kondensatoren ist hier bereits das Wichtigste gesagt worden. Was noch nicht erwähnt wurde und was besonders bei Röhrengeräten wichtig ist, sind Elkos.

Auf Grund ihres Funktionsprinzips gebührt diesen besonders bei alten Geräten nämlich erhöhte Aufmerksamkeit.

Ein Elko besteht im allgemeinen aus einer aufgerollten Papierbahn mit darauf aufgedampfter Alu- Schicht. Diese bildet gewissermaßen die 1."Kondensatorplatte". Die 2. "Platte" wird aus einer elektrisch leitfähigen Flüssigkeit (oder Paste) gebildet, dem Elektrolyt. Das Dielektrikum zwischen beiden Platten ist nun die Oxydschicht an der Oberfläche des Aluminium- Layers. Diese wird bei der Herstellung des Elkos durch den sogenannten Formierungsprozess gebildet und hat dann eine gewisse Zeit Bestand. Der typische Leckstrom eines Elkos sorgt beim Betrieb für die Erhaltung, ja sogar für eine gewisse Zunahme dieser Schicht.

Wird das Gerät nun lange Zeit nicht am Netz betrieben, dann baut sich diese Oxydschicht sehr stark ab. Dadurch erhöht sich beim Einschalten der Leckstrom, die Spannungsfestigkeit ist nicht mehr gegeben und der Elko schlägt im ungünstigsten Fall durch. Ein normaler Elko, welcher durchgeschlagen ist, kann nicht mehr verwendet werden.

Diesem ganzen Ärger kann man von vornherein begegnen, indem man Elkos von Geräten, welche lange stromlos gestanden haben, vor dem Einschalten formiert. Das kann separat geschehen und ist für sehr alte Radios mit historischen Elkos immer zu empfehlen. Dazu müssen die Elkos allerdings von der Schaltung abgeklemmt werden, das führt für diesen Fall hier zu weit.

Viel einfacher geht es, indem man das komplette Gerät nicht einfach einschaltet, sondern es langsam- über einen Regel- Trenntrafo "hochfährt". So liegt nicht gleich die volle Betriebsspannung an und die Elkos können langsamer laden, bekommen nicht gleich einen vollen Schock. Bei den meisten Elkos reicht das, um den ersten Start zu überstehen, mit dem weiteren Betrieb baut sich auch die Oxydschicht wieder auf. Man sollte auch mal die Hand drauflegen und überprüfen, ob die Elkos kalt bleiben oder warm bzw. sogar heiß werden. Solche Bauteile heißt es dann im Auge behalten, oder extra formieren, bzw. tauschen.

Wer keinen Trenntrafo hat kann trotzdem sicher gehen, daß ihm sein Gerät beim ersten Einschalten nicht um die Ohren fliegt: Einfach eine 100W- Glühlampe (ja genau, die alten Glühlampen !) in Reihe zwischen Steckdose und Gerät schalten. Dann das Gerät einschalten. Die Lampe wird kurz aufleuchten und dann dunkel werden, bzw. fast verlöschen. Wenn das Ergebis so aussieht, ist alles ok. Wenn die Lampe aber hell bleibt, dann kann man sich gleich daran machen, einen fehlerhaften Kondensator / Elko im Gerät zu suchen. Durch die Vorschaltlampe wird aber der Stromfluss begrenzt, daher kann einem das Gerät nicht abrauchen. Wahlweise kann man Trenntrafo und Lampe auch kombinieren.

Bei mir wurden schon viele alte Röhrengeräte auf diese Art gerettet. Im Kreise der Sammler / Restauratoren von Röhrenradios ist das so üblich. Aus gutem Grund...

Grüße, Rainer
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#7
Die erwähnten dicken Sieb-Elkos in Röhrenradios sind eine Sache. Die andere sind die ebenfalls erwähnten Papierkondensatoren, die schlicht und einfach die Endröhre killen können, weil sie Gleichspannung durchlassen, was sie nicht dürften. Ich tausche Papierkondensatoren aus Prinzip vor der ersten Inbetriebnahme und messe sie dann spaßeshalber mit - je nach Nennspannung - 125, 250 oder 500 V durch. Bislang hatte ich noch keinen, dessen Gleichstromwiderstand über 10 MΩ lag und das ist inakzeptabel.
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#8
Ragnar_AT,'index.php?page=Thread&postID=196340#post196340 schrieb:Die andere sind die ebenfalls erwähnten Papierkondensatoren, die schlicht und einfach die Endröhre killen können, weil sie Gleichspannung durchlassen, was sie nicht dürften.
Absolut korrekt. Koppelkondensatoren vor der Endstufe tausche ich ebenfalls gleich. Allerdings wird dann der neue Kondensator aus optischen Gründen immer in der alten- und vorher ausgeräumten Kondensatorhülle untergebracht. Nichts sieht schlimmer aus als ein neuer, gelber Kondensator unter ganz vielen schwarzen oder braunen Kondensatoren... :thumbdown: :thumbdown:

Auch meine Messungen der Leckströme an den alten Kondensatoren ergaben immer einen viel zu geringen Gleichstromwiderstand, das Problem kenne ich bestens...

Es gab für diese Art Messung übrigens mal ein wunderschönes Messinstrument vom VEB Funkwerk Erfurt, das Megaohmmeter 005, bzw. 005/48 oder 005a. Baujahre so um 1948, 1950 oder auch 1961, je nach Geräteausführung. Das Ding misst in 4 Bereichen mit 150V Gleichspannung und zwar bis 5000 Megaohm !! Der Widerstand kann dann direkt abgelesen werden. Ab und zu schwimmt so ein Gerät in der Bucht herum, ist aber eher selten. Trotzdem- wer Röhrengeräte repariert und sich fragt, welcher Kondensator denn nun unbedingt getauscht werden sollte, der lernt das Ding echt schätzen.
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#9
Ich verwende die schwarzen oder weißen axialen Folienkondensatoren von Antikradio Restored, die stören optisch viel weniger. Deine Methode geht bei Kondensatoren der 50er und frühen 60er kaum, das ist eher eine Geschichte für Vorkriegsradios. Einen Ero100, Wima Tropydur oder Kondur kriegt man nicht so zerlegt, dass man einen (nur geringfügig kleineren) neuen Kondensator einbauen könnte. Auch wenn man bei den ERO100 und Kondur eventuell vorsichtig das äußere Papier ablösen und auf den neuen Kondensator transferieren könnte, aber meistens passen Durchmesser und Länge nicht.
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#10
Hallo zusammen,
herzlichen Dank an Alle die so freundlich und ausführlich geantwortet haben. Das ist nicht selbstverständlich, es berührt mich!

Liebe Grüße, Martin
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#11
Ich kann mich dem geschriebenen voll anschließen und kommentiere noch hinzu, dass wir heute 235V in der Steckdose haben.

Bei jedem Einschaltungs-Stromstoss kann ein schwacher Elko abrauchen, der feuchtigkeitsgezogene Netztrafo qualmt ab und Röhrenstufen sind exakt für die damaligen 220V berechnet. ;(

R.
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#12
ich glaube, das mit den 230 Volt wird stark überbewertet - Geräte, die davon kaputtgehen, hatten vorher schon einen Schaden - nur mal fürs Protokoll, die Gleichrichter in alten Röhrengeräten waren üblicherweise 250 Volt-Typen, und die Sieb-Elkos hielten 385 Volt Gleichspannung aus. Das mit den exakt für 220 Volt berechneten Röhrenschaltungen ist auch nicht richtig - die Hersteller haben damals mit 10% Widerständen und Kondensatoren mit bis über 20% Abweichung vom Nennwert arbeiten müssen. Das exakte Ausrechnen von Schaltungen ist ein Phänomen, das es erst seit der High End Ära gibt, hier sorgt es angeblich dafür, dass die Geräte erst eingespielt werden müssen, bevor sie "klingen", und danach nur wenige Betriebsstunden haben, bevor man sie wegen Bauteilealterung nicht mal mehr als Gebrauchtgerät verkaufen kann. Ich hatte bisher noch keine Probleme mit 230 Volt, und ignoriere das Problem so lange, bis mir wirklich mal ein Gerät wegen Überspannung kaputtgeht.

Das Hauptproblem bei alten Geräten ist tatsächlich die Lagerung - in Wohnräumen sind Temperatur und Luftfeuchtigkeit ganzjährig fast gleich und schwanken langsam. Im Keller oder noch schlimmer auf dem Dachboden schwanken die Temperaturen stärker, die Materialien dehnen sich ständig aus und ziehen sich wieder zusammen. Hinzu kommt, dass warme Luft viel Feuchtigkeit aufnehmen kann, bei schneller Abkühlung diese Feuchtigkeit aber kondensiert. Die Dehnungsarbeit erzeugt Risse, durch die die kondensierte Feuchtigkeit in die Bauteile eindringen kann, das Ergebnis ist dann, dass beim Einschalten die stark belasteten Bauteile auseinanderfliegen, und die anderen Bauteile leise kaputtgehen und zu Fehlfunktionen führen. Kellergeräte sind grundsätzlich viel stärker geschädigt als Wohnzimmergeräte. Wenn die Tonbandgeräte aber, wie hier im Thread beschrieben, im Wohnraum stehen, und schon länger gezeigt haben, dass sie funktionieren, geht das Risiko gegen null, dass hier noch was passiert.

Gruß Frank
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#13
Ich habe nur bei den meist noch original verbauten Netzkabeln Bedenken. Zumal diese in ihrem langen Leben ja einiges, für uns meist Unbekanntes, mitmachen mussten (mechanische Belastung, Knicke u.ä). Austauschen wäre hier die erste Wahl, aber es soll ja auch original sein.....
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#14
bei Netzkabeln siehst Du es eigentlich - meist sind es ja Zwillingsleitungen, und wenn die noch flexibel sind, und der Kunststoff keine Risse hat, kannst Du sie auch benutzen. Lediglich die Stoffkabel können im Verborgenen gammeln, aber das sind dann auch extrem alte Geräte ( Vorkrieg ).

Angegossene Stecker kann man natürlich nicht originalgetreu ersetzen, es gibt aber Kabel in allen Farben/Ausführungen und Stecker, die zumindest zeittypisch aussehen, bekommt man auch.

Gruß Frank
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#15
Die Anschlussleitungen würde ich auch gründlich optisch und haptisch überprüfen (in der Hand biegen und spüren wie flexibel sie noch sind, auf feine Risse abtasten). Stoff und Gummi aus der Vorkriegszeit dürfte es mittlerweile selbst bei bester Lagerung ziemlich hinter sich haben, da spürt man beim Biegen wie er bricht. Oder man schraubt den Stecker auf, Stoff mit vergossenem Stecker gab es eigentlich nicht (erst in den 70ern bei Bügeleisen) und kontrolliert dort den Zustand. Zwillingsleitungen im bei Radios üblichen sehr dunklen Rotbraun sind leider nicht mehr aufzutreiben, aber wenn die nicht gerade jemand abgeschnitten oder in Türen eingeklemmt hat, sind die meistens noch völlig in Ordnung.
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#16
Danke Frank für Deine Einschätzung als Nachrichtentechniker!

Klar, Grundbauteile haben 10% Steuung und dort wo Elektrolyt austrocknet, kann auch Feuchtigkeit rein. Wie Du schon beschrieben hast; alles eine Sache der Lagerung.

Ich habe aber die Erfahrung im Studiobereich mit V72, V76 ect. gemacht, dass bereits ab 230V Netzspannung das Grundbrummen sich hörbar fast verdoppelt und ab 235V die Röhrengitter der EF804S anfangen zu knistern und nach einer halben Minute dunkelrot glühen.

Das bei revidiertem Netzteil und verschiedenen getesteten Röhren!

Auch hatte ich einige Gitarrenverstärker von Marshall, Vox ect. auf dem Tisch, bei denen die Gitter der Endpentoden EL34 oder KT66 / KT88 überschlugen und bei wenigen sogar den Ausgangsübertrager mit sich rissen! ;(

Gut, die Amps werden schlecht behandelt und schwitzen sich im PKW zwischen div. Unrat aus. Aber nach der Umstellung auf 240V hielten die Teile durch... thumbup

Rudolf
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#17
Hallo Rudolf,

glühen wirklich die Gitter oder auch das Anodenblech ?

Das wäre dann nämlich der typische Fall eines Koppelkondenstors mit Leckstrom, sprich zu geringem Gleichstromwiderstand. Wie von Ragnar_AT bereits erwähnt wurde, ist hier ein Wert von 10M Ohm bereits viel zu wenig. Diese Kondensatoren also bitte dringend überprüfen, auch im Interesse der Endstufenröhren...

Aber Frank hat Recht, das sollte mit der Netzspannung nichts zu tun haben und darf in keinem Fall auftreten.

Elektrolyt trocknet nur bei Elkos aus. Die haben dann keine Kapa mehr, Feuchtigkeit ist hier aber nicht das Problem. Feuchtigkeit ist das Problem eines Papierkondensators, bei dem die Isolierung der Hülle nicht mehr dicht ist. Dummerweise ist das Dielektrikum (Papier mit einer Art Wachsbeschichtung) hydrophil und nicht hydrophob. Damit zieht es die Feuchtigkeit der Luft an, der Gleichstromwiderstand sinkt. Dadurch ändert sich lustigerweise die Kapazität in die entgegengesetzte Richtung, diese ist meist messbar höher bei solchen Bauteilen !!

Trotzdem würde ich nicht alle alten Kondensatoren ungesehen wegwerfen. Es gibt einen Kondensatortyp, welcher fast nie defekt ist. Das sind die Siemens Sikatrop- Kondenstoren. Diese bestehen aus einer weißen Keramikhülle mit verlöteten Zinn- Endkappen. Diese sind in 99% aller Fälle absolut dicht. Daher auch keine Änderung der Kapa und kein verringerter Widerstand. Wer sowas noch hat, kann die gern messen. Es gab sie auch vom DDR- Hersteller Frolyt, dort sehen sie identisch aus. Sie wurden aber meist für die Ausstattung von Messgeräten und Militärischen Empfängern benutzt. Eben dort, wo Betriebssicherheit eine Rolle spielte und Kosten eher zweitrangig waren. Ich benutze die heute bei Reparaturen nach wie vor. Hatte noch nicht einen Ausfall.

Grüße, Rainer
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#18
...zur Ergänzung und falls jemand fragt, welcher Isolationswiderstand bei alten Kondensatoren als gut anzusehen ist: Die DIN 41140 vom Feb. 1958 gibt für Wickelkondensatoren der Klasse 3 an:

"Der Isolationswiderstand im Anlieferungszustand darf nach 4- tägiger Lagerung bei rel. Luftfeuchtigkeit von 80% nicht unter den angegeben Wert gefallen sein. Die Isolationswerte beziehen sich auf 20°C, sie sind durch Strommessung mit 100V Gleichspannung nach 1 Minute zu ermitteln. Für die besprochenen Bauteile soll ein Wert von 1,0 Gigaohm (!!) bei einer Kapazität < 1µF nicht unterschritten werden".

Ok, das galt damals für neue Kondensatoren. Mit Ausnahme der erwähnten Sikatrop- Kondensatoren schafft das heute kein alter Papierkondensator mehr. In einer Kondensator- Besprechung des Forums "Radiomuseum.org" war die Rede davon, daß ein Koppelkondensator- soll er weiterhin als solcher verwendet werden- einen Isolationswiderstand von größer 300MOhm haben muß. Alle Werte darunter sind tödlich für die Endröhre. Dies zur Orientierung...

Grüße, Rainer
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#19
Rainer, danke für diese Normfundstelle!
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#20
Bei uns wurde mal ein Musiker schwer verletzt, als dieser nach dem Bühnenaufbau seinen Gitarrenverstärker von "standby" hochschaltete und die Klampfe aufgrund eines Isolationsfehlers der Gitterspannung den armen Typ völlig "galvanisierte", so der Staatsanwalt.
Der Musiker hat's leider nicht geschafft und spielt nun Harfe. Seit dem Tag darf nur noch ein Elektromeister die Anlage in Betrieb nehmen.

Aber das mit den Longlivekondensatoren von Siemens kenne ich, werden aber meines Wissens nach nicht mehr beworben und angeboten.

Nur die Bahn hat diese noch in Stellwerken incl. Signaltechnik noch drin.

Aber ich danke für Eure Einschätzung!

Rudolf
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