Wirklich uralte Aufnahmen?
#1
Wer kann da auf die Schnelle Auskunft geben, ehe ich lange über die Suche nach relevanten daten suche?

Heute ist in einem einschlägigen Blatt hier in Berlin eine Anzeige von mir erschienen, in der ich nach Tonbandgeräten, Tonbändern sowie Zubehör suche. Bisher hatte ich einen (!) Anruf. Mir wurden 2 Stck. ZK120 angeboten, habe ich dankend abgelehnt. Dann aber das interessante: eine Sammlung von ca. 100 Bändern, die ältesten Aufnahmen aus den 30er Jahren(?)! Soll sogar katalogisiert sein.
Bevor ich den Mann anrufe und einen Termin zur Besichtigung ausmache die Frage:
Ab wann könnten Bänder für den allgemeinen Gebrauch in Umlauf gebracht worden sein? Könnte seine Aussage treffend sein? Wie wäre der Sammlerwert einzuschätzen? Da kann sicher der eine oder andere mir weiterhelfen?
Gruß
Rainer


NIVEAU ist keine Hautcreme,
STIL nicht das Ende vom Besen
und HUMOR etwas gutartiges...
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#2
Berlin ist immer etwas 'gefährlich', denn dort saß ja die AEG mit den Magnetbandnutzern der ersten Stunde, auch wenn das Band aus Ludwigshafen kam.

Rein theoretisch ist die Aufnahme in halbwegs üblicher Form ab dem Jahresende 1935 (Vorstellung des Magnetophones auf der Berliner Rundfunkausstellung mit aufregendem Ablauf, der Drei-Motoren-Antrieb kam erst in diesem Jahr!) in ausgesuchten, also Hand verlesenen Kundenkreisen möglich, sofern man Bänder mit Gleichstromvormagnetisierung und 6,5 mm Breite als 'halbwegs üblich' anzuerkennen willens ist.

Ab etwa 1936 findet sich auch ein entsprechendes Magnetbandgerät im Reichsautozug, der das geifernde Gebell jenes Herrn sehr real und mit neuester Technologie an die Massen trug. 1937 war eine K3 in den USA, 1938 kam die K4 und mit ihr zum ersten Male so etwas wie eine Serienfertigung; die K4 wurde nämlich bis zum Ende des Krieges gebaut. Noch immer aber war das Bandgerät so teuer, dass nur große Industriebetriebe, Organisationen, der Reichsrundfunk, die Reichspost und natürlich die Herrschaften vom Militär sich solcherart Spielzeuge leisten konnten.

Grundsätzlich gilt aber: 6,5 mm, 77 cm/s, Gleichstromvormagnetisierung (bis 1940/41), Band wohl grundsätzlich in 30-cm-Kartons und auf 7-cm-Kernen. Aufschriften ab 1936 siehe unten.
Ich halte es allerdings für wenig wahrscheinlich, dass das Angebot solche alten Bänder beinhaltet.

Also und dennoch: Anschauen kostet nichts; wenn 30-cm-Bandschachteln (Band auf 7-cm-Kern, also kleiner als heute geläufig) mit kreisrundem Aufklebeetikett und der der Aufschrift "AEG Magnetophon" oder querrechteckigem Aufkleber "Magnetophonband [mit schlüsselförmigem IG-Farben-Signet darunter]" dabei sein sollten, hättest du tatsächlich Carbonyleisenbänder Typ C oder einen ihrer Nachfolger vor dir, angesichts derer du zuerst einmal durchatmen solltest, denn da müsste hoffentlich interessante und dekodierbare Modulation drauf sein...
Das Band sollte in diesem -unwahrscheinlichen- Falle so alten Bandmaterials auf die Breite von 6,5 mm hin kontrolliert, dabei aber extrem vorsichtig behandelt werden, weil die Alterung des Trägers diesen oftmals brechen lässt.

Frage auch den Vorbesitzer, woher die Sammlung stammt, poste gegebenenfalls (und notfalls privat), was du eruiert hast. Man tut sich dann etwas leichter.

Vielleicht äußert sich zu dieser Sache auch Friedrich noch, der ja nun ausgewiesener Fachmann für altes Bandmaterial ist.

Hans-Joachim
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#3
Der Mann wird die Bänder auf keiner ZK120 betrieben haben. Wenn ich so manche Auktion Revue passieren lasse, dann haben sich schon viele erheblich verschätzt, wenn es um Jahreszahlen geht. Ich wäre da ausgesprochen vorsichtig Wink
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#4
Reizvoll wären Bänder aus den 30ern immerhin schon. Dafür fahre ich sofort nach Berlin. Was auch gemeint sein kann, sind Aufnahmen von Schellacks aus "den 30er Jahren ..."
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#5
Danke für die Antworten, Ihr habt da etwas Licht ins Dunkle gebracht.
Werde nochmal anrufen und mich vergewissern. Ich bin ehrlich gesagt auch skeptisch, aber hier im Forum war ich mir sicher, entsprechende Ratschläge zu bekommen.
Ich halte Euch auf dem Laufenden.
Gruß
Rainer


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#6
Und da bin ich wieder, nach dem Telefongespräch.

Ansehen werde ich mir die Sammlung morgen Vormittag. Der gute Mann hat sie im Keller gelagert, zum Glück nicht auf dem Dachboden. Er ist aber offensichtlich kein Kenner der Materie und konnte nur vage Angaben machen. Die entsprechenden Karteiblätter mit dem Inhalt der Bänder hat er aber in der Wohnung. Die kann er aber schlecht lesen, sind wöhl in Sütterlin geschrieben.

Die Sammlung geht nach seiner Aussage von 1933 bis 1993. Die letzten Bänder, in unterschiedlichen Grössen, hat er sich tatsächlich auf dem ZK120 angehört. Für die alten Bänder hat er noch ein Gerät im Keller, auf das bin ich gespannt. Seine Frau hat von einem "schwarzen Panther" gesprochen, was auch immer das bedeuten mag.

Der Hinweis mit dem alten Schellackplatten erscheint mir aber sehr wahrscheinlich, wenn ich mir die Ausführungen von Hans-Joachim verinnerliche.

Eine Preisvorstellung hat er auch genannt: EUR 350,-. Was sagt Ihr dazu?
Gruß
Rainer


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#7
Alte Bänder, d.h. Bänder aus den 30ern, sind charakteristisch. Es gab seinerzeit 30 cm Spulen auf 70 mm Kernen. Die in dem knallroten Pappkarton. Bandmaterial "C" oder "CH". Wie oben exakt beschrieben. Bandmaterial auf Kunststoffspulen gab es nicht. Ein Foto sagt mehr, als lange Beschreibungen. Vielleicht kannst du eine Kamera mitnehmen?

Zum Preis ein klares "jein" ... Wink Erst das Foto, dann eine Aussage. Jedenfalls von mir.

Gruß
Michael
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#8
Der Hinweis mit der Kamera ist gut, nehme ich dann mit. Und im Zeitalter der Digitalfotografie geht´s dann auch schnell mit der Veröffentlichung.

Jetzt habe ich aber etwas Bauchschmerzen mit dem Begriff "digital", wo doch hier die Verfechter des analogen (Tons) zuhause sind...
Gruß
Rainer


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#9
´
Keine Angst, echte Digitalhasser habe keine Rechner......


Frank ( darklab )
Frank


Wer aus dem Rahmen fällt, muß vorher nicht unbedingt im Bilde gewesen sein.
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#10
Ich find das ganze Thema spannend, auch wenn hinter her nix dabei rauskommen sollte ! Alleine so ein leises Kribbeln zu spüren macht schon Spass !

Bin gespannt, Thomas.
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#11
Ich will erst mal gar keine Vermutungen äussern (die Welt ist schließlich recht groß ...) und das Ergebnis der Sichtung abwarten. 1933 dürfte auf jeden Fall ein Verschreiber / Versprecher / Verhörer sein, es sei denn der unwahrscheinliche Fall, der Mann habe Versuchsbänder der AEG (... das könnten noch Pfleumersche Papierbänder sein ... aber ich wollte ja keine Vermutungen ...).
Ludwigshafener Bänder aus der Periode 1934 ... 1936 sind hellgrau (bitte äußerste Vorsicht: Carbonyleisenbänder sind brüchig), 1936 ... 1939 rußschwarz (fast buchstäblich!), ab 1939 rotbraun in diversen Schattierungen.

Nachdem ausser der RRG reichlich Militär- und Parteidienststellen Magnetband benutzt haben, könnte da aus diversen Ecken noch einiges Interessante auftauchen.

Ich bin gespannt, hoffe, dass es keine Schaumblase ist!

Friedrich
ZEITSCHICHTEN, barrierefreier Zugriff im "GFGF-Buchladen", URL https://www.gfgf.org/de/b%C3%BCcher-und-schriften.html (ca. 240 MB)
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#12
Einige Zeit habe ich nun doch gewartet, um das Ergebnis der Besichtigung bekannt zu geben, musste selber erst mal verdauen:

es war eine, wenn auch für einige Stunden sehr schöne, Seifenblase!

Da war es auch, das von Thomas genannte Kribbeln. Und dann die Ernüchterung: die Sammlung besteht aus 3 Kartons ORWO-Bändern, alles katalogisiert. Musik aller Stilrichtungen, da hat jemand wohl seine private Diskothek mit betrieben.

Und die in Aussicht gestellten Schätze aus den 30er und 40er Jahren entpuppten sich als mehrere AMPEX 671, bespielt mit den alten Liedern.

Auf die Sichtung des "Panthers" habe ich verzichtet, zur Verfügung stand lediglich ein schlecht funktionierendes, uraltes UHER-Gerät zur Verfügung. Da war aber keine Geschwindigkeit mehr wählbar, auf ausgiebige Versuche habe ich verzichtet.

Fazit: der Mann hatte so gut wie keinen Schimmer der Materie (kann man ihm aber nicht vorwerfen). Ob da AEG oder AMPEX draufstand, war für ihn völlig nebensächlich, der war der festen Überzeugung, dass es sich um Aufnahmen aus der genannten Steinzeit des Tonbands handelt. Seine "Berater" hatten ihm zu der Preisvorstellung geraten.

Schade, aber ich bleibe weiter dran, vielleicht finde ich doch noch ein Papierband.....

Gruß an alle, die mitgefiebert haben

Rainer
Gruß
Rainer


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