M21: ungewöhnlicher Defekt mit unkonventioneller Beseitigung
#1
Hallo zusammen,

Heute möchte ich – sofern es niemand langweilt – von einem Defekt an meiner M21 berichten, den ich nicht mehr ins neue Jahr schleppen wollte.

Vor einer Woche wurden Aufzeichnungen bei 38 auf dem rechten Kanal plötzlich viel zu laut, gräßlich verzerrt, auch nicht mehr mit dem „Aufnahmepegel“-Trimmer beeinflussbar, obendrein "pumpte" nach kurzer Zeit der Aufnahmeverstärker im ca. Sekundenrhythmus. Mit sehr geringem (-70dB) oder ohne Eingangssignal hörte man hochgezogenes Verstärkerrauschen und leichten Brumm.

Diese Symptome nährten meinen Verdacht, dass irgendwo eine Gegenkopplung inaktiv sein müsse, vermutlich in dem Teil der Schaltung, der mit den Aufnahme-Pegeltrimmern zu tun hat.

Die Dokumentation für diese Maschine finde ich etwas … na sagen wir, speziell. Der handgezeichnete Bestückungsplan zum Beispiel ist kaum zu entziffern 8|

Auch der Schaltplan zeigte sich mir auf den ersten Blick etwas unübersichtlich, doch nach einigem Studium relativ klar strukturiert. Der Teil, auf den mein Verdacht fiel, ist eingerahmt (Klicken aufs Bild bringt höhere Auflösung):

[Bild: M21_AW13_SP_1.jpg]

Zum Glück gibt es auch ein Blockschaltbild mit Messpunkten und Sollpegeln …

[Bild: M21_AV_Block_1.jpg]

… allerdings braucht es etwas Pfadfindergeist, um die Messpunkte auch auf der Leiterplatte wiederzufinden. Also machte ich erst ein Foto der Leiterplatte und hob die relevanten Messpunkte hervor. Manche musste ich vorher erst bezeichnen:

[Bild: BG_AW13_R_mit_Pr_fpunkten_f_r_AV_1.jpg]

Nun denn, frisch ans Werk …

Vollständigkeitshalber arbeitete ich mich mit meinem soeben restaurierten und kalibirierten Grundig MV 5-O (eine Kombination aus Millivoltmeter und Oszilloskop) sukzessive durch die Messpunkte.

Wie erwartet zeigte sich der Fehler nicht bei X 26, aber bei X 29, also hinter den Pegeltrimmern für 38 & 19 cm/s [= R423 & 427].
Der entsprechende Schaltungsausschnitt, alles Unwesentliche entfernt:

[Bild: M21_AW13_SP_Level.jpg]

Diese beiden Trimmer und ihre Vorwiderstände [R424 & 428] werden mit Hilfe von D6 [MC 14066, ein Vierfach-Analogschalter] wechselweise in den Gegenkopplungszweig des Op-Amps N15 [TL 084] gelegt.

Alle Widerstandswerte waren korrekt, es konnte also nur noch an einer unterbrochenen Leiterverbindung oder an D6 selbst liegen. Da dessen Steuerspannungen [EQGR 1 & 2] wie vorgesehen anlagen, lötete ich als erstes eine schaltbare Verbindung zwischen die Anschlüsse 3 und 4 (für die 38er Geschwindigkeit), was den Fehler prompt beseitigte thumbup

Nun überlegte ich, wie ich den lästigen IC-Tausch umgehen konnte. Dabei fiel mir auf, dass laut SP (oben in der Vergrößerung rechts zu erkennen) zwar alle vier Schalter gesteuert wurden, zwei von ihnen jedoch nicht mit der Analogschaltung verbunden waren.

Also lötete ich kurzerhand den durch das 38er Steuersignal [= D10/10] aktivierten Schließer parallel zum defekten, wie hier eingezeichnet:

[Bild: M21_AW13_SP_Level_rep.jpg]

Damit läuft die Kiste wieder wie eh und je - und jetzt praktisch pausenlos seit einem Tag. Einmessen bei beiden Geschwindigkeiten funktionierte ebenfalls perfekt (also unabhängig voneinander) => meine Spar-Aktion scheint wohl funktioniert zu haben :music:

Für alle Fälle werde ich mir aber trotzdem eine kleine Anzahl MC 14066 (oder äquivalent) zulegen, so teuer scheinen die ja nicht zu sein.
Weiß jemand zufällig eine verlässliche Quelle außer ebay?

Grüße, Peter
Grüße
Peter


_____________________

Ich bin, wie ich bin.
Die einen kennen mich, die anderen können mich.
(Konrad Adenauer)
Zitieren
#2
Ausfälle des 4066 hatte ich in den M20/21 schon öfters und das an unterschiedlichen Stellen.
Als Ersatz habe ich eigentlich immer die Standard 4066 genommen, bei Reichelt 26 Cent pro Stück.

Gruß Ulrich
Zitieren
#3
uk64,'index.php?page=Thread&postID=184131#post184131 schrieb:Als Ersatz habe ich eigentlich immer die Standard 4066 genommen, bei Reichelt 26 Cent pro Stück.

Danke! Inzwischen habe ich sie sogar bei Conrad gefunden, wo ich selber hinlatschen kann.
Wenn ich mir die AW-Platine und die filigranen Verbindungen auf engstem Raum so anschaue, denke ich ungern ans IC-Auslöten.
Die M15A Platinen sind da deutlich robuster ...

Grüße, Peter
Grüße
Peter


_____________________

Ich bin, wie ich bin.
Die einen kennen mich, die anderen können mich.
(Konrad Adenauer)
Zitieren
#4
Das Löten auf den Platinen ist wirklich nicht schön.
Ich kneife bzw. schneide die ICs immer ab und löte danach die Beinchen einzeln aus.

Gruß Ulrich
Zitieren
#5
uk64,'index.php?page=Thread&postID=184141#post184141 schrieb:Ich kneife bzw. schneide die ICs immer ab und löte danach die Beinchen einzeln aus.

So mach ich's ebenfalls, auch bei Transistoren.
Und spezielle Entlötspitzen, die für sämtliche IC-Layouts passend sein sollen, habe ich noch nie gehabt.

Grüße, Peter
Grüße
Peter


_____________________

Ich bin, wie ich bin.
Die einen kennen mich, die anderen können mich.
(Konrad Adenauer)
Zitieren
#6
Peter Ruhrberg,'index.php?page=Thread&postID=184142#post184142 schrieb:Und spezielle Entlötspitzen, die für sämtliche IC-Layouts passend sein sollen

Diese stempelartigen Dinger?
Damit habe ich zwiespältige Erfahrungen gemacht. Bei einfachen Platinen funktioniert das recht gut, nur da geht es ja auch mit konventionellen Methoden wie Entlötpumpe oder Litze.
Bei den komplizierteren und komplexeren Platinen bekommt man die Hitze nicht gleichmäßig auf die Lötstellen und die Platine leidet entsprechend.

Gruß Ulrich
Zitieren
#7
Hallo Peter,

ich habe mit Neugier die Gelegenheit genutzt, mal die Schaltung einer professionellen Tonbandmaschine betrachten zu können.
Dabei ist mir eine unschöne Praxis aufgefallen:
Man sieht an sehr vielen Stellen Analogschalter-ICs direkt mit dem invertierenden Eingang eines OPs verbunden.
Man muß sich darüber klar sein, daß das keine idealen Schalter sind, sondern eine Vielzahl gesteuerter MOSFETs plus Treiberschaltung.
Die haben auch im gesperrten Zustand parasitäre Kapazitäten nicht nur über den geöffneten Schalter sondern auch zu den anderen Anschlüssen, also auch zur Steuerleitung und zu den Betriebsspannungen. Auf diese Weise wird möglicherweise einerseits Störspannung kapazitiv in den OP-Eingang gekoppelt und andererseits durch die effektive zusätzliche Kapazität zur Masse die Phasenreserve der Gegenkopplung verringert.
Sowas sollte eigentlich vermieden werden dadurch, daß man den Schalter an die "andere Seite" des zu zuschaltenden Pfades legt.
In diesem Beispiel der ausgefallenen Gegenkopplung, hätte man durch gechicktere Schaltungsauslegung den Totalausfall vermeiden können:
Da einer der beiden Pfade ja immer geschaltet sein muß, kann man einen Minimal-Anteil beider Gegenkopplungsleitwerte festverdrahten (ohne Schalter), und müßte nur noch einen kleineren Korrekturleitwert für jede Bandgschwindigkeit hinzuschalten. Bei Ausfall eines Schalters wäre dann immer noch die feste Grundgegenkopplung wirksam.
Hätte außerdem den Vorteil, daß weniger Strom durch den Schalttransistor fließt und damit dessen Klirrfaktorbeitrag kleiner wird.
Wenn keine Hoffnung auf Wiederauferstehung des defekten Schalters besteht, würde ich dessen IC-Pin (3) durchkneifen.

MfG Kai
Zitieren
#8
kaimex,'index.php?page=Thread&postID=184150#post184150 schrieb:Man muß sich darüber klar sein, daß das keine idealen Schalter sind,

Mal abgesehen davon, das es keine idealen Schalter gibt, du kannst davon ausgehen, das die Schaltung entsprechend ausgelegt wurde.
Das die Dinger (4066) hier und dort mal ausfallen hat ja nichts damit zu tun.

Gruß Ulrich
Zitieren
#9
Lieber Peter Ruhrberg,

vielen herzlichen Dank für deinen ausführlichen Beitrag. Damit hast du mir eine Menge Arbeit erspart. Ich arbeite mich gerade in das Service-Manual der M21 ein, da hattest du mir schon eine Frage beantwortet und jetzt bekomme ich von dir dieses Foto mit den markierten Messpunkten sozusagen auf dem Tablet, äh im Forum, serviert. thumbsup thumbsup thumbsup einfach Spitze, ich krieg mich grad nicht mehr ein. P.S. Deine Lösung des Problems hat mir auch sehr gefallen
Schöner Jahresausklang

Dir und allen anderen Forenmitgliedern einen guten Rutsch und ein gesundes Neues Jahr

bitbrain2101 thumbup

Hier knallt es schon ziemlich heftig
Strom kann erst dann fliessen, wenn Spannung anliegt.
Zitieren
#10
bitbrain2101,'index.php?page=Thread&postID=184189#post184189 schrieb:einfach Spitze, ich krieg mich grad nicht mehr ein. P.S. Deine Lösung des Problems hat mir auch sehr gefallen
Freut mich zu hören! Bis jetzt funktioniert meine Lösung jedenfalls, und wenn nochmal einer von diesen Schaltern die Grätsche macht, habe ich - uk64 und Conrad sei's gedankt - passenden Ersatz im Haus.

Auch dir einen guten Rutsch,
Peter

Hier auf dem Land ist es noch ziemlich ruhig Confusedleeping:
Grüße
Peter


_____________________

Ich bin, wie ich bin.
Die einen kennen mich, die anderen können mich.
(Konrad Adenauer)
Zitieren
#11
Die 4066er gehören bei mir schon länger zu den "üblichen Verdächtigen", war gleich mein erster Gedanke, als ich den eingerahmten Teil der Schaltung gesehen habe. Aber "unbenutzte Kontakte" habe ich bis jetzt nur bei mechanischen Schaltern aktiviert, dass das auch bei elektronischen geht, einfach genial. Ich soll demnächst an einer M21 ein paar Probleme lösen und würde dir gerne ein paar Fragen stellen. Soll ich dazu einen neuen Thread eröffnen oder ist dir das lieber per PN ?

MfG, bitbrain2101
Strom kann erst dann fliessen, wenn Spannung anliegt.
Zitieren
#12
bitbrain2101,'index.php?page=Thread&postID=184200#post184200 schrieb:Soll ich dazu einen neuen Thread eröffnen oder ist dir das lieber per PN ?
Entscheide du das mal, ich weiß ja noch nicht, um was es geht. Gegen "öffentlich" hätte ich erst mal nix - wüsste jedenfalls nicht was - und falls ich nicht weiter weiß, gibt's gewiss noch andere Spezialisten hier im Forum thumbup

Grüße, Peter
Grüße
Peter


_____________________

Ich bin, wie ich bin.
Die einen kennen mich, die anderen können mich.
(Konrad Adenauer)
Zitieren
#13
Hallo Peter!

Meine M21 zeigten noch nie einen der beschriebenen Ausfälle - dafür andere.

Zum Glück habe ich alle Maschinen unterbringen können und horte nur noch M15A und einige abe WG30, die laufen betriebssicher und sind rasch reparierbar.

Rudolf
Zitieren
#14
Hallo Rudolf,

die relative Unanfälligkeit und Robustheit der M15A kann ich voll bestätigen. Nach gründlicher Revision aufgrund jahrzehntelangen Kaputtstehens laufen meine vier Exemplare zuverlässig und machen einfach nur Spaß.

Die M20/21 Generation demgegenüber ist für meine Begriffe steuerungstechnisch schon zu komplex aufgebaut und damit auch anfälliger. Natürlich ist - neben sonstigen Annehmlichkeiten - ein bei allen Betriebszuständen unerschütterlich konstanter Bandzug zu bewundern, und der schon unanständig glatte Tiefenfrequenzgang - bei 19 cm/s liegt ihre Grenzfrequenz bei 6Hz(!) - sowieso.

Trotzdem kommt mir die Maschine vor, als hätten die Konstrukteure es darauf angelegt, dem eiligen Benutzer jegliche als unnötig empfundene Kopfarbeit weitgehend zu ersparen. Das konnte die M15A noch nicht, und wer bei ihr ein Band aus vollem Lauf möglichst schonend abbremsen möchte, macht das eben mit Fingerspitzengefühl am Rangierschalter.

Jedenfalls machen mir meine vier M15A Damen insgesamt weniger Arbeit als die eine M21 im selben Revisionszustand.

Grüße, Peter
Grüße
Peter


_____________________

Ich bin, wie ich bin.
Die einen kennen mich, die anderen können mich.
(Konrad Adenauer)
Zitieren
#15
Kleines Update:

Mit der provisorischen Lösung hatte ich mich etwas zu früh gefreut. Eigentlich hätte ich es mir denken können, aber man lernt immer noch am nachhaltigsten durch die Praxis ... :whistling:

Ich hatte ja einen unbenutzten Schalter des IC 4066 angezapft, was auch zunächst gut funktionierte.

Da aber ursprüngliche defekte Schalter (er schloss nicht) noch parallel lag, machte sich der Defekt jetzt anders bemerkbar: Offensichtlich kam durch den Schalter jetzt zunehmend Gleichspannung aus der Digitalversorgung auf den Analog-OP, was dieser als Knack- und Kratzgeräusche wiedergab. Zunehmend häufig machte er auch völlig dicht (Ausgangssignal erst verzerrt, dann weg). Mit dem Oszi ließen sich sowohl die Geräusche wie auch das unregelmäßig schwankende Gleichspannungspotential am Ausgang dingfest machen.

Da ich für das völlige Stillegen des defekten Schalters Leiterbahnen hätte auftrennen müssen, habe ich lieber in den sauren Apfel gebissen und den 4066 ausgetauscht. Das Auslöten war zum Glück wesentlich einfacher als es bei dem gedrängten Aufbau und den filigranen Leiterbahnen befürchtet hatte.

Neue Fassung eingelötet (hatte nur 'ne 16polige da, die ich auf 14 gekürzt habe ...) - IC drauf - einschalten - löppt! ... mittlerweile schon seit dei Stunden.

Nochmals Danke Ulrich für Tipp und Ermutigung! thumbsup

Grüße, Peter
Grüße
Peter


_____________________

Ich bin, wie ich bin.
Die einen kennen mich, die anderen können mich.
(Konrad Adenauer)
Zitieren


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste