Riemenpest nur bei Philips-Geräten? Denkste!....
#1
Moin,

ich habe kürzlich einen Kassettenporti BASF Cr 9220 für einen Zwanziger aus der Bucht gefischt. Das war eine spontane Sache, weil mein kleiner Bruder den einst als sehnlichen Wunsch 1976 zu Weihnachten bekommen hatte und ich das Gerät ganz nett und originell finde. Es kann mit Monozellen oder dem eingebauten Netzteil betrieben werden, nimmt in Stereo auf und gibt über den eingebauten, recht großen Lautsprecher in Mono wieder. Natürlich kann man es auch an die Anlage anschließen, dann tönt es stereophon.
Es erfüllt "fast" die Hifi-Norm, es fehlen wohl nur ein paar Dezibel beim Rauschabstand (Dolby gibt's nicht). Der Frequenzbereich reicht bis 12000 Hz. Es ist eine manuelle Umschaltung für Wiedergabeentzerrung und Bias für Kassetten vom Typ I, II und III vorhanden, ebenso ein schaltbarer Limiter und eine Pegelautomatik. Das von mir ersteigerte 9220 stammt aus der späten Fertigung (1977). Es hat im Gegensatz zu den älteren Geräten ein beleuchtetes VU-Meter und Kassettenfach.

   

Es sah nach der gründlichen Reinigung des Gehäuses mittels Glasreiniger fast wie neu aus, aber das Laufwerk tat nicht das, was es dem Namen nach eigentlich tun sollte! Stattdessen klackerte es nur im Inneren.

Als ich es geöffnet hatte, sah ich die Bescherung. Alle Riemen (es gibt deren vier) waren zu zärtlichem Brei zerfallen. Gott sei Dank waren sie noch nicht ganz flüssig, aber kurz davor. So gelang es mir unter Zuhülfenahme von Nagellackentferner die schwarzen Reste an den Riemenscheiben zu beseitigen; die Riemenreste selbst konnte man vorsichtig mit der Pinzette entnehmen. Das Gerät wurde nun aber nicht etwa bei Philips gefertigt, sondern von Aiwa in Japan! Das war wirklich eine Überraschung, denn diese zerfließenden Gummiteile kannte ich bisher nur von niederländisch-österreichischen Produkten.

Na fein, neue Riemen, alle vierkantig, aus meinem reichhaltigen Fundus waren schnell aufgelegt. Es gibt einen Haupttreibriemen vom Motor zur Schwungmasse, einen kleinen von der Schwungmasse zur Mechanik der Bandlaufüberwachung, und je einen vom rechten Wickeldorn zu einer Zwischenwelle und von dieser Zwischenwelle zum Zählwerk. Eine Kassette wurde eingelegt und die Start-Taste gedrückt. Es lief. Ich stellte auch keine anderen Wehwehchen fest, nicht mal die Flachbahnpotis krachten. Nach etwa zehn Minuten machte es dann "klack" und die Bandlaufüberwachung hatte angesprochen. Da die erst nach 5 Sekunden reagiert, hatte sich schon Bandsalat am Capstan gebildet. Der rechte Wickeldorn lief nicht mehr!
Es stellte sich heraus, dass das Zwischenrädchen, das den rechten Dorn von der Capstanwelle aus antreibt, nicht mehr rotierte. Warum, wusste ich erst nach genauer Untersuchung, teilweiser Zerlegung und Studium der Explosionszeichnung. Auf der Tonwelle sollte eigentlich eine kleine Rolle aus Gummi aufgezogen sein, Durchmesser 4 mm, Länge ca. 6-7 mm. Darauf sollte der Gummibelag des Zwischenrades laufen und den rechten, mit einer Rutschkupplung versehehen Wickeldorn antreiben. Diese Gummirolle fehlte, bzw. war wie die Riemen in eine klebrige schwarze Masse zerflossen, die nun am Zwischenradgummi und am Umfang des Wickeltellers klebte.
Es blieb mir nichts anderes übrig,als die Schwungmasse mit Capstanlagern auszubauen und gründlichst zu entsiffen. Nach etwa zehn Wattestäbchen hatte ich es geschafft, die Reste der Gummiwalze zu beseitigen...

Hier die Schwungmasse mit dem zweigeteilten Lager daneben. Das weiße, große Zahnrad treibt im Umspulbetrieb die Mechanik, die sichtbare Rutschkupplung tritt nur bei blockierender Kassette in Tätigkeit.

   

Und zusammengesteckt, wie im Gerät.

   

In die Lücke zwischen den beiden Lagerbuchsen gehört die erwähnte Gummiwalze. Ich habe es hier mal schnell freihändig skizziert, damit man es sich besser vorstellen kann. Oberhalb sitzt noch ein Ölfangring aus Filz.

   

Nun war erst mal guter Rat teuer. Woher sollte ich so ein Gummiteil nehmen? Aber nach verhältnismäßig kurzer Suche bei Ebay hatte ich, was ich suchte! Einen Meter (weniger gab's nicht) Latex-Gummischlauch mit 1,8 mm Innen- und 4,6 mm Außendurchmesser. Der muss dann bei gezogener Capstanwelle in den Zwischenraum gebracht werden, dann die Welle durchgesteckt und noch den Filzring drauf. Schließlich auch durch die obere Lagerbuchse und fertig ist die Laube.

Nun warte ich auf die Lieferung aus England und denke, dass dann die mechanischen Probleme gelöst sind. Den abgenudelten Tonkopf habe ich schon getauscht (zufällig befand sich ein mechanisch passendes und vom Gleichstromwiderstand her fast gleiches Exemplar in meiner Bastelkiste!). Dass die Aufnahme nicht funktioniert, ist eine andere Sache, der ich mich beizeiten widmen werde, wenn der Recorder wieder läuft! Es eilt nicht und die langen Abende kommen ja noch... Smile

LG Holgi
Zitieren
#2
Nein, das ist kein reines Philips-Phänomen. Hier wurde es z.B. auch schon bei einer TEAC-Bandmaschine festgestellt.
Zitieren
#3
timo,'index.php?page=Thread&postID=180985#post180985 schrieb:Nein, das ist kein reines Philips-Phänomen...


Stimmt, bei einem Cassetten-Laufwerk einer Marke ITT hatte ich die Riemen-Schmiere auch schon.

Tschüß, Matthias
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
Zitieren
#4
Einem ITT_Deck habe ich auch schon einmal einen vermatschten Riemen entnehmen können. Gleiches in einem Marantz-Deck (...noch aus der Pre-Philips-Ära
stammend). Offensichtlich haben sich auch andere Hersteller ähnlicher Materialien oder Zulieferquellen bedient. Bei Philips-Geräten ist die Häufung über einen doch recht langen Zeitraum allerdings bemerkenswert. Andererseits muss man zugute halten, das solche Phänomene nicht unbedingt schon nach 10 Jahren auftraten. Insofern dürften solche Langzeit-Folgen niemanden mehr interessiert haben, weder bei Philips noch bei anderen Herstellern. Und, auch das darf man den Philips-Kisten zuguten halten (...wenn auch in diesem Zusammenhang OT...): die eingesetzten Kunststoffe (...an Gehäuse, Hebeln, Schiebern und Kläppchen...) sind erstaunlich langzeitstabil. Das konnten andere Hersteller bei Weitem nicht so gut.

Gruß

Peter
Time flies like an arrow. Fruit flies like a banana. (...soll Groucho Marx gesagt haben, aber so ganz sicher ist das nicht...)
Zitieren
#5
Inzwischen habe ich ein etwa 6 mm langes Stück Latexschlauch über die Welle gezogen und es funktioniert "einbahnfrei".
Allerdings spinnt diese Bandlaufüberwachung jetzt. Wenn man auf Start/Pause geht, schaltet sich das Gerät nach ein paar Sekunden ab. Am Bandende hingegen, wo es das eigentlich tun sollte, passiert nichts. Blöde mechanische Mimik. :cursing:

Die Aufnahmefunktion geht jetzt. Da ich den Tonkopf getauscht habe, muss ich da einmesstechnisch noch mal bei; die Höhen sind etwas überbetont und der Aufsprechpegel ist zu hoch. Wenn man nach dem Schätzeisen auf Null auspegelt, zeigt mir das Akai GX75 bei der Wiedergabe ca. +6 dB an. Aber das sind Kleinigkeiten.

LG Holgi
Zitieren


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste