Was man so unbedingt braucht ...
#1
Moin, moin,

während unseres Nord-Stammtisches berichtete mir Wolfgang von seinen Erfahrungen bei einem Treffen von analog-Enthusiasten in Hannover. Im Vergleich zu "digital" ist "analog" ja oft recht kompliziert zu bedienen und bedarf viel mehr "Handarbeit", was man ihm dort nahe zu bringen versucht hatte.
Daher will ich Euch an dieser Stelle von Wundern der Technik berichten, die "natürlich ...", so ihre Erfinder, "... sensationell" sind und in jedes Heim, bzw. in jede Stereo-Anlage gehören.

Als mir dann wärhend des Forentreffs auch noch das Wunder eines "analogen" Satzsystems geschildert wurde, assoziierte ich sofort das "DFK", das ich somit als erstes vorstellen will.


Wer erinnert sich nicht gern an das "Tonabnehmersystemträger-Luftleitblech" aus den siebziger Jahren? Dieses klassische Konzept soll einen modernen Nachfolger bekommen: einen in zwei Ebenen selbstjustierenden "Headshell-Spoiler"!

Die wirkliche Neuerung gegenüber dem rein horizontal arbeitenden, früheren, unbeweglichen System ist die Tatsache, dass dieses neue tatsächlich eine Funktion zu haben scheint, zumindest etwas tut.

Die neu gestaltete 1/2"-Headshell verfügt über diverse sogenannte "Stabilisatoren". Diese in komplexen Winkeln angeordneten und teils beweglich gelagerten, von den Medien "Haifisch-Flossen" genannten "Luftleitbleche" sind in heutiger Zeit natürlich nicht mehr aus profanem "Blech" gefertigt. Wenn der Hersteller auch hinter vorgehaltener Hand zugibt, solches hätte die Aufgabe auch erfüllt. Stattdessen verwendet er teures Composit-Material, das optimale Schwingungs-Neutralität mit hoher Steifigkeit und geringem Gewicht kombinieren soll. Auch ist das System natürlich integrer Bestandteil einer Headshell und wird nicht einfach nur an ein bestehendes System angehängt.
Die goldene Färbung ist wohl ein Hinweis auf den zu erwartenden Preis.

Die "Aufgabe" ist eine Optimierung der Spurhaltung der Nadel. Während das Prinzip "Anti-Skating" eher im Bereich der Tonarm-Basis ansetzt, wirkt das "dynamische Führungs- und Kompensations-System" mehr oder weniger senkrecht über der Nadel und benötigt damit nicht nur erheblich weniger Kraft für seine Arbeitsleistung, was positiven Einfluss auf die Beweglichkeit des Tonarms hat, sondern arbeitet auch flüssiger. Vor allem aber ist das System eben "dynamisch", kann also, entsprechend der zur Mitte der Schallplatte hin sinkenden Spurgeschwindigkeit bei gleichzeitig steigerndem vertikalen Vortrieb, die Nachführung anpassen.
Das Resultat, so der Hersteller, ist eine optimierte Stereo-Wiedergabe und Verzerrungs-Freiheit.

Der Konstrukteur beging nicht den Fehler, die Versuche des britischen Herstellers Garrard zu wiederholen, den Anstellwinkel der Headshell dynamisch anzupassen um den Spurfehlwinkel bei "0" zu halten. Auch ist er von der Idee, einen ausziehbaren Tonarm einzusetzen, abgekommen. Er beschränkt sich auf das technisch Beherrschbare: die optimale Spurführung der Nadel in der Mitte der Rille und in jedem Spursegment der Schallplatte gleichermaßen. Und das ohne motorische Hilfe oder irgend eine Art von mechanischer Hemmung, die Resonanzen im Übertragungsbereich erzeugen könnte.

Die optimale Spurführung soll stattdessen durch simple Aero-Dynamik gelöst werden.
"Simpel"? Eher nicht. Das Problem besteht natürlich darin, dass sich beim Plattenspieler die Headshell nur in einer vergleichsweise geringen Geschwindigkeit bewegt. "Würde der Tonarm um die Platte rotieren, wäre die Sache einfacher", wird der Erfinder zitiert. Ist sie aber nicht.
Natürlich ist die Kraft, die für die Kompensation der durch die Rotation der Schallplatte entstehenden Fliehkräfte benötigt wird, vergleichsweise gering. Trotzdem reicht die reine Aerodynamik nicht aus. Also setzt das System - und das ist letztlich seine Schwäche - natürlich auf das sowieso vorhandene Anti-Skating des Plattenspielers auf, in den die DFK-Headshell eingebaut wird. Der Traum vom berührungslosen Antiskating bleibt zunächst ein Traum.
Doch ist das System immerhin in der Lage, das serienmäßige Antiskating nochmals zu verbessern. Wenn denn der Besitzer das Antiskating korrekt justiert hat.
Übrigens empfiehlt der Hersteller einen Plattenspieler mit Fadengewichten oder besser eine magnetische Lösung für das grundlegende Antiskating.

Das dynamische Führungs- und Kompensations-System benutzt tatsächlich vor allem die Aufwinde, die die rotierende Schallplatte erzeugt, und die durch ein Luftleitwerk eingefangen werden, um die Spur-Stabilisierung zu erreichen. Möglich geworden sei dies mit Hilfe moderner Computer-Simulation und der testweisen Vermessung hunderter von Plattenspielern bei unterschiedlicher Umgebungs-Temperatur.
Dabei ist das passiv geregelte System sogar in der Lage, den Anstellwinkel der für die Drift-Kompensation zuständigen Leitwerke während der Abspielung der Platte zu verändern. Dies geschieht durch eine minimale Steigerung des Luftdrucks an definierten Steuerpunkten, den der durch das Leitwerk geführte Luftzug erzeugt. Das Prinzip dahinter kennen wir vom Wetterhahn, einer Windmühle oder von kleinen Windkraftanlagen, die sich mit Hilfe des sogenannten "Fähnchens" selbstständig in den Wind stellen können. Nur hier halt kleiner. Viel kleiner.

Trotzdem mutet das Design der neuen Headshell eigenartig, wie die Ausgeburt des verwirrten Geistes eines modernen Künstlers an. Das mögen Konstrukteure früherer Generationen aber auch über moderne MP3-Player gedacht haben. Wenn sie die denn gesehen hätten ...

Auch wenn die Micro-Mechanik gut in der verkapselten Headshell versteckt ist, bleibt sie doch vorhanden und bedeutet ein Mehr-Gewicht. Das trifft auch auf das Luftleitwerk zu. Egal, wie leicht die zusätzlichen Materialien sind. Zwar ist die "netto-Headshell" leichter als ein vergleichbares "normales" Teil, doch wird sie durch ihre Anbauten effektiv schwerer, als ein Standard-Kopf.
Nicht zu vergessen ist auch, dass die Berechnung des DFK-Systems keine schweren Tonabnehmer vorsieht. Explizit empfiehlt der Hersteller die Verwendung an leichten Tonarmen.

Immerhin: Der eingestellte Anpressdruck, das sogenannte Auflage-Gewicht, hat bei der Verwendung moderner Tonabnehmer keinen Einfluß auf die Funktion des DFK. Solange der Besitzer des Plattenspielers sich an die Vorgaben der Bedienungsanleitung hält. Denn auch die Auflagekraft soll dynamisch ... aerodynamisch optimiert werden können. Auch hier wirkt das System natürlich zusätzlich zu dem serienmäßigen Generator für die benötigte Balance und Auflagekraft (Gewicht oder Feder)
Das System gleicht vor allem störende vertikale Bewegungen des Tonabnehmers aus. Laut Hersteller-Angaben soll er um 50% weniger federn müssen, als ohne DFK. Das verbessert wiederum den Kontakt der Nadel zu den Rillenflanken und vermeidet Verzerrungen.

In Foren wird man lesen können, ein mit einer DFK-Headshell ausgestatteter Plattenspieler darf nicht bei Wind betrieben werden. Auch wenn der Hersteller Stürme im Wohnzimmer nicht thermatisiert denke ich, die Auswirkungen von Luft-Turbulenzen, die bei einem Vorbeilaufen am Plattenspieler entstehen, werden sich mit dem Schließen einer Staubschutz-Haube reduzieren lassen. Und wer kommt schon auf die Idee, vor seinem Plattenspieler hin und her zu rennen oder Faxen zu machen?
Ob die neue Headshell wirklich frei von Eigenresonanzen ist, vermag ich nicht zu bewerten, da ich sie leider nicht besitze.

Insofern wäre ich wirklich an Euren Erfahrungen mit solch System interessiert! Im Zweifel wissen die Analog-Kenner hier mehr als ich.

Ob ich so eine DFK-Headshell wohl im Oktober in Krefeld testen können werde?

Tschüß, Matthias
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema
Was man so unbedingt braucht ... - von Matthias M - 21.09.2015, 01:53
[Kein Betreff] - von lukas - 21.09.2015, 16:00
[Kein Betreff] - von PSMS - 22.09.2015, 04:22
[Kein Betreff] - von niels - 22.09.2015, 19:25
[Kein Betreff] - von Matthias M - 23.09.2015, 14:16
[Kein Betreff] - von PeZett - 23.09.2015, 19:31
[Kein Betreff] - von Matthias M - 25.09.2015, 02:28
[Kein Betreff] - von cisumgolana - 25.09.2015, 07:43
klebrige Platten? - von Matthias M - 01.04.2023, 03:58

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste