Schneidekennlinienentzerrung
#1
Was hat es eigentlich mit einem "Elektrometerentzerrer" auf sich?
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#2
Hallo Capstan,

Der Begriff ist mehrdeutig. Ein "Elektrometer" ist ein Spannungsmessgerät mit idealerweise unendlich hohem Eingangswiderstand. Sinn dieses hohen Eingangswiderstandes ist, die Meßquellen nicht zu belasten, sodaß die Messung genauer wird.

Einerseits hat ein Elektrometer das Problem, daß der Frequenzumfang der Messung begrenzt ist. Elektrometerentzerrer der Meßtechnik haben die Aufgabe, den Frequenzumfang eines elektrometrischen Meßgerätes zu erweitern.

Resultierend ist zB. die Forderung nach einem extrem hohen Eingangswiderstand, falls der Entzerrer vorgeschaltet werden soll. Solche Entzerrer mit extrem hohen Eingangswiderständen eignen sich auch universell, weil sie die Signalquellen idealerweise nicht belasten, und daher die Signalquellen nicht beeinflußt werden.

Nachteil solcher Schaltungen ist die Neigung zum Rauschen, Widerstandsrauschen aufgrund der Hochohmigkeit.

Nenne gegebenenfalls das Umfeld, in welchem Deine Frage aufgekommen ist, sodaß eine konkretere Antwort möglich wird.

Grüße - Stefan
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#3
Hallo Stefan,

ich habe gehört das man heutzutage aus verschiedenen Gründen (geringes Rauschen,Signalquellentrennung,gutes Aussteuerungsverhalten bei hohen Frequenzen) Elektrometer-Entzerrer zur Schneidekennlinienentzerrung bei magneto-dynamischen Systemen einsetzt.
Kernstück eines solchen Verstärkers sind OPV in deren Gegenkopplungszweig sich mehrere abgleichbare Parallel-und Reihenresonanzkreise(RC) befinden,mit denen man die genauen Eckfrequenzen(50Hz/2120Hz) der Schneidekennlinie und die Unterdrückung von Rumpelgeräuschen(5Hz) einstellen kann.

Inwieweit hat sich diese Entzerrertechnik bewährt bzw.durchgesetzt?
Welche praktischen Erfahrungen hat hier der Fachmann und welche Empfehlungen kann er geben?

Gruß Bernd
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#4
Schneidkennlinien -also nichtlineare Frequenzgänge- werden beim Plattenschnitt schon seit frühester Zeit eingesetzt, um Schnitt und Abspielbarkeit zu erleichtern, in Grenzen auch die Qualität zu steigern. Jedoch geschah dies bis in die LP-Zeit (gleichzeitig damit allgemeine Einführung der Füllschrift des Mecki-Vaters und Hör-Zu-Chefradakteurs Eduard Rhein) hinein ohne eine fixe Norm, was nicht gerade hifi-tauglich war. Man einigte sich schließlich auf RIAA und die ihr verwandte DIN-Norm (diese senkt den tiefsten Frequnzbereich unterhalb 20 Hz wieder ab, um das Rumpeln zu mindern).
Frühe LPs und vor allem Schellacks sollte man heute unter Kenntnis dieser Kennlinien wiedergeben, was indes nahezu keiner tut, denn in der Regel sind weder die Kenntnisse noch die technischen Möglichkeiten (Entzerrer mit variablen Kennlinieneinstellungen) vorhanden. Selbst beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk hört man in einschlägigen Sendungen munter nach RIAA wiedergegebene Schellackplatten.

Gemäß RIAA und DIN werden die Tiefen beim Plattenschnitt abgesenkt, um (auch) die Laufzeit anzuheben, das heißt, die Rillenaussteuerung im Bereich der hohen Amplituden tiefer Töne in einen beherrschbaren Rahmen zu zwängen. Die Höhen jedoch hebt man etwa im selben Maße an, um die Rillenaussteuerung in sinnvoll nutzbare Größenordnungen hinaufzutreiben. Dies muss bei der Wiedergabe invertiert werden, um wieder Frequenzlinearität zu erreichen: Die Absenkung der Höhen hat dabei eine bemerkenswerte Reduktion des Rillenrauschens zur Folge, die starke Tiefenanhebung hingegen eine nennenswerte Anhebung des Laufwerksrumpelns. Aufgrund der Eigenschaften von Gehör und Lautsprecher (im heimischen Wohnzimmer) wird dies Rumpeln aber in der Regel nicht mehr gehört bzw. wiedergegeben.

Zurück zur Frühzeit:
Schwierig ist im vorliegenden Fall der Kennlinienermittlung, dass die einzelnen Plattenverlage oft aus ihrer Höhenverzerrung (beim Schnitt) ein Geschäftsgeheimnis machten. Man muss daher wirklich suchen, um halbwegs zutreffende Angaben ausfindig zu machen.
Die vollständigste Liste jener Überspielkennlinien, die mir bekannt wurde (ich habe jede Menge von Material zum Thema), findet man hier:

http://www.hans-fabritius.de/emt/radius_und_eq.pdf

Diese Liste wurde von der Fa. EMT, ehedem Lahr-Kippenheim (die im Württembergischen wiederbelebte Fa. ist nicht die alte) ihren 78-UpM-tauglichen Laufwerken mitgegeben und entstand durch damals noch mögliches Befragen von Zeitzeugen. Diese Liste nimmt jedoch keine Rücksicht auf die in den originalen Kennlinien teilweise existierenden drei Zeitkonstanten und gibt jeweils grundsätzlich nur zwei Fixpunkte für die Übertragungsfunktion an. Dies ist so tragisch nicht, weil bis heute beim Schallplattenschnitt eine Fülle von 'Tricks' angewendet wird, um die meist auf Magnetband angelieferte Modulation nicht nur in die Rille zu bekommen (ist das geringere Problem), sondern schließlich (durch den Käufer) auch wieder heraus (dies ist folglich das größere). Linear ist da also nicht alles, was sich so anhört...

Wie beherrsche ich das nun bei der Wiedergabe? Ich habe einen professionellen Doppelentzerrer (mit symmetrischen Ausgängen) in Gebrauch, dessen erstes Kanalpaar regulär nach RIAA entzerrt, dessen zweites von mir aber zu einem linear verstärkenden Gerät mit entsprechender Eingangsimpedanz umgebaut wurde. Die Schneidkennlinien stelle ich mit dem Kanalfilterpaar eines digitalen Mischpultes nach obiger Liste ein. Mit einem weiteren digitalen Filter im Summenkanal des gennanten Mischpultes lässt sich ein Nadelgeräuschfilter einschleifen, dessen Einsatzpunkt nach Gutdünken gewählt wird. Die Ergebnisse sprechen für sich, namentlich wenn man die Schellacks während der Wiedergabe mit reinem, destilliertem Wasser reinigt, dem ein Häuchlein Fotonetzmittels zugesetzt ist. In der Regel bedarf es keiner elektronischen Nachbearbeitung, die bei nicht wirklich perfekt beherrschtem Einsatz (und höchstert Qualität) mehr zerstört als verbessert. Nachdem ich in die Technik und die Klangästhetik jener Zeiten unter den zeitgenössisch höchstwertigen Bedingungen (die genügten teilweise durchaus bereits DIN 45500) hineinhören will, verbietet sich für mich ein Nachbiegen ohnehin.

Hans-Joachim
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#5
Hallo,

Wie Euch vielleicht bekannt, beinhalten die Gibbert-Phonostufen, wie ich sie seit der zweiten Hälfte der 80-er anbiete und verkaufe, ganz traditionell eine Kennlinieneinstellung, früher habe ich Potis verbaut, und seit die FM das in ihrem Clone ebenfalls tut gibt´s bei mir einen präzisen Schalter. Mehr auf Anfrage, bitte telefonisch. Das Thema interessiert mich natürlich, erstens weil ich bemüht bin, meinen Kunden stets die "feinste" Phonostufe anzubieten, andererseits bringt das Einfügen eines "dicken" umschaltbaren Entzerrungsnetzwerkes völlig neue Probleme hinsichtlich Phasengang, Stabilität, etc. pp. welche alle erst einmal schaltungstechnisch gelöst werden müssen, bevor man so etwas wie eine "gibbertliche" Phonostufe hat. In sofern finde ich die Diskussion betreffs der "Elektrometerentzerrung", also betreffs einer Schaltungstechnik, durchaus interessant.

Und in sofern möchte ich den PhonoMax etwas abwürgen; ich habe Schneidefrequenzgänge dokumentiert, und ich habe Zeitzeugen befragt, und ich biete seit nunmehr fast 20 Jahren Geräte an, die es können. Es gab Normen, und es gab Standards, und es gab genau dokumentierte Schneidapparaturen. Die Tatsache, daß es so wenig Konkurrenz zu meinen Stücken gibt hängt mit dem grundsätzlichen Verhalten der "HighEnd-Mafia" zusammen, welche die Arbeit und das Wissen, welches hinter dieser Technologie stecken, nicht bezahlen will, und lieber Internetpostigs setzt, in der Hoffnung, irgendjemand könnte sich verplappern und genaue, präzise und vollständige Angaben völlig offenlegen. Die Unterlagen zu den Schneidekennlinien sind je nach Label als Interna bekannt, rein technisch ist es ohne weiteres machbar, und Leute wie ich bieten das fertige Gerät auch durchaus an. Hätte ich mir in 1983 die Idee, die Phonostufe als Stand-Alone-Lösung auszuführen, patentieren lassen, vielleicht wäre ich reich geworden. Punkt.

Ich möchte Capstan zitieren, 19.01.05: "Kernstück eines solchen Verstärkers (Elektrometentzerrer, anm.) sind OPV in deren Gegenkopplungszweig sich mehrere abgleichbare Parallel-und Reihenresonanzkreise(RC) befinden,mit denen man die genauen Eckfrequenzen(50Hz/2120Hz) der Schneidekennlinie und die Unterdrückung von Rumpelgeräuschen(5Hz) einstellen kann."

Antwort: Nun, das ist alles nichts neues. Vereinfacht gesagt, das ist genau diejenige Technologie, welche ganz klassisch als "aktive Entzerrungsschaltung" bekannt ist.

Bis auf weiteres gehe ich wie folgt aus: Kernstück des Elektrometer-Entzerrers ist offensichtlich ein Operationsverstärker in sogenannter "Elektrometerschaltung". Diesen sog. "Elektrometerverstärker" kann man nun reichlich in guten Schaltungsbüchern wie zB. dem Tietze-Schenk nachlesen - es handelt sich um eine Beschaltung mit besonders hohem Eingangswiderstand.

Bis zum Beweis des Gegenteils muß ich anhand von Capstan´s Beschreibung davon ausgehen, das es hier um eine klischisierung der klassischen aktiven Entzerrung handelt - also um so etwas wie eine "veräppelung" oder wie man es auch ausdrücken könnte. Da hat sich wohl jemand ein klangvolles Wort einfallen lassen, um zu vertuschen, daß es sich um ganz gemeine Standardtechnologie handelt.

Gruß - Stefan.
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#6
Hallo liebe Zielgruppe.

Weiter Oben schrieb Capstan das die Eckfrequenzen für die RIAA Schallplattenentzerrung 50Hz und 2120Hz betragen.
Was macht nun welche genau?
Was hat es mit der CCIR Kennlinie auf sich?
An anderer Stelle las ich das die RIAA Kennline im laufe der Jahre verändert wurde.
Welche RIAA sollte man denn nehmen?

MfG Matthias
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#7
Lieber Matthias,

zunächst muss man sich vor Augen führen, dass die Schallplatte als mechanischer Speicher bis heute trotz aller und nun unzweifelhaft existierender Normen Spielwiese der Überspieltechniker geblieben ist. Dieser nämlich setzt sein ganzes Können, seine ganze Erfahrung ein, um namentlich in der Stereofonie die meist auf Band angelieferte Modulation so in die Rille zu bekommen, dass sie 'danach' auch wieder herausgeht. Er dreht also herzhaft am Material herum, so dass man von einer 1:1-Kopie guten Gewissens nicht recht sprechen kann. Genauigkeit ist also etwas anderes.

Die von dir zitierte Angabe Capstans ist richtig, gibt aber nur 2/3 der Wahrheit wieder, denn RIAA hat wie DIN bzw. IEC nicht zwei, sondern drei Übergangsfrequenzen: 50, 500, 2120 Hz (bzw. 3180, 318 und 75 µs); man setzt die Übertragungsfunktion also aus drei Teilfunktionen zusammen. Dabei wird heute (LP-Zeit) aus Gründen der Qualitäts- und Laufzeitoptimierung mit konstanter Auslenkung geschnitten, was den charakteristischen, zu hohen Frequenzen hin ansteigenden Verlauf des Scheidefrequenzgang ergibt:

20 Hz bei -18 dB
20 kHz bei +20 dB

Die mittlere Teilfunktion (Übergangsfrequenz 500 Hz) sorgt lediglich für einen eignen Kurvenverlauf im mittleren Frequnezbereich, mit dem man bestimmten Problemen des Plattenverfahrens begegnen will.

Bei der Wiedergabe sollte nun der Schneidfrequenzgang invertiert werden, damit wieder ein linearer Frequnezverlauf entsteht. Dies wird im Entzerrerverstärker meist mit durchaus ordentlicher Genauigkeit erledigt, indem man eine frequenzabhängige Gegenkopplung des Verstärkers vorsieht. Dabei erweist sich der o.g. Elektrometerverstärker als vorteilhaft, weil er seinen Eingangswiderstand nicht in Abhängigkeit von der Gegenkopplung ändert. Das Frequenzverhalten eines Abtastsystems hängt nämlich auch von der Belastung durch den nachfolgenden Verstärker ab.

Ein höherer Aufwand ist wiedergabeseitig nicht zu rechtfertigen, weil das zu teuer käme, namentlich wenn sich zwei Kanäle gleich verhalten sollen. Bei sorgfältig ausgelegter Schaltung kommt man bereits auf ±0,5 dB Abweichung von RIAA, was ja nun wirklich ordentlich ist.

Der RIAA-Kurve ging eine Empfehlung der AES (Audio Engineering Society) voraus, die sich aber nicht dramatisch von RIAA unterschied. Man kam davon ab, weil nach RIAA das Laufwerksrumpeln weniger stark angehoben wurde. DIN geht das insofern konsequent an, als bis 25 Hz identisch mit RIAA verzerrt bzw. entzerrt, unterhalb von 25 Hz aber wiedergabeseitig abgesenkt wird, was nicht zuletzt durch die unteren Grenzfrequenzen zeitgenössischer Verstärker noch weiter angeschoben wurde. Ein Verlust entsteht dadurch nicht, weil musikalisch 'da unten' nichts vorgeht, Lautsprecher im Wohnraum dies nicht mehr wiedergeben können, und das AM-Magnetophon hier sowieso nichts mehr zu sagen weiß.

CCIR ist mir mit einem Normvorschlag bisher nicht bewusst begegnet, IEC (Publ.98) entspricht RIAA, die Unterschiede von DIN habe ich oben angesprochen.

Zur Wissenschaft wird dies ganze Theater bei der Beschäftigung mit Schellacks, denn da sind wir im Bereich der Firmennormen angelangt. Die marktingbewussten Firmen wussten nämlich schon damals, dass man mit dem Lasso einer 'Klanglichkeit' ganz gut Kunden einfangen konnte. Infolgedessen hütete man auch namentlich die Höhenkorrekturen regelrecht als Firmengeheimnisse. Damit war erst Schluss, als die LP auch für die Schallplatte das Tor zu einer neuen Qualitätsdimension aufstieß, die Platte damit ein wenig zum Magnetbandverfahren aufschloss. Dadurch aber wurde auch die Frequenzlinearität im Höhenbereich eine zu verallgemeinernde Forderung, die ein Abgehen von jener firmenspezifischen Praxis notwendig machte, wenn eine Firma qualitätsmäßig am Ball bleiben wollte.

Hans-Joachim
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#8
Hallo Hans-Joachim.

Danke für deine Ausführung soweit.
Noch ein paar Fragen hierzu:

Es gibt also 3 Zeitkonstansten aus denen mit höherer Mathematik 2 gemacht werden. Wie ist das denn bei der CCIR Entzerrung?
Da bräuchte man doch noch ein Entzerrglied für die Bassabsenkung.
(Schallplatte mit Bassabsenkung, da ist einer schlau gewesen.)
Ich nehme an das man für CCIR also mindestens 3 Zeitkonstanten hat. Wie lauten diese genau?

Zitat:PhonoMax postete
Bei sorgfältig ausgelegter Schaltung kommt man bereits auf ±0,5 dB Abweichung von RIAA, was ja nun wirklich ordentlich ist.
Welche Bauteiltoleranzen setzt du hier an?
Normal 5% oder weniger?

MfG Matthias
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#9
Hallo Matthias,

CCIR - entsprechend DIN IEC 98 - und R.I.A.A. haben beim Schneidfrequenzgang folgende Zeitkonstanten:

tau1= 75
tau2= 318
tau3= 3180

(alles in Mikrosekunden)

Beim SCHNEIDEN sind DIN IEC 98 und R.I.A.A. also IDENT.


Beim ENTZERREN unterscheiden sich dann CCIR und R.I.A.A.:

Während bei der R.I.A.A. die Entzerrungskurve spiegelbildlich verläuft, schreibt die DIN IEC 98 eine vierte Zeitkonstante vor:

tau4=7950 Mikrosekunden

Diese vierte Zeitkonstante wirkt wie ein Hochpaß bei 20Hz. Die Entzerrung nach DIN IEC 98 verläuft also unterhalb von 200Hz nicht mehr spiegelbildlich, 20Hz werden um 3dB gegnüber einer R.I.A.A.-Entzerrung gedämpft.

Quelle: DIN IEC 98; ANSI EIA RS - 211 - D - 1981

Gruß
Jürgen

Edit Bild
[Bild: RIAA-CCIR_Kennlinie.jpg]
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#10
Lieber Matthias,

das rührt an mehrere Sachverhalte. Zum einen spielt für die erzielbare Genauigkeit das gewählte Schaltungskonzept des Korrekturfilters im Gegenkopplungszweig eine Rolle, man kommt mit bestimmten, etwas aufwändigeren Verfahren der Kurve noch etwas näher. Weiterhin: Die frequenzbestimmenden Glieder sollten aus 1%-toleriertem Material (Metallfilmwiderstände) herausgemessen werden. Dasselbe gilt erst recht für die Kondensatoren, die man als Lieschen Müller oder Fränzchen Meier gemeinhin nur mit 2% bekommt, man also die letzten Abgleicharbeiten auf die vorgesehenen Werte besonders genau selbst vornehmen muss. Zu bedenken ist dabei, dass man solche analogen Filter auch für zwei Kanäle möglichst identisch hinbekommen sollte, damit die Stereobasis frequenzstabil erhalten bleibt.
Dies übrigens war eines der zentralen Probleme der Antialiasing- und Rekonstruktionsfilter der ersten CD-Player-Generation, die als steiflankige, rein analoge Filter ausgelegt waren und einen beachtlichen Aufwand beim Ausmessen erforderten. Es war daher klar, dass die hersteller und schnellstens das Oversampling und die digitalen Filter schmackhaft machen mussten: Das analoge Filter im Ausgang konnte dabei nämlich wesentlich einfacher ausgeführt werden ....

Noch etwas: Da auch das Rauschverhalten von Metallfilmwiderständen besser ist, sollten namentlich im relativ hochohmigen Eingangskreis der Entzerrerverstärker ausschließlich Metallfilmwiderstände Verwendung finden.

Hans-Joachim
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#11
Hallo Hans-Joachim,

folgendes zu den Zeitkonstanten der "Neuzeit" habe ich noch in meinen Unterlagen gefunden.

[Bild: Zeitkonstanten.jpg]

Gruß
Jürgen

Nachtrag: Quellhinweis
Zur Theorie der Schallplattenentzerrung
Andreas Hünnebeck
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#12
Hallo nochmal.

Ich habe nun mehrere Schaltpläne auf mich wirken lassen und versucht die Abhandlung von Andreas Hünnebeck zu verstehen. Dort steht ja eigentlich alles drinn.
Nun habe ich aber eine Sache noch nicht recht verstanden, warum kann man die eine Zeitkonstannte von 318uS bei der Wiedergabeentzerrung einfach weg lassen?

Bei den Schaltplänen die ich gefunden habe werden oft nur 2 Zeitkonstanten entzerrt.
Nämlich die besagten 3180uS und eine 2. bei etwa 80uS.
Sind die Auswirkungen der 318uS Zeitkonstante beim Schneiden durch die Schallplatte systembedingt kompensiert oder sind sie so gering das man im Widergabeentzerrer keine Rücksicht darauf nehmen muss? Oder habe ich etwas falsch verstanden?

MfG Matthias
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#13
Du siehst das richtig: Man kann diese dritte Zeitkonstante im mittleren Frequenzbereich, die dort eine gleichmäßige Steigung erzielen soll, fortlassen, ohne dass es zu gravierenden Veränderungen des Klangbildes käme. Das macht die Ausmessung des Filters billiger und einfacher. Wenn du nur mit zwei Konstanten arbeitest, erzielst du einen Wendepunkt in der Funktion, sonst sollte tendeziell eine Gerade bewirkt werden. Dass das auch nicht rennt, siehst du an der von Jürgen dankenswerterweise geposteten Grafik oben.

Ich berichtete oben, dass Schallplattenüberspielungen wenig mit CD-Überspielungen zu tun haben, wir also gut daran tun, in diesen Zusammenhang 'digitalistische' Forderungen (die High-Ender-Szene ist groß darin) an das analoge Objekt zu vermeiden. Bitte um Vergebung, denn ich schreibe dies nicht das erste Mal hier, dennoch wird es nicht jedem Leser gefallen: Die Platte, die Emil Berliner noch heute als 'sein Ding' identifizieren würde, ist ein schlimmer Speicher, voll von Problemen, Engpässen und Mängeln.

Umso faszinierender ist für mich, was schließlich via elektrischer Aufnahme, Füllschrift, optimierter Ver-/und Entzerrung, LP, Tiefenschriftlimiter, Tracing-Simulator und DMM herauszuholen war. Und: Wir hören teilweise recht hochwertig in das Lebensgefühl längst vergangener Tage hinein. Wenn das nichts ist! Dennoch: Die Platte kann keine CD sein.

Die oben angebenen Werte sind das, was die Überspielapparatur macht, wozu aber neben den Eingriffen des Überspieltechnikers weitere automatische Korrekturen kommen, die erforderlich sind, weil z. B. die Rillengeschwindigkeit nicht konstant ist. Macht man sich diese Vorgänge klar, konstatiert die Tatsache, dass man derlei schlicht nicht oder bestenfalls kaum hört, ist die von dir oben angesprochene Kompromissentzerrung ein geringes Übel.

Baue einen solchen Entzerrer auf und miss via Tongenerator/Millivoltmeter/Oszilloskop [zur Vermeidung von Übersteuerungen] die Abweichungen seiner Korrekturkurve von RIAA und du weißt 'alles' zum bestenfalls zu erwartenden Frequenzgang. Bestimme noch den Klirrfaktor (K3), der im kritischen Bereich zwischen 100 Hz und 2 kHz unter 0,2 % liegen sollte. Ist das gewährleistet, bist du bereits besser als der Abtaster bzw. die gepresste Platte.

Miss dann einmal, was an Frequenzgang und Klirrfaktor von der Messplatte nach DIN herunterkommt, die du vielleicht besitzst. Dann relativiert sich allzu detailliertes Streiten um halbe dBs sicher noch einmal.

Was mich zudem immer wieder wundert, ist die Nonchalance, mit der man die nach wie vor bestehenden Lautsprechermängel übergeht, denn da sind wir ohne längere Perspektiven zum wirklich Besseren durchaus noch in ziemlich historischen Engpässen gefangen. Tricks gibt es auch da, aber diese bleiben ebenso solche wie die des Überspieltechnikers unserer LP.

Ach ja: Die berühmte EMT-Liste mit den historischen 'Entzerrungen von Schellacks' gibt auch und grundsätzlich nur zwei Korrekturpunkte an, was sicher nicht in allen Fällen die ganze Wahrheit ist. Es reichte dies aber selbst für Rundfunkzwecke früherer Tage hin, als man sich daselbst noch ziemlich 'hatte', wobei ich heute ebendort Schellacks meist via RIAA höre, was nun fast immer überhaupt nicht angehen kann.

Hans-Joachim
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#14
Hier ein praktischer Hinweis zum Thema Schellack-Entzerrung:

http://www.theimann.com/Analog/Misc_Tech...index.html
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#15
Hallo Hans-Joachim.

Zitat:PhonoMax postete
Du siehst das richtig: Man kann diese dritte Zeitkonstante im mittleren Frequenzbereich, die dort eine gleichmäßige Steigung erzielen soll, fortlassen, ohne dass es zu gravierenden Veränderungen des Klangbildes käme.
Dann bin ich ja beruhigt. Es bleiben also nur die 2 Zeitkonstanten über, die ausserdem noch gleichlich als Tiefpass behandelt werden.
Das macht die Sache überschaubar.

Zitat:Die Platte, die Emil Berliner noch heute als 'sein Ding' identifizieren würde, ist ein schlimmer Speicher, voll von Problemen, Engpässen und Mängeln.
Nun, wie ihr wisst bin auch ich kein Schallplattenfan.
Allerdigs stehen hier noch einige Schallplatten (klassische Musik aus Mutters Schallplattenschrank) rum und die möchte ich, sofern ich mal interesse daran bekommen sollte, bestmöglich auf CDs bringen.

Nun kamen folgende Gegebenheiten zusammen:
Ich bin die Woche krankgeschrieben, reibe regelmässig mein schmerzendes Ärmchen mit einem Zeug ein das genau so aussieht und riecht wie Uhu Alleskleber (Hm...?!) und weis nicht was ich nun sinnvolles tun soll.
Da kam mir mein Micro Seiki Schallplattenapparat in den Sinn.
Er hat für den Direktantrieb ein Netzteil für symetrische Versorgungsspannungen eingebaut. Ausserdem hat er ein "Klemmbrett" wo direkt die 4 Drähte aus dem Tonarm aufliegen. Das brachte mich auf folgende Idee:

Das Signal das vom TA kommt ist von extrem kleiner Spannung und ebenso extremer Hochohmigkeit. Schlecht!
Was macht nun der Highender damit:

Er leitet dieses winzige Signalchen über lange aber vorgoldete Kabel mit handgeflochtener Abschirmung und mit Platinsteckern zu irgendeiner Phonostufe die ebenso mit Edelholz und Gold bespickt ist wie eine Schatztruhe aus dem Märchen.
Durch die Röhrenbestückung glimmt diese auch noch so wie Aladins Wunderlampe.
Aber die Signalführung ist eher lang und vor allem Asymetrisch.
Schlecht!

Nun kam ich auf die Idee dasz das Signal aus einem Tonabnehmer eigentlich danach schreit mit einem Differenzverstärker verstärkt zu werden, damit man das ganze hochohmig und trotzdem störarm machen kann. Und zwar so nah wie möglich am Tonabnehmer, also praktisch direkt unter dem ende des Tonärmels.

Da besagter Micro Seiki Apparat bereits alle Bedingungen erfüllt (Klemmbrett mit Sym. Signal und Netzteil für Sym. Spannung) dachte ich mir, da bauste mal 'n Entzerrer direkt ein. Phonostufen in Verstärkern sind ja eh oft nicht so gut und blockieren ausserdem einen Eingang den man sinnvoller für CD-Player oder Magnetophon verwenden könnte. Ausserdem halte ich das Konzept der asymetrischen Übertragung eines solchen Signals für Murx.

Darum frug ich nun nach der adequaten Entzerrung.

MfG Matthias
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