Norddeutsche HiFi-Tage in Hamburg
#4
Moin, moin,

die Messe ist zuende und nach zehn Netto-Stunden Herumlaufens, verteilt auf zwei Tage, habe ich tatsächlich keine unmittelbaren Kauf-Zwänge entwickelt.

Verändert hat sich, im Vergleich zum vergangenen Jahr, dass nun fast flächendecken auf das Schlepptop als Zuspieler gesetzt wird. In geringer Menge kommen auch industriell hergestellte Stream-Dosen und analoge Plattenspieler zum Einsatz. Nur Dr. Schwäbe (Eternal Arts) hat seine Ferrograph Logic Seven immer dabei, mit der er Master-Bänder (Kopien) als Vorführmaterial verwendet.
Außerdem waren eine Nagra, eine Revox PR99 und eine Technics RS-1500 im Original (passiv herumstehend), sowie eine Revox im Katalog-Bild zu sehen. Bernhard hat zudem bemerkt: Cassette Decks waren nirgendwo (mehr) aufgestellt. Stimmt.

Nicht ganz so offensichtlich ist der steigende Einsatz von DSP in der Vorführung. Herr Martion, ein Boxen-Hersteller aus Berlin, bezeichnete sie, kurz vor Tore-Schluss, als "eierlegende Wollmilchsau", womit er zweifellos Recht hat. Allerdings frage ich mich, wo beim Einsatz digitaler Filterung usw. die Authentizität des analogen Ausgangs-Klanges bleibt; zugegebenermaßen hätte man (und hat man!) dieses auch schon generell bei der Einführung der Elektro-Akustik oder bei der Einführung der Bandmaschine im Mastering thematisieren können.

Es ist halt eine Frage, in wie weit die digitale Trickkiste in den künstlerischen Gestaltungsprozess eingreift und wie weit das der Verkäufer einer Anlage seinem Kunden verrät. So bietet beispielsweise Herr Martion seine Horn-Boxen inzwischen immer aktiv und samt DSP an. Andere Anbieter erklären immerhin noch, das sie die Vorführung mit digitaler Entzerrung vorgenommen haben. Wieder andere schweigen ob der verwendeten Trickkiste und haben selber auch keine solche im Angebot.


Die Zahl der Plattenspieler in den Vorführ-Räumen und im Angebot ist deutlich größer geworden. Dabei war der Dual CS-600 der kleinste Dreher, den man sehen konnte. Thorens, Clearaudio. Linn und Rega waren natürlich auch da, aber kaum wirklich zu sehen. Dafür stand in fast jedem Zimmer und an prominenter Stelle ein Riemen-getriebener Bolide. Und auch hier hat, im Vergleich zu den Jahren zuvor, die Zahl der Alternativen deutlich zugenommen. Aber nicht nur die Zahl: Ein (schenbar?) Masselaufwerk ist heute, samt Tonarm, schon ab ca. 1.400€ zu haben.

Ebenfalls in höherer Zahl, als in den vergangenen Jahren, waren Vollbereichs-Elektrostaten zu sehen. Und das inzwischen, nicht nur in den technischen Daten sondern hörbar!, mit integrierter Basswiedergabe.
Auf der anderen Seite scheint die Zeit der Boxen-Boliden endgültig vorbei. Nicht, das es keine Boxen mit viel Volumen gegeben hätte, aber die Gehäuse wachsen nicht mehr in die Höhe sondern sind, wie in den Siebzigern üblich, eher breiter und tiefer, als schlank und hoch. Die Titan Aurum war schon die "höchste"; ganz wertfrei gesagt.
So erklärte mir auch einer der Verkäufer, es brauche keine großen Gehäuse mehr. Das ließ sich vorführen.

Allerdings bleibt mir Halbgebildeten die Frage, ob alle Aussagen der anwesenden Entwickler und Verkäufer immer ganz ernst genommen werden dürfen. Denn so manch Klang einer teuren Box (oder der Kette davor) ließ. trotz DSP, "etwas" zu Wünschen übrig. Und das, für meine Ohren, unabhängig von Geschmacksfragen: Nasal ist nasal und für mich falsch.
Und wenn mir dann ein Anbieter einer deutschen Boxenmarke erklärt, man habe vor die größere 2-Wege Box einfach eine etwas ausladende Schallwand gesetzt, damit das voluminöse Gehäuse dahinter nicht so auffällt, während daneben die kleinere 2-Wege Box steht, bei der um die Chassis herum kaum Schallwand zu sehen ist und also die Schallwand-Reflektionen deutlich geringer sein müssen, als bei der mit vorgesetzer Schallwand, dann frage ich mich, ob es jedem Hersteller wirklich und in erster Linie um dem Guten Klang geht.
Aber diese Frage ist ja auch nicht neu.

Wer sich also durch alle sieben Etage geschleppt und in jeden Raum hinein gehört hat, der weiss, Boxen klingen unterschiedlich zueinander und zum Original. Egal ob sie im Paar fünfhundert oder fünfzigtausend Euro kosten und egal, ob das "Original" jemals analog geklungen hat.
Es bleibt also auch die Erkenntnis, wer "Hi-Fi" im Versand kauft und nicht zu Probe hört, und im Ergebnis ein Optimum erwartet, der ist immer noch dumm, egal was Versandhändler und Online-Anbieter erzählen mögen. Trotz der Existenz von DSP.

Die Hamburger HiFi-Tage, und die werden sich darin kaum von den Münchnern oder von den Neuwerkern unterscheiden, sind vor allem ein Spielfeld jener, die sich tatsächlich für Hi-Fi, was auch immer das sein mag, interessieren. Dementsprechend waren keine Raumklang-Lösungen mit mehr als zwei Boxen zu sehen oder zu hören (dafür aber mit weniger! aber ohne Raumklang). Preisliche "Einsteigerlösungen" waren karg und meist eher Design-Objekte, so beispielsweise aktive Lautsprecher-Tischlampen-Kombinationen mit Bluetooth-Übertragung (für's Licht?).
Hi-Fi ist also offensichtlich wieder raus aus dem Massengeschäft, ist also wieder da, wo es in den Fünfzigern und Sechzigern gewesen war. Und das ist ja auch nicht verwunderlich, wenn man sich das Produktions-Niveau heutiger Verbrauchsmusik anhört.

Übrigens werden all jene, die heute immer noch erklären, deutsche Hersteller der Siebziger wären blöd gewesen, weil die so breite Receiver gebaut hatten, endlich den Mund halten müssen. Denn heute sind auch englische, französische oder italienische Verstärker über-groß und passen auf kein Sideboard mehr.


Neben der neuen Generation finnischer Monitor-Boxen haben mir vor allem die vorgeführten kleinen Vollbereichs-Elektrostaten eines Duisburger Herstellers Spaß gemacht. Wahrscheinlich hätten mir auch seine Großen Spaß gemacht, aber die hat er 1. nicht vorgeführt und 2. sind die merklich teurer, was den Spaß bremst.
Lustig fand ich auch die Vorführung eines Distributors (?), der aus Manger und Abacus eine aktive 2-Wege Boxen-Kombination samt DSP macht. "Lustig" wegen dem überzeugenden Klang bei gleichzeitig eigenwilliger technischer Umsetzung der vorgeführten Version.

Tschüß, Matthias
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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[Kein Betreff] - von Matthias M - 02.02.2014, 18:18
[Kein Betreff] - von Matthias M - 08.02.2015, 22:21
[Kein Betreff] - von beko - 18.01.2016, 00:22
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[Kein Betreff] - von mash - 08.02.2016, 10:19

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