Teure Geräte Ende der 70er Jahre
#1
Mir ist etwas aufgefallen: Ende der 70er Jahre sind alle HiFi-Hersteller geradezu durchgedreht was Wertigkeit, Ausstattung und Preis der Topgeräte angeht. Auf Bandmaschinen bezogen gab es z.B. völlig unerwartet die ersten Grossspuler von Grundig, ASC und Uher. Die Japaner bauten Bandmaschinen, die man kaum noch tragen konnte, z.B. die Sony TC 765 oder die Teac 7300. Bei Lautsprecherboxen, Verstärkern, Tuner usw. sah es nicht anders aus.

Wenn man bedenkt, daß etliche deutsche Firmen bereits mit dem Rücken zur Wand standen, wie ist dieses Verhalten zu erklären? Hat sich das alles nur aufgeschaukelt und fand seinen Höhepunkt um 1980 oder sehe ich hier etwas, was gar für andere gar nicht nachvollziehbar ist (also der berühmte Holzdampfer)?
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#2
Zumindest im Falle von Uher und ASC kann ich die Entscheidung, noch mal Großspuler auf den Markt zu bringen, durchaus nachvollziehen. Beide Firmen lebten mehr oder weniger ausschließlich von der Bandtechnik - die Situation war also eine andere als die bei Saba und Telefunken, die einfach die Bandmaschinen-Produktion an den Nagel hängen und sich auf ihre anderen Produktsparten konzentrieren konnten.

Andererseits hatte sich das Kaufverhalten bei Bandgeräten aber verändert. Statt einfachen Koffer-Bandmaschinen wurden im unteren Preissegment nun Cassettenrecorder gekauft. Dieser Markt war von so vielen, teils schon sehr effizient produzierenden Anbietern umkämpft, daß Mittelständler wie ASC und Uher wohl schon absehen konnten, daß vom Kuchen für die nur die Krümel übrig bleiben würden. Die einzige Überlebenschance war also, sich auf das augenscheinlich ruhigere, aber nach wie vor einträgliche Geschäft mit größeren und hochwertigeren Bandmaschinen zu verlagern.

Was mir dagegen nach wie vor ein Rätsel ist, sind die "silbernen" Philips-Modelle, die ja erst in den 80ern auf den Markt kamen. Warum die Holländer dieses Risiko eingegangen sind, anstatt die damit verbundenen Entwicklungskosten z.B. in den gerade stark wachsenden und erfolgversprechenden Video-Bereich zu investieren, kann ich mir nicht erklären.
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#3
Interessanter Aspekt, das ist nachvollziehbar. Offen bleibt jedoch die grundsätzlich Frage, warum damals alle so gepusht haben, auch bei Verstärkern usw. Schaut man sich die teilweise erbärmlichen Nachkommen an...

Philips' Strategie ist nachvollziehbar. Mit der 4504-Reihe hatte man einen Millionseller in die Welt gesetzt. Was sich so gut verkauft, hat auch einen Markt, dachte man. Die Entwicklung dieser Geräte passierte wohl schon in den 70ern, als es für die 4504-Derivate noch einen guten Markt gab. Anfang der 80er brach dieser vermutlich Dank des neuen Dolby C total weg.
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#4
Zitat:highlander postete
Philips' Strategie ist nachvollziehbar. Mit der 4504-Reihe hatte man einen Millionseller in die Welt gesetzt. Was sich so gut verkauft, hat auch einen Markt, dachte man.
Auch Ende der 70er Jahre war absehbar, daß die Zukunft der Bandtechnik die Cassette ist. Letztendlich ist der Markt für Bandmaschinen dann durch Dolby C und verbesserte Bandsorten etwas schneller als gedacht zusammengebrochen, aber grundsätzlich war die Entwicklung absehbar.

Philips hatte damals mit der "schwarzen" Baureihe Bandmaschinen im Programm, die insgesamt noch zeitgemäß waren und mit ein paar kleineren Überarbeitungen an der Optik und Cinch-Anschlüssen (Klinke gab's ja zum Schluß bereits) durchaus noch fit für die 80er Jahre gewesen wären. Der Aufwand, auf der gleichen Basis einen Großspuler zu konstruieren, wäre vermutlich auch vergleichsweise gering gewesen. Für mich hätte es auf der Hand gelegen, wenn Philips es dabei belassen hätte (so wie Revox, Teac und Tandberg, die bis in die 90er Jahre Bandmaschinen-Modelle angeboten haben, deren Technik weitestgehend aus den 70ern stammte) . Daß allerdings mit den praktisch komplett neu konstruierten 7150. 7300 und 452x ohne ersichliche Notwendigkeit noch mal kräftig in ein sterbendes Marktsegment investiert wurde, leuchtet mir nicht ein.

Ähnlich sieht's bei der Akai GX-77 aus, die ungefähr zeitgleich vorgestellt wurde und in der Entwicklung auch einen Batzen Geld verschlungen haben dürfte.
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#5
Akai dürfte ein anderer Fall sein. Akai ist Tonbandspezialist gewesen und bot lange Zeit auch gar nichts anderes an, also sozusagen ein Fall wie UHER. Daß es einen Markt gegeben haben muß, sieht man an den vielen GX 77 bei eBay.
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#6
Umsatz ist eine Sache, Gewinn eine andere. Die GX-77 fällt im Akai-Programm völlig aus dem Rahmen - sei es durch Chassis, Gehäuse, Bandführung oder das Laufwerk mit drei Gleichstrommotoren. Die Entwicklungskosten dürften immens gewesen sein. Dazu kommt das Problem, daß Akai die GX-77 aus marktpolitischen Gründen deutlich billiger als die GX-646 anbieten mußte, obwohl sie in der Herstellung wahrscheinlich teurer war. Auch wenn sie sich offenbar recht gut verkauft hat: Ich kann mir schwerlich vorstellen, daß dieses Gerät in gerade mal drei Jahren seine Entwicklungskosten eingespielt hat.

[Bild: meinegx77undich.jpg]
(Weil's gerade so schön passt: Meine GX-77 und ich, anno 1992.)
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#7
Vielleicht gibt es für dieses Problem einen ganz anderen Grund: die Pioneer 707 und ihre Vorgängerin. Die 707 war in den USA außerordentlich beliebt, daß zeigen eBay.com und die amerikanischen TB-Foren. Und das könnte Herrn Akai ziemlich gewurmt haben...
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