Der Kassettentest. Heute: SHX 60 Cobalt
#1
Hallo,

weil ich einfach wissen wollte, was dahinter steckt, habe ich letzte Woche ein paar der SHX-Kassetten von Tyrolis Advanced Media Products in Österreich bestellt. Bei 1,49 € pro Stück (C-60) ist der Verlust wohl zu verschmerzen... Heute sind die Kassetten angekommen und wurden sofort einem Testlauf auf meinem Pioneer CT-959, verbunden mit dem CD-Player Technics SL-PS 740A, unterzogen.
Aber zunächst zu den Äußerlichkeiten.
Die Kassetten kommen in einer normalen Klappbox, eingeschweißt in Klarsichtfolie. Auf dem Einleger befinden sich Angaben wie "Position IEC Type II High/Low Noise/High Output/High Precision Cassette Mechanism", sowie "Made in Austria by TYROLIS..."

   

Nach dem Öffnen findet man einen Bogen mit vier Klebeetiketten (bei einer waren zwei Bögen drin) und einen normalen Einleger, dessen Innenseite zum Eintragen des Bandinhalts liniert ist.

   

Die Kassette selbst besteht aus Klarsicht-Kunststoff, der leicht violett/rauchfarbig eingefärbt ist. Im Inneren befindet sich ein relativ kleiner Bandwickel, der darauf schließen lässt, dass hier eine Bandsorte konfektioniert wurde, die eigentlich für C-90-Kassetten gedacht ist. Zwei durchsichtige Gleitfolien erleichtern dem Wickler die Arbeit.
Die Kassette ist fünffach verschraubt und trägt hinter der Andruckfeder mit Filz ein anständiges Abschirmblech. Die Bandwickel lassen sich leichtgängig drehen.

           

Alles in Allem ist optisch nichts Besonderes festzustellen. Kein hochwertiges "Antiresonanz-Gehäuse", aber eine ordentliche Ausführung. Das in der Kassette sichtbare Tape ist von nahezu schwarzblauer Färbung. Was bei näherer Betrachtung noch ins Auge fällt, ist die Bedruckung der Kassette:

       

Made in Austria? Na, da ist wohl eher die Verpackung gemeint. Das Tape scheint aus Uganda in Ostafrika zu stammen. Aber egal. Wenn die Qualität einigermaßen stimmt, soll mir das wurscht sein!

Also ins Deck damit. Ich teste es zunächst mit der Einmessung für TDK SA; einer der meistverwendeten Quasi-Standards. Das Ergebnis ist schlecht: Der Pegel hinter Band ist etwa 2 dB niedriger, die Höhenwiedergabe völlig überzogen. Es rauscht vernehmlich, es "dropt out" und es klirrt. Das hört man schon bei einem Musiksignal. Umso deutlicher werden diese Mängel, wenn man ein 400 Hz Sinussignal einspeist. Na gut, man kann die SHX also offenbar nicht auf Decks benutzen, die auf das TDK SA, bzw. das hierzu dienende IEC II-Referenzband BASF U 564 W, eingemessen sind. Der Aufdruck mit dem IEC II ist damit schon mal gelogen.
Ich starte also die Einmessprozedur und staune: Der Biassteller muss fast an den rechten Anschlag gedreht werden (4 von 5 Uhr), der Pegelsteller etwa auf 3 Uhr. In dieser Einstellung ist der Pegel Vor-/Hinterband gleich. Der Hörtest ergibt, dass der 400 Hz-Sinus nun sauberer tönt als zuvor, aber der Klirrfaktor ist immer noch erheblich! Während man mit einer Sony UX-S oder TDK SA bei korrekter Einmessung erst nahe 0 dB ein zunehmendes Klirren wahrnimmt, das aber erträglich ist, hört man bei dem österreichisch-afrikanischen Medium schon ab -10 dB ein deutliches Klirren im Sinus, das sich bei höherem Pegel nur unwesentlich verstärkt. Wirklich schlimm wird es erst bei mehr als +6 dB.
Das bei dem auf TDK SA eingestellten Gerät mit der SHX überdeutliche Bandrauschen nimmt bei korrekter Biaseinstellung doch etwas ab, erreicht dabei aber nicht ganz ein Niveau, das mit einer "Qualitätskassette" vergleichbar ist. Die Aussteuerung würde ich tunlichst unterhalb +4 dB halten.

Der Musikaufnahme-Test ergibt einen über Band erfreulichen Frequenzgang, der wirklich kaum vom Vorbandsignal zu unterscheiden ist. Vielleicht sind die tiefen Frequenzen eine Spur zurückhaltender, aber das liegt dann sicher im Bereich um 1-2 dB. Es sind gehörmäßig auch keine Senken oder Dellen in der Kurve zu merken, das Tape klingt mit oder ohne Dolby prinzipiell einwandfrei und neutral! Bei Aufnahmen von Sprache ist allerdings dann doch der erhöhte Klirr zu hören, der bei einem Musiksignal aber nur bei sehr empfindlichen Ohren (die ich nicht habe) wirklich auszumachen ist.
Ich habe dann eine komplette Kassette mit diverser Rock- und Popmusik ohne Dolby bespielt und sie hinterher abgehört. Irgend welche Dropouts oder Pegelschwankungen, die auf Fehler der Bandbeschichtung zurückzuführen wären, habe ich dabei nicht festgestellt.

Die Aussage "Low Noise/High Output" ist hier jedenfalls eindeutig ziemlich unbegründet aufgedruckt worden.

   

Zusammenfassend kann ich sagen, dass das Band seine Einsneunundvierzig wert ist, sofern man ein Deck mit Einmessmöglichkeit besitzt und nicht gerade unwiederholbare Liveaufnahmen damit anfertigen will. Ein einfacher Recorder oder ein Zweikopfdeck ohne Möglichkeit auf Vormagnetisierung oder Aufsprechpegel Einfluss nehmen zu können, wird mit dem verwendeten, unempfindlichen Chromsubstitut-Band wohl nicht recht klar kommen!
Für Hintergrundmusik oder Autobeschallung (sofern noch jemand ein Kassettenteil im Auto hat?!), vornehmlich mit "leichter" Musik ist die SHX mit Einschränkung zu verwenden, wobei natürlich die Eigenschaften des Gehäuses bei Hitze noch fraglich sind. Auf einer Punkteskala von 0 bis 10 würde ich der SHX mechanisch 8 und magnetisch 4 Punkte verleihen.

Ich habe sie nun getestet. Und ich muss sagen, ich brauche sie nicht wirklich! Zu sehr muss man den Recorder aus dem normalen IEC II-Arbeitspunkt verdrehen.
Ich bleibe lieber bei meinen Vintage-Kassetten von Sony, TDK und Maxell, von denen ich Gott sei Dank auch noch ein paar Kartons fabrikneue Exemplare besitze... thumbsup

Gruß
Holgi

P.S.: Nach Internetrecherche hat sich ergeben, dass die Dinger womöglich doch in Österreich hergestellt werden. Die Firma Tyrolis besitzt dort ein Werk für Kassettenfertigung. Vielleicht sind die Kassetten FÜR Ostafrika produziert worden, wer weiß!? ?(
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#2
hannoholgi,'index.php?page=Thread&postID=164329#post164329 schrieb:Made in Austria? Na, da ist wohl eher die Verpackung gemeint. Das Tape scheint aus Uganda in Ostafrika zu stammen.

Glaube ich nicht. Da steht "Made in Austria" und "Distributed by (...) Uganda". Ich deute das eher so, daß die Kassetten in Österreich eigentlich für den afrikanischen Markt hergestellt wurden, wo sie dann eben von dieser Firma Dawi Enterprises vertrieben werden. Was ja insofern Sinn machen würde, als daß Afrika ist inzwischen einer der Hauptabsatzmärkte für Kassetten ist.

Warum Kassetten für Afrika allerdings in einem Hochlohnland in Europa hergestellt werden, kann ich mir auch nicht so recht erklären.
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#3
Zum gleichen Thema habe ich gerade ein "P.S." angehängt! Du hast wahrscheinlich recht.
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#4
Danke auf jeden Fall für den Bericht. Ich benutze zwar keine Kassetten mehr, aber finde die Entwicklung (man könnte auch sagen: die letzten Zuckungen) des Marktes ziemlich spannend.

Mich würde noch interessieren, wo das Bandmaterial herkommt. Tyrolis selber wird ja wohl keine Bandproduktion haben. Deiner Beschreibung nach scheint es aber auch nicht das zuletzt verbreitete Typ-II-Material von Samsung zu sein. Produzieren die Chinesen noch Chromsubstitut?
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#5
Hallo Holgi,

auch meinen Dank für den Bericht.

Kannst Du Deine Aussage:
"Na gut, man kann die SHX also offenbar nicht auf Decks benutzen, die auf TDK SA eingemessen sind. Der Aufdruck mit dem IEC II ist damit schon mal gelogen."
Noch mal überdenken?
Wieso ist der Aufdruck IEC II damit gelogen?

Viele Grüße
Volkmar
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#6
Hallo,

Wenn ich den Test so lese kommt mir das bekannt vor ich habe mir interessehalber vor ca. 3 Jahren ein Paar Fuji DR II im Extraslim Case in nem Saturn markt gekauft meine Ergebnisse sind ähnlich das Band ist Bassarm und verzerrt relativ früh.

Siehe auch: Cassetten-Schätze, Teil 6 Post 32

mfg 8)
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#7
Wickinger,'index.php?page=Thread&postID=164352#post164352 schrieb:Kannst Du Deine Aussage:
"Na gut, man kann die SHX also offenbar nicht auf Decks benutzen, die auf TDK SA eingemessen sind. Der Aufdruck mit dem IEC II ist damit schon mal gelogen."
Noch mal überdenken?
Wieso ist der Aufdruck IEC II damit gelogen?

Hallo Volkmar,

nein, das möchte ich nicht mehr überdenken, denn es stimmt. Die IEC II-Parameter, die sich seit Ende der 80er des vorigen Jhd. nach einem Kobalt-dotierten Eisenoxidband mit den weitgehenden Eigenschaften der TDK SA richten, werden von dieser SHX-Kassette nicht annähernd eingehalten.
Damit kann man sie praktisch auf einem Gerät, dass korrekt nach IEC II eingemessen ist, nicht mit ausreichender Qualität nutzen. Es geht nur, wenn man die nach dem IEC II-Referenz-Leerband (U 564 W (BASF), 1987) eingestellten Decks vollkommen "verkurbelt". Bias auf ca. +3 dB, Aufsprechpegel dito. Selbst, wenn ich nach dem alten IEC II-Standard einmesse, also mit einer BASF Chromdioxidkassette (Referenzband S 4592 A (BASF), 1981), klappt es mit diesem fernöstlich-afrikanischen (?) Ösiband gar nicht.

Und damit, so behaupte ich, ist die Angabe "IEC II" gelogen! thumbup

LG Holgi

Edit: Terminologie korrigiert. Bezugsband > Referenzband
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#8
garlock,'index.php?page=Thread&postID=164353#post164353 schrieb:ich habe mir interessehalber vor ca. 3 Jahren ein Paar Fuji DR II im Extraslim Case in nem Saturn markt gekauft meine Ergebnisse sind ähnlich das Band ist Bassarm und verzerrt relativ früh.

Dem schließe ich mich vorbehaltlos an. Gerade die schlechte Aussteuerbarkeit, bassarmut und Verzerrung machen das Band grds. unbrauchbar für jegliche halbwegs ernst gemeinte Aufnahmeversuche. Da ists dann auch nur ein schwacher Trost, dass das Gehäuse noch halbwegs brauchbar ist.

Viele Grüße

Arnd
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#9
Auf den Punkt getroffen !

mfg 8)
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#10
Ich muss mal wieder den schon arg strapazierten Zeigefinger heben. Das U 564 W ist ein Chromdioxidband, kein kobalt-dotiertes Eisenoxid-Band (da hat BASF allerdings mit der "TP II Reference Maxima", in der Tat einem kobalt-dotierten Eisenoxidband, ab März 1993 eine ziemlich naheliegende Verwechslungsmöglichkeit gebaut).

Und dann läuft die Sache nämlich genau umgekehrt: das TDK-SA-Band hat eben weitgehend die Eigenschaften dieses Referenzleerbands U 564 W (aber das ist auch kein Bezugsband …).

Mal aus der IEC 94 berichtet: U 564 W gehört zu den sogenannten "Primary Reference Tapes", also zu den magnetbändischen Urmetern (die sich beide allerdings auch immer wieder einmal an der technischen Weiterentwicklung orientierten). Es stand nun jedem Band-Hersteller frei, aus seiner eigenen Produktion ein "Secondary Reference Tape" auszuwählen, das aber, bittschön, in allen Kompatibilitäts-Parametern "haargenau" dem "Primary Reference Tape" zu entsprechen hatte. Diese Bänder benutzten dann Gerätehersteller zum fertigungsmäßigen Einmessen ihrer Produktion. Ich glaube, hierher kommt die (ad nauseam) verfestigte Meinung, japanische Recorder seien auf A, B, C oder sogar XYZ "eingemessen". Das stimmt eben nur bedingt (d.h. cum grano salis, aber damit auch genug der Bildungshuberei).

F.E.
ZEITSCHICHTEN, barrierefreier Zugriff im "GFGF-Buchladen", URL https://www.gfgf.org/de/b%C3%BCcher-und-schriften.html (ca. 240 MB)
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#11
Vielen Dank Friedrich, für deine Korrektur! Mit meinen "Liebhaber"-Kenntnissen habe ich das wohl nicht so ganz korrekt formuliert. Es ist jetzt in meinem Posting entsprechend geändert. Ich meinte es aber so, wie du es geschrieben hast. Der Ausdruck "Referenz-Leerband" war mir nur mit dem in diesem Fall inkorrekten "Bezugsband" durcheinander geraten :S ...
Latein kann ich leider nicht.

Gruß Holgi
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#12
http://de.wikipedia.org/wiki/Ad_nauseam

F.E.
ZEITSCHICHTEN, barrierefreier Zugriff im "GFGF-Buchladen", URL https://www.gfgf.org/de/b%C3%BCcher-und-schriften.html (ca. 240 MB)
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#13
es sind wohl einige dieser kassetten im netz zu finden, aber das scheinen wohl reste zu sein. denn bei tyrolis selbst scheint es keine kassetten mehr zu geben ...
Es grüßt, das :gear: .
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#14
In genau der gleichen Version, sogar bereits mit dem geringen Wickeldurchmesser, wurden die Cobalt SHX-Cassetten vor ca. 10 Jahren kistenweise billig bei eBay angeboten. Auch ich habe mir damals aus Neugier einen 10er-Karton für unter 10 Euro gekauft. Was also jetzt noch angeboten wird, ist wahrscheinlich gar keine aktuelle Produktion mehr, sondern nur Lagerbestand.

Das Gehäuse gab es auch bei den letzten in Dessau zusammengebauten Cassetten. Es ist das "ICM-Style"-Gehäuse aus China. Woher das Band in den Tyrolis-Cassetten kommt, da tappe ich leider im Dunkeln. Die Angabe auf der Tyrolis-Seite, man besitze eine hochmoderne Cassettenproduktion, bezieht sich wohl eher auf die Disziplinen Befüllen von Leergehäusen und Kopieranlagen. Magnetband und mechanische Komponenten werden und wurden dort eher nicht hergestellt. In Österreich muß es aber ein oder zwei Hersteller zumindest von Gehäusen gegeben haben. Zum einen hatte Philips bis Mitte-Ende der 70er ein Werk, zum anderen gab es in den 80ern mit Made in Austria beschriftete Cassetten unter verschiedenen Namen (z.B. Audio Star, Rotochrome) mit markanter Eigenkonstruktion, meistens in rauchglasfarbenen Transparentgehäusen. Beide haben aber mit den Tyrolis nichts gemeinsam.

Neben der Tyrolis Cobalt SHX gab es gleichzeitig auch eine Superferro HX im gleichen Design. Die habe ich damals leider verpaßt.

Viele Grüé,
Martin
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#15
Zeug wo Made in Austria draufstand gab es öfter, alllerdings bezog sich das teilweise wohl auf das Aufkleben der Preisschilder. Wirklich häufig findet man österreichische Bänder - abgesehen von Philips - hier absolut nicht.
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#16
Ragnar_AT,'index.php?page=Thread&postID=164602#post164602 schrieb:Wirklich häufig findet man österreichische Bänder - abgesehen von Philips - hier absolut nicht.

Österreichische Bänder von Philips? Meine waren immer "Made in Holland".
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#17
Bis hin zur folgenden Serie machen österreichische Philips-Cassetten gefühlt ein Drittel der Gesamtmenge aus, die so im Laufe der Zeit bei mir vorbeikommt:

http://www.vintagecassettes.com/philips/...ips75e.htm

Aus späteren Serien kenne ich allerdings keine mehr mit der Aufschrift Made in Austria. Stattdessen kamen dann die belgischen hinzu.

Viele Grüße,
Martin
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