Bandzug bei A77 erhöhen (PLAY) ?
#1
Habe eine A77 4-Spur.

Das Problem ist, dass sich gegen Bandende die Drop-Outs mehren und der Klang "weniger stabil" wird. Bei einer Überprüfung mit NF-Generator am Eingang und Oszi am Ausgang im Monitor Betrieb sieht man das dem Sinus auch deutlich an. Die Ausgangsspannung ist dann nicht mehr so schön stabil wie am Bandanfang. Wenn ich nun die Abwickelspule mit der Hand Bremse - also den Bandzug erhöhe - verschwindet das "zittern".

Hat jemand eine Idee wie ich den Bandzug erhöhen kann oder woran das liegt?
Die Köpfe sind Fabrikneu (2001) und sie ist auch erst 2002 eingemessen worden.

Meine Idee wäre nun die Spannung des Abwickelmotors zu erhöhen. Laut Servicehandbuch soll die bei 49V liegen. Wenn ich nun den Motor am Trafo vom 6V auf den 0V Abgriff umlege bekommt der Motor die vollen 55V Spannung. Damit erhöht sich auch der Bandzug und das "Zittern" verschwindet. Auch die Drop Outs sind dann kein Problem mehr, selbst mit älteren Bändern. Aber ist das eine praktikable Lösung? Wohl eher nicht, oder? Der höhere Bandzug führt doch bestimmt zu erhöhtem Kopfverschleiss. Wie sieht's dann mit Banddehnung aus?
Momentan betreibe ich sie probehalber mit diesem Umbau bin mir aber nicht ganz klar welche Probleme ich mir damit einhandle.

Dazu muss ich noch sagen, dass die Motorspannung im Betrieb in Originalschaltung auch nicht bei den empfohlenen 49V liegt, sondern bei ca. 45,5V unter Last. Ist das normal, dass die Spannung soweit zusammenbricht? Oder hat der Trafo 'ne Macke? Nach dem Umbau liegt die Spannung bei ca. 51V unter Last, also näher an den Vorgaben lt. Servicehandbuch.

Ausserdem habe ich die rechte Bandführungsrolle gegen ein Kugellager ausgetauscht. MbM nach sollte das aber eigentlich keinen Einfluss auf den Bandzug haben, da das Lager ja erst nach Andruckrolle und Capstan kommt. Einziger Nachteil den das Lager bringen könnte ist doch ein lockerer gewickeltes Band, wobei ich da bisher bei keiner A77 Probleme hatte.
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#2
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Wie steht der Netzspannungswähler? Ich hatte mal eine Revox in den Händen, wo der Besitzer vorsichtigerweise die Netzspannung auf 240 Volt eingestellt hatte. Da gab es dann etliche Probleme, auch das Umspulen war nicht so, wie es sein sollte.

Phonomax hat sich bereits zum Thema Spannung an den Wickelmotoren geäußert. Bei den ORF- Versionen ist seiner Aussage nach die Spannung wohl etwas höher, auch um den Betrieb mit freitragendem Wickel zu ermöglichen.

Grundsätzlich ist die A77 gegen Ende des Bandes nicht ganz frei von den von Dir beschriebenen Problemen, auch der Gleichlauf wird auf den letzten Metern nicht unbedingt besser. Hier kann aber schon die Andruckrolle Schuld sein, reinigen und ggf. mit feinem Schmirgel leicht aufrauhen.

Was das zweite Kugellager im Bandpfad angeht, gehen die Meinungen sehr auseinander. Oft wird angeführt, dass sich Studer ( wie eigentlich immer) etwas dabei gedacht habe. Andererseits hat die mit der B77 verwandte PR99 ab Version MkII auf der rechten Seite ein Lager in Form des Aufnehmers für das Zählwerk.

Frank ( darklab )

PS (editiert) Die PR99 hat allerdings auch rechts einen Fühlhebel, der seinerseits für eine gewisse Reibeung sorgt. Bei den ersten A77 fehlte links dieser Hebel, erst ab MkII kam der Hebel in die Serienfertigung.
Frank


Wer aus dem Rahmen fällt, muß vorher nicht unbedingt im Bilde gewesen sein.
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#3
Lieber David,

das geht und wurde auch von Revox selbst bei der A77ORF gemacht, die für Studiobandmterial entsprechender Sperrigkeit gebaut war. Auch wenn ich darüber schon einmal 'verhandelt' habe, folgt hier eine Kurzfassung dessen (schaun wir 'mal...):
Man nahm für die Bandzugerhöhung zum einen die Spannungszuführung zu den Wickelmotoren von der 105-Volt-Klemme des Trafos und setzte sie auf die 130-Voltklemme um, wo sich bis dahin nur die Spannungszuführung für den Tonmotor befunden hatte. Der 105-Volt-Anschluss des Trafos bleibt also zukünftig frei. Weiterhin schaltete man in Betriebsartenschalterstellung <große Spulen> zum Hochlastwiderstand R 125 (1k2, 9W) einen zweiten Widerstand 1k2, 9W parallel, der beim Umschalten auf <kleine Spulen> abgeschaltet wird. Und das ist es auch schon. Die Wickelmotoren bleiben bitte auf dem 0- (rechts) bzw. 6-Volt-Niveau (links), weil auch dies nicht ohne Grund so ist. Wenn du deine Maschine auf 240 Volt umgeschaltet haben solltest, so kann ich das wegen der simplen Spannungsstabilisierung (wer benützte 1967 in Amateurgeräten stabilisierte Speisespannungen?) auch nicht empfehlen, da die Brummunterdrückung dann vielleicht nicht mehr ausreicht.
Damit (240 Volt) wäre überdies das 10 % niedrigere Wechselspannungsniveau erklärt. Sonst aber macht das nichts. Die gute Gleichspannung wäre aber wichtiger. Bei meinen zwei A77ORF konnte ich -solange sie im allerdings professionellen Betrieb standen- keinen signifikant erhöhten Kopfverschleiß durch den erhöhten Bandzug feststellen; eine dieser Maschinen ist noch heute in meinem Besitz und mit den ersten Köpfen betriebstüchtig. Meine Geräte funktionierten aufgrund meiner Verantwortlichkeit für Einmessung und Wartung immer tadellos, wobei ich auch DOLBY A einsetzte (ich habe vier Einschübe immer noch), dessen Ansprüche an eine tadellose Einmessung hoch sind.

Solltest du an originalen Schaltungshinweisen (Studer-Revox) in deiner Sache Interesse haben, schicke mir doch bitte ein Mail. Ich revanchiere mich dann mit den notwendigen PDFs.

Die Spannungsabweichungen spielen eine unbedeutende Rolle, gemessen an deinem Einbau eines zweiten Kugellagers, was von manchen Freaks ja glühend vertreten, von mir aber (und nicht nur mir...) zweifelnd gesehen wird. Deine Beobachtungen, die fortgeschrittene Einsichten vermuten lassen, belegen nun für mich erstmals am praktischen Beispiel definitiv, dass sich die an sich sehr guten Kopfträgereigenschaften der A77 (gemessen am minimalen Aufwand) hörbar schlechter werden, wenn dieses Lager eingebaut wird:

Eines der großen Probleme des Tonbandgerätes ist die Verstetigung des Bandzuges über den großen Bereich von der leeren zur vollständig gefüllten Spule bzw. umgekehrt. In diesem Bereich sollte der Bandzug vor den Köpfen immer möglichst konstant sein, damit der Aufzeichnungsvorgang (Abstandeffekt, Bandschwingungen vor den Köpfen etc.) immer ähnliche Bedingungen vorfindet. Abgesehen von der A700 war ein elektronisch geregelter Bandzug bei Amateuren bis in die 1970er Jahre hinein zu aufwändig, zu wenig beherrschbar und vor allem zu teuer, weshalb dieser bei Revox traditionell mit Reibungsflächen stabilisiert wird, was nebenbei namentlich dann besonders gut funktioniert, wenn bei Einlauf in und Auslauf aus dem Kopfträger je zwei Umlenkbolzen vorhanden sind, an denen das Band reibt. Folgerichtig hatten A- bis G-36, ja selbst noch die ersten A77 solche Unmlenkbolzenkonstruktionen, die übrigens unter den o.g. Voraussetzungen auch bei Cassettenrecordern besser wären als die oft in Cassetten vergebauten Umlenkrollen.

Nun, auch bei der A77 ging man von den Bolzen ab, wobei das Lager links und die Reibungsfläche rechts sicher nicht (primär) Ersparnis, sondern Teil eines Kopfträgerkonzeptes sind, das man nicht ungestraft verändert. Du hast nun einen relativ zuverlässigen Nachweis geführt. In jenem Lager findet sich also gewiss die primäre Ursache deiner Beobachtungen. Nimm' es wieder heraus, setze die originale Reibungsfläche ein, und die Kopfträgereigenschaften sollten besser sein.

Technisch kannst du dazu nachlesen:
Eduard Schüller, Die Technik der Magnettongeräte, in: Winckel, Fritz, Die Technik der Magnetspeicher. 1. Auflage. Berlin etc. 1960, S. 126-171, hier bes. 135-142.

Zudem verfüge ich über deinen BASF-Text zu dieser Problematik bei Cassetten, wo -wie üblich- alles um mindestens eine Größenordnung dramatischer ist.

Hans-Joachim
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#4
Danke für die schnellen und kompetenten Antworten.

Ja, den Spannungswähler habe ich total übersehen, der stand tatsächlich auf 240V. Die Spannungsprobleme sind damit behoben.

Die Original Umlenkscheibe werde ich wohl doch wieder einbauen, ihr habt mich überzeugt. Allerdings ist mir der Zusammenhang der rechten Bandführung mit dem Bandzug an den Köpfen noch nicht ganz klar. Wird der denn nicht durch die Tonwelle sozusagen "entkoppelt"?
Das Lager habe ich eingebaut da mir der Bandabrieb an der festen Umlenkrolle ziemlich hoch erschien (und ich zufällig ein passendes hatte). Im Nachhinein lag das aber wohl eher an den Revox Bändern die ich damals mit der Maschine bekommen habe. Inzwischen sind die aber in die Tonne entsorgt :-).

Trotzdem würde mich der Umbau auf die höhere Motorspannung der ORF Version interessieren, insbesonder mit dem zukünftig geplanten Einsatz mit offenen Wickeln. Wobei auch der Umbau auf die nur 6 V höhere Spannung für den linken Motor schon bessere Ergebnisse liefert.

David
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#5
@Hans-Joachim:

Es gehört zwar nicht hierher, aber sonst vergesse ich es wieder:

Ist dieser Fritz Winckel, von dem hier schon öfter die Rede war, zufällig identisch mit dem Verfasser von "Die Akustik der Geige" (50er/60er Jahre, Verlag Bernh. Friedr. Voigt)?

Gruß, Wolfgang
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#6
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Freitragende Wickel bei einer Viertelspurmaschine halte ich nicht für eine gute Idee. Zum einen ist der im Amateurlager übliche Senkrechtbetrieb nicht mehr gefahrlos möglich, zum anderen sind wegen der größeren Schmiegsamkeit Langspielbänder (d=35my) für Viertelspurgeräte die bessere Wahl. Langspielbänder mit für freitragenden Betrieb geigneten Wickeleigenschaften wie BASF / Emtec LPR35 oder Agfa PEM368 sind aber nur noch gebraucht zu bekommen.

Geeignete Standardbänder (d=50my) sind noch verfügbar, neigen aber auf Grund ihrer Steifigkeit im Viertelspurbetrieb gerne zu vermehrten Drop- Outs.

Ich würde, auch wenn es Studioflair im Wohnzimmer verbreitet, bei der A77 Viertelspur auf die Wickelteller verzichten und aus rein praktischen Erwägungen bei Langspielband und Spulen bleiben.

Frank ( darklab )
Frank


Wer aus dem Rahmen fällt, muß vorher nicht unbedingt im Bilde gewesen sein.
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#7
Ich habe ein paar Studobänder ohne Spulen, deswegen der Wunsch auch offene Wickel zu fahren. I.d.R. wird das eher selten vorkommen und dann selbstverständlich nicht im Senkrechtbetrieb. So verwegen bin ich nicht.
Gerade wegen der Studiobänder soll die Maschine ja auch eine etwas höheren Bandzug bekommen-. Evtl. auch umschaltbar. Dann sehe ich auch mit 1/4 Spur keine größeren Probleme.
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#8
für WZ1950 hier der Lebenslauf von Fritz Winckel, leider als Nachruf:


Am 13. August [2000] verstarb in Goslar im Alter von 93 Jahren Prof. Dr.-Ing. Fritz Winckel. Er gehoerte als Professor dem Institut für Musikwissenschaft der Humanistischen Fakultät und später dem aus dieser hervorgegangenem Fachbereich 1 an. Er vertrat das Fachgebiet „Naturwissenschaftliche Grundlagen von Sprache und Musik“, aus dem das jetzige Fachgebiet „Kommunikationswissenschaft“ hervorgegangen ist.
Er begründete, in einer gemeinsamen Aktion zusammen mit E. Thienhaus die Diplom-Tonmeisterausbildung in Deutschland (Thienhaus in Detmold, Winckel in Berlin in Kooperation mit der Hochschule für Musik), die noch heute mit hohem Standard besteht.
In den dreißiger Jahren war Winckel bei verschiedenen Firmen mit der Entwicklung von Kreiselsteuerungen sowie Ortungsverfahren für Flugzeuge befasst. Nach dem Krieg promovierte und habilitierte er sich bei Prof. Szabo in Physik und begann seine Tätigkeit an der TU Berlin als Privatdozent mit dem Schwerpunkt der Tonstudiotechnik. Seine Habilitationsschrift „Klangstruktur der Musik“ war viele Jahre ein wichtiges Kompendium der aufstrebenden Lehre der musikalischen Akustik.
Er betätigte sich ferner als Organisator mehrerer stark beachteter Vortragsreihen über Impuls- und Fernsehtechnik, die er außerdem als Sammelbände veröffentlichte.
Zwei ebenfalls von ihm editierte und weithin beachtete Sammelwerke „Technik der Magnetspeicher“ waren viele Jahre Standardwerke. Mehr als 300 in Fachzeitschriften veröffentlichte Artikel über Konzertsaalakustik, mehrkanalige Raumbeschallung, Kybernetik, technische Analyse von Musik- und Sprachsignalen zeugen von seiner regen Forschertätigkeit.
Manfred Krause

http://www.kgw.tu-berlin.de/KW/Studio/Winckel.html

P.S. Prof. Manfred Krause, Winckels Nachfolger an der TU Berlin, ist im letzten Jahr verstorben
ZEITSCHICHTEN, barrierefreier Zugriff im "GFGF-Buchladen", URL https://www.gfgf.org/de/b%C3%BCcher-und-schriften.html (ca. 240 MB)
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#9
Danke! Smile

Gruß, Wolfgang
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#10
Vorab einen freundlichen Willkommensgruß an Friedrich Engel, unseren Altmeister in magnetbandhistorischen Fragen, der ja schon manches Mal Topos unserer Diskussionen war. Meine Postings werden von nun an hoffentlich/vielleicht kürzer werden, weil seine Kanntnisse die meinen erheblich übersteigen....; außerdem bleibt zu hoffen, dass Sie, Lieber Herr Engel, uns über den Fortgang bei der Verlegersuche für Ihr magnum opus auf dem Laufenden halten, was sonst ja auch immer den Umweg über mich nahm.

Deine Frage, lieber Wolfgang, hätte schwerlich von einer kompetenteren Persönlichkeit beantwortet werden können, weshalb für mich eigentlich nichts mehr beizufügen bleibt, sieht man vielleicht davon ab, dass Manfred Krause Sachwalter des Nachlasses von Heinz Thiele war, der aber nun von der TU Berlin an das Deutsche Technik-Museum überstellt wurde.

Wenn schon die Welt klein ist, Szenen sind allemal noch kleiner.

Hans-Joachim
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#11
Lieber Hans-Joachim,

wegen einiger, wie ich meine, interessanter Zusammenhänge werde ich Dir eine Mail schicken!

Gruß, Wolfgang
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