Messbänder
#45
Lieber Andreas,

du rührst an einen durchaus nicht 'dezentralen Punkt' der Sache. Denn das von dir beschriebene 'Verfahren' mit der Lehre ist das ursprüngliche und ältere. Zum einen beachtete die RRG traditionell (nicht ohne Grund) und auf der ganzen Linie nur den Frequenzbereich bis 10 kHz, zum anderen gab es keinen über die Grenzen der RRG (und weniger Schallplattenversuche) hinausgehenden Bandaustausch; alle Geräte der jeweiligen Nutzer, also auch Reichspost -die hörte ja auch schon so gerne ab wie MAD, Pullach, CIA und FBI- und Wehrmacht (natürlich auch so'n dicker Nutzer...) gingen im Grund durch dieselben Hände, weshalb die Geräte sich nicht wesentlich unterschieden und auch nicht unterschiedlich behandelt wurden, solange es überhaupt um hohe Qualität ging. Bei RRG aber war dies wenigstens der Fall.

Und die stellten die Spaltlagen Bandgeräte zum einen unter dem Mikroskop, also optisch und mit Lehren ein, was zweifelsfrei Grenzen hatte, weil das Band, der Bandlauf, die betrieblichen Eigenschaften der Kopfträger in diesem Gesamtsachverhalt unberücksichtigt blieben.
Aber: Bis 10 kHz kam man ja immerhin (oft auch darüber hinaus). Schwieriger war es, überhaupt Bänder hinreichend konstanter Eigenschaften 'hinzubiegen': Irgendwann lieferten die Ludwigshafener einmal (vor 1943, denn im Juli '43 war dort ja die Fertigung ohne Kriegseinwirkung in die Luft gegangen) 2000 Bänder nach Berlin, von denen die RRG-Herrschaften dann großzügigerweise 200 Exemplare als nutzbar 'aussonderten', den Rest aber dankend als unbrauchbar gen LU zurücksandten. Lange Zeit konnte man zudem wegen unerklärlicher Qualitätsprobleme gar kein Band liefern, kurz, es herrschte 'kriegerisches Durcheinander'.

Dabei eine Charge zu gewinnen, auf die man sich beziehen konnte, daran war schlicht nicht zu denken. Vorher aber konnte man auch nicht an die Bezugsbandfertigung denken und unterließ das auch geflissentlich. Erste Wünsche nach Bezugsbändern kamen bei der RRG 1944 auf, als die RRG-Sendungsangebote praktisch ausnahmslos in Berlin erstellt und dann den jeweiligen Reichssendern in Bandgestalt geliefert wurden. Doch hatte man damals langsam etwas andere Sorgen denke ich mal.

Nach dem Krieg überwogen die natürlich auch noch, weshalb erste Bezugsbänder in der jungen ARD kursierten, um den Programmaustausch möglich zu machen. Das war etwa 1950/51. Ein solches Band vom November 1951 besitze ich. Die Entzerrung entsprach wohl weder der der RRG noch entsprach sie derjenigen von 1955. Im Bekanntenkreis tauchte in einem Altbestand des Tonstudios eines engagierten Amateurs ein Testband von 1946 auf, das zeigt, dass trotz allem 'irgendetwas' gelaufen sein muss; wie aber, das durchschauen wir heute noch nicht oder aber nicht mehr.

Das Einstellverfahren über das Band ist insofern das gegebene, als -wie oben schon angedeutet- Verstärker, Köpfe, Bandlauf und Band beim Aufzeichnungsverfahren eine Einheit bilden, die man ohne Probleme nicht auftrennen kann. Nachdem die 'Primär-' oder 'Ureichung' ja nicht mit einem Band, sondern optomechanisch und ähnlich aufwändig mit Spezialwerkzeugen für den elektrischen Gerätezweig durchzuführen ist, entstand ja dieser groteske Aufwand bei EMTEC (und Vorgängern) in der Bezugsbandfertigung, auf den ja unser Trolltester immer so prononciert hinweist. Die RRGler mussten für jede Messung am Kopfträger selbigen aus der Maschine pulen, untersuchen, einstellen, reinsetzen, schauen wie es geht; und wenn nicht, ging die Prozedur von vorne los, ohne dass man die Genauigkeit erreicht hätte, die mit dem Bezugsband möglich ist.

Auf einer Revox-Fotoserie konnte man erkennen, dass die Kopfträgereinstellung der G36 auf jeden Fall mit mechanischen Hilfswerkzeugen und einer Messbank erfolgte. Ein vergleichbares,wenn auch wensentlich simpleres mechanisches Tonkopf-Einstellgerät besitze ich für den B710 (Parallelität Kopfspiegel gegenüber Bandspiegel), was aber für ein Tonbandgerät nicht ausreichen kann.
Aus dem Textbestand in einem unserer AGFA-BASF-EMTEC-Schränke wissen wir, dass man der PTB in Braunschweig regelmäßig erstellte Messbänder (offenbar besoners dann, wenn die Anlage längere Zeit mal nicht gelaufen war, Jahreswechsel etc. pp) zur Prüfung übersandte, die dann mitunter auch als unzureichend zurückgewiesen und solange neu angefertigt wurden, bis die Messbandmaschine wieder qualitativ ausreichend 'da' war. Mit welchen Mitteln diese Zertifizierung bei der PTB erfolgte, wissen wir noch nicht. Aber das kommt auch noch als Licht. DIe PTB selbst hat nur eine etwas summarisch informierende Seite zu den Magnetspeichermedien, aus denen hierzu nichts Substanzielles abzuleiten ist. Vielleicht weiß DL2JAS etwas dazu.

Kurz also: Lehren wären möglich, sind aber bei hohen Anforderungen eigentlich nicht zureichend. Man muss sich ja nur einmal die bei den üblichen Bandgeschwindigkeiten 4,75, 9,5, 19 und 38 cm/s aufgezeichneten Wellenlängen zwischen 15 und 20 kHz klarmachen, um das Problem der Genauigkeitansprüche in der Größenordnung zu erfassen. Und dann sollen Messnormale an verschiedensten Orten zwischen Timbuktu und Simbach, Haitabu und Washington DC, Tacoma und "Kuala Lumpúr drunt'" hergestellt werden, die die jeweilig betroffenen Bandgeräte so einrichten, dass eben ein problemloser Programmaustausch nach Kenntnis weniger Grundtatsachen zwischen Haitabu und "Kuala Lumpúr drunt'" möglich ist. Das geht nur über kompromisslose Genauigkeit, damit nicht irgendein Weltteil irgendwann irgendwie abdriftet.

Heute ist das nicht mehr nötig, denn wir übertragen über Satellit, schneller, nach wenigen Jahren auch billiger und vor allem hochwertiger als mit Magnetbandversand rund um den Globus. Man denke zurück: Wie lange ist es her, dass die Rundfunkreporter sich noch in den Nachrichten-Magazinen über Kurzwelle oder Telefon hören ließen? Damit konkurrierte das Magnetband, das war die Szene, in der es seine internationalen Vorteile ausspielen konnte. Heute klingt der Reporter in Kobe genauso wie der in Tel Aviv, Salem, Oregon oder am Münchener Marienplatz.

Eine letzte Sache: Mechanische Messnormale sind bis heute sündhaft teuer. Ein Bezugsband dürfte daher um Größenordnungen (mehrere Faktoren 'zehn') billiger sein als ein vergleichbar präzises mechanisches Mesnormal mit der zugehörigen Arbeitsplatzausstattung. Die Entwicklung hat da also den sicher universell richtigen Weg zum Bezugsband genommen, das ja auch nicht nur einen Sachverhalt zu bearbeiten gestattet, sondern gleich all die, die für das Bandgerät von Bedeutung sind.
Wie wir aus unserem Dilemma herauskommen ist unsere Sache.

Hans-Joachim
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RE: Messbänder - von user-332 - 03.12.2004, 08:36
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