Neuankömmling mit altem Grundig
#1
Hallo Tonbandfreunde,

ich möchte mich euch kurz vorstellen:

Mein Name ist Tim, ich bin im fünften Lebensjahrzehnt, verheiratet, ein Sohn.

Als Kind hatte ich eine lockere Beziehung zu einem Tonbandgerät namens Grundig TK 220. Das Gerät hatte mein Vater Ende 1966 rechtzeitig zum Weihnachtsfest der Familie spendiert. Zwei Grundig-Bänder und etwa 1970 ein BASF-Band wurden angeschafft und bespielt. Nachdem Mitte der Siebziger das Gerät durch sehr lauten Lauf und eine defekte Andruckrolle Ärger machte, hat mein Vater diese Teile vom örtlichen Radiohändler bezogen und, sparsam wie er ist, selbst eingebaut. Es waren eine neue Rolle und irgendein Gummirad, zum Wechsel musste das ganze Gerät zerlegt werden. So jedenfalls die Überlieferung. Nachdem die Teile eingebaut waren, wurde das Gerät einige Jahre eingelagert und schliesslich hat er Ende der Siebziger das Grundig seinem Bruder, also meinem Onkel geschenkt.

Dort stand es viele Jahre unbenutzt, der Onkel hatte mit Tonbandgeräten rein gar nichts am Hut. Er hat es wohl nie benutzt. Wir dachten schon, es wäre weggeworfen worden.

Nun ist mein Onkel letzten Monat leider nach einer kurzen, schweren Krankheit verstorben. Als der Haushalt aufgelöst wurde, waren mein Vater und ich zum Helfen ebenfalls vor Ort. Mein Onkel wohnte mitten im Odenwald, das bedeutet eine längere Autofahrt, aus diesem Grund haben wir uns die letzten Jahre auch nicht oft gesehen. Zurück zum Thema: als der Keller entrümpelt wurde, tauchte im allerletzten Winkel ein mir noch wohlbekannter brauner Koffer mit anthrazitfarbenem Deckel und einem Grundig-Emblem auf. Das Tonbandgerät, an dessen Existenz schon keiner mehr geglaubt hatte, war tatsächlich noch da ! Ich bekam eine regelrechte Gänsehaut, es war ein seltsamer Augenblick.

Total verstaubt, entsprechender Kellergeruch. Spulen lagen auch noch drauf, die Schaumstoffpolster zerfielen beim Öffnen des Deckels zu Staub...

Die Papiere fanden sich im Arbeitszimmer, die beiden anderen Bänder ebenfalls. Sie lagen in einem Karton ebenfalls im Keller.

Phönix aus der Asche - das Tonbandgerät Grundig TK 220, ich konnte es kaum glauben.

Ich habe das Gerät behalten (dürfen), eigenartigerweise wollten die engeren Angehörigen (zwei Töchter und ein Sohn) das Gerät nicht haben. Sie wussten nicht einmal von der Existenz dieses Gerätes.

Da ich mich jedoch noch gut an das Tonband erinnern konnte und es ja mal meinem Vater gehörte, war klar, dass das Gerät seinen Lebensabend bei mir verbringen darf.

Ein erster vorsichtiger Funktionstest verlief ernüchternd, zwei Mal ist eine der beiden Sicherungen kaputt gegangen, die dritte hält bisher, das Gerät läuft und spielt auch. Es macht jedoch wieder den gleichen Radau, wie damals. Das Laufgeräusch war mir sofort wieder in Erinnerung. Aber es ist schon ein seltsames Gefühl, wenn man das Tonbandgerät, welches man seit Jahrzehnten auf dem Schrott vermutete, wieder laufen lassen kann, das Hören der alten Aufnahmen ist schon eine enorm großartige Sache und weckt reichlich Erinnerungen.

Um das Gerät wieder richtig hinzubekommen, brauche ich sicher eure Hilfe, bin jedoch zuversichtlich, dass ihr mir bestimmt gute Tipps und Hilfestellung geben könnt. Es liegt mir sehr viel daran, das Gerät wieder richtig gut hinzubekommen. Ich kann ja mal ein entsprechendes Thema eröffnen, wenn es recht ist.

Übrigens, meine Frau und mein Sohn halten mich für bekloppt, sie sind der Ansicht, dass ich das stinkende Teil lieber wegwerfen soll. Hat man so was schon erlebt ? Ich finde, das Gerät riecht - speziell wenn die Röhren das Gerät schön durchgewärmt haben - sehr angenehm. Erinnert mich auch an damals, als ich als Kind die Nase immer über das Lüftungsgitter über den Röhren gehalten habe und den Duft inhaliert habe. Vielleicht bin ich ja wirklich bekloppt...

Ich bitte um Nachsicht, wenn ich vermutlich doofe Fragen stellen werde, aber ich kenne mich nicht wirklich mit diesem uralten Medium aus.

Bis dann
Tim

Na, war ja dann doch eine etwas ausladende Vorstellung, zu lang ? Sorry.
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#2
Na, dann erst mal herzlich willkommen. :-)
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#3
Hallo Tim,

wunderbare Geschichte, die Du in Deiner Vorstellung geschrieben hast.

Vermutlich haben wir wie Du diesen Duft eingeatmet, und ich sage Dir, der macht süchtig.
Kein Mensch ist bekloppt, wenn er Tonbandgeräte liebt.Es ist das geilste Männerhobby überhaupt."Es" bewegt sich wie von Zauberhand und "es" spielt alles, was Du möchtest.

Und Frauen verstehen das nicht außer Laetitia, die hier angemeldet ist und selten schreibt.

Du hast Dich zum Glück im einzigen Forum angemeldet, in dem sich ein wirklich lebender Grundig-Experte heimisch fühlt, der wird Dir sicher helfen.
Momentan interessiert er sich für Ägypten:
(siehe Posting 121)

http://forum2.magnetofon.de/f2/showtopic...age#bottom

Der kennt sich auch damit aus, wie man die typische Frau ans Tonband heranführt.

Also bekommst Du hier die volle Packung, und dabei wünsche ich Dir ganz viel SpaßSmile

Gruß von Ralf
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#4
Sehr schön! Guten Abend.

Riechen am Lüftungsgitter...ein echter Fan.
Das gute Stück wird bestimmt wieder zum Leben erweckt werden können.

Drücke die Daumen

Gruß
Peter S.

(Fotos sind immer willkommen!)
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#5
Hallo Tim,

Herzlich willkommen hier im Forum.
Deine Geschichte mit dem Grundig TK 220 fand ich sehr schön. So kann's manchmal gehen. Ich würde an Deiner Stelle das gute Stück natürlich ebenfalls in Ehren halten. Schließlich hat es für Dich persönlich eine besondere Bedeutung.

Die Schwächen hast Du auch schon benannt. Im Wiedergabe-/Aufnahme-Betrieb verursacht das Gummirädchen, welches die Rutschkupplung für den rechten Spulenteller antreibt, ziemlichen Krach, weil der Gummi im Laufe der Jahre bzw. Jahrzehnte hart geworden ist. Um das Problem zu lösen, bräuchte man also ein neues Gummirädchen. Schon wäre wieder alles okay. Es liegt nur an diesem einen Rädchen.

Ich bedauere dies, insbesondere angesichts der Tatsache, dass die TK-220er-Serie eigentlich bis auf dieses Rädchen und die Andruckrolle sonst überhaupt keine Schwachstellen hat, der elektrische Teil selbst nach 46 Jahren (!) meistens immer noch völlig intakt ist und auch sonst nichts daran repariert werden muß. Bestes Beispiel hast Du uns hier geschildert, Dein TK 220 war über 30 Jahre lang unbenutzt, ohne Stillstands-Schäden zu bekommen. Das ist schon mal bemerkenswert und keinesfalls eine Selbstverständlichkeit, frage ruhig mal die Besitzer von Tonbandgeräten anderer Hersteller. Wink

Hinzu kommt, dass Dein Tonbandkoffer obendrein im feuchten Keller gelagert wurde, also in einer Umgebung, wo er überhaupt nicht hingehört und viele andere Tonbandgeräte wären spätestens deswegen längst ernsthaft beschädigt worden. Jedoch nicht Dein Grundig. (Defekte Sicherungen und zerbröselnde Schaumstoffdeckelpolster sind normal, dies betrifft früher oder später jedes Gerät dieser Baureihe.)

Kurz und gut:
Du hast ein grundsolides und zuverlässiges Tonbandgerät vor Dir, bestückt mit hochentwickelten Industriebauteilen, von deren Langlebigkeit Du dich bereits selbst überzeugen konntest. Die alten Tonbänder hast Du sofort wieder anhören können, war absolut kein Problem. Wenn Du dir das mal wirklich begreiflich machst, ist das schon ein kleines Wunder. Wir sehen jetzt knapp 50 Jahre später nochmal sehr eindrucksvoll, was für eine Bombenqualität damals tatsächlich geboten wurde.

Aktuell lieferbar sind der Gummiring für das Zählwerk (der wahrscheinlich gar nicht austauschwürdig ist - auch wieder ein kleines Wunder) und die Andruckrolle. Falls beim Abspielen von Tonbändern es hörbar "leiern" sollte, d.h. das Tonband nicht gleichmäßig transportiert wird und/oder das Tonband nach oben oder unten aus der Bandführung gedrückt wird, so ist die Andruckrolle zu ersetzen. Diese kann man glücklicherweise noch kaufen, falls nötig.

Hoffentlich bereitet Dir dein Grundig TK 220 trotzdem noch viel Freude - auch wenn es rattert wie ein Traktor. Big Grin

Wenn es doch zu sehr stört, mein Rat:
Ein neues Rädchen wirst Du kaum besorgen können. Alternativ könntest Du jedoch versuchen, auf die Lauffläche der unteren Spulentellerhälfte einen Gummi oder sonstigen geräuschedämpfenden Belag aufzukleben. Dieser Belag muß aber wirklich sehr gleichmäßig rundherum verklebt werden und sorgfältige Arbeit ist zwingend nötig, es dürfen weder Nahtstellen noch kleine Hügelchen entstehen. Wenn Du dich dieser Herausforderung gewachsen fühlst, kannst Du es ja mal probieren. Smile Viel Erfolg!

Viele Grüße,
Manuel
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#6
Zitat:burlimann postete
Ich bekam eine regelrechte Gänsehaut, es war ein seltsamer Augenblick.
Hallo Tim,

willkommen im Forum.

Wir hatten von Jahren schon mal so eine unglaubliche "Spätes und unverhofftes Wiedersehen mit längst verschollen geglaubten Tonbandgeräten"-Geschichte (siehe hier). Deine ist aber mindestens genau so bewegend. :-)

Ich wünsche Dir, daß Du die Grundig wieder hinbekommst und sie Dir noch lange gute Dienste leistet.

Gruß,
Timo
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#7
Auch von mir ein herzliches Willkommen, Tim :bier:.

Durch Deinen sehr schönen, lebendigen Bericht, erinnere ich mich auch an diesen typischen Geruch aus Wärme, Pappe und Staub, der mir aus meiner alten Philietta entgegenkam, wenn ich nach "Schlager der Woche" an der gelochten Papprückwand geschnüffelt habe :albern: .

Ich hoffe, Du bekommst hier die Hilfe, die Du benötigst (da bin ich mir eigentlich sehr sicher) und fühlst Dich in unserer Runde wohl.

Lieben Gruß aus Bärlin,
Peter
Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.
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#8
Hallo Tim,

herzlich willkommen.

Ich kann das Gefühl gut verstehen, dass dich beim Anblick des Gerätes durchfahren hat.

niels
Wer bei Stereoaufnahmen kein Gegenspur-Übersprechen haben möchte, sollte Halbspur-Maschinen verwenden.
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#9
Hallo Freunde,

vielen Dank für eure Willkommensgrüße, das gibt mir Hoffnung auf Hilfe. Ich weiß das zu schätzen !

Ich habe mir erlaubt, ein entsprechendes Thema im Hilfe-Bereich zu erstellen.
Gemeinsam bekommen wir das sicher hin, es eilt glücklicherweise ja nicht.

Danke an alle
Tim
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#10
Hallo Tim,

auch von mir ein herzliches Willkommen im erlesenen Kreise der Schnürsenkelfreaks.
Schöne Vorstellung, lief bei mir damals ähnlich ab. Und deinen totgeglaubten Kellerfund kriegen wir auch wieder hin. Versprochen ! Die Reihe 220/240/245 und 247 sind tonbandtechnisch meine Steckenpferde, die kenne ich ziemlich gut.

Manuel hat ja schon einiges zum TK 220 geschrieben, dem schließe ich mich schon mal an.

Gruß
Thomas
Manche Tonträger werden mit jedem Ton träger.
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#11
burlimann,'index.php?page=Thread&postID=151180#post151180 schrieb:Erinnert mich auch an damals, als ich als Kind die Nase immer über das Lüftungsgitter über den Röhren gehalten habe und den Duft inhaliert habe.
Willkommen im Forum,
da wirst du dich wohl damals schon mit einem Virus infiziert haben, der eine sehr lange Inkubationszeit hat Big Grin
Strom kann erst dann fliessen, wenn Spannung anliegt.
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#12
Vielen Dank für die Diagnose. Die Krankheit muss wohl sehr lange geschlummert haben, bevor sie letztendlich ausbrach.

Tim
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