Bias
#1
Da hier ja die Leute sitzen, die sich auskennen, habe ich mal eine Frage, die mich schon lange beschäftigt, auf die ich aber bisher weder in der Literatur noch durch einfaches nachdenken eine befriedigende Lösung gefunden habe: Wie ihr alle wißt, braucht man zur Audio-Aufnahme auf einem Magnetband ein hochfrequentes Wechselfeld, das das Nutzsignal in den linearen Bereich der Remanenzkennlinie hebt, der bekannte Vormagnetisierungsstrom oder auch Bias genannt. Je höher dieser Strom ist, desto besser läßt sich das Band durchmagnetisieren. Damit nimmt die Tiefenaussteuerbarkeit zu. Damit einher geht aber ein Verlust an Höhenaussteuerbarkeit, den ich mir schwer erklären kann. Meine Frage also, warum wird die Aufzeichnung hoher Frequenzen mit zunehmendem Biasstrom immer schlechter?

Ein möglicher Erklärungsansatz wäre, dass niedrige Frequenzen durch den hohen Bias in tiefere Bandschichten "gedrückt" würden, dh. die Durchmagnetisierung der Bandschicht besser würde, während dieser Effekt zwar bei hohen Frequenzen auch auftritt, da aber kommt es auch durch den höheren Biasstrom zu einer Anlöschung der oberen Schichten, in denen sich die Höhen befinden, daher kommt es zu einem Höhenverlust. An dieser Erklärung stört mich aber, dass es sich bei einem derartigen Löscheffekt um einen frequenzunabhängigen Effekt handeln müßte, dh nicht die Aufzeichnung hoher, sondern eher leiser Töne sollte gestört werden. Wer weiß also, warum hohe Töne durch den erhöhten Bias schlechter aufgezeichnet werden?
Viele Grüße
Lukas
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#2
Hallo Lukas,

Du bist beileibe nicht der einzige, der sich die Wirkungsweise der HF-Vormagnetisierung nicht erklären kann. Soweit mir bekannt, gibt es keine allgemein anerkannte Erklärung - zumindest keine, die auch für Nicht-Spitzenphysiker verständlich wäre. Und dass sich noch jemand an diesem Thema versucht, ist ausgesprochen unwahrscheinlich - digitale Aufzeichnung kommt bekanntlich ohne HF-VM aus.

Aber wir haben doch mit dieser Unsicherheit ganz gut leben können ...

F.E.
ZEITSCHICHTEN, barrierefreier Zugriff im "GFGF-Buchladen", URL https://www.gfgf.org/de/b%C3%BCcher-und-schriften.html (ca. 240 MB)
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#3
Hallo Friedrich,

vielen Dank für die Antwort, auch wenn eine physikalische Erklärung damit immer noch ausständig bleibt. Immerhin gut zu wissen, dass ich nicht alleine mit der Wissenslücke dahstehe was auch erklärt, warum in den einschlägigen Veröffentlichungen (zumindest die, die ich kenne) ein auffälliger Bogen um das Thema gemacht wird.
Wobei sowieso fraglich ist, ob ich eine zutreffende Erklärung des Phänomens wirklich verstehen würde, spätestens wenn man das zweidimensionalen Modell der Tonaufzeichnung auf Band verläßt und versucht es dreidimensional zu beschreiben, wirds schon recht unübersichtlich.
Viele Grüße
Lukas
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#4
´
Wenn ich es recht begriffen habe, werden höhere Töne nahe der Oberfläche der Magnetschicht aufgezeichnet, tiefere Frequenzen magnetisieren die Schicht durch.

[spekulation]
Vielleicht werden die tiefen Töne einfach nur stärker auf / durchmagnetisiert, weshalb die oberen Frequenzen leiser erscheinen?
[/spekulation]
Frank


Wer aus dem Rahmen fällt, muß vorher nicht unbedingt im Bilde gewesen sein.
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#5
Kurz gesagt: du bist an der Grenze zum Löschen. Der Unterschied zum Löschoszillator ist nur einige(20-30?) Volt.
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#6
Frank,
diese "Erklärung" wird immer wieder missverstanden - sie diente dazu, die Hifi-Tonaufzeichnung bei VHS verständlich zu machen. Tatsächlich geht die Sache anders herum: die Schicht (Video nur 2 µm!) wird komplett durchmagnetisiert. Für die Wiedergabe ist wichtig , dass bei kurzen Wellenlängen nur die Feld-Beiträge der oberflächennahen Magnetbandschichten nach außen austreten (die "Unterlinge schaffen es nicht"), während die Magnetfelder längerer Wellenlänge auch aus den unteren Schichten nach außen dringen. Mit Bias hat dies also zunächst einmal nüscht zu tun.

Lukas:
die Sache ist ja nicht nur geometrisch dreidimensional. Wir haben es beim Magnetband mit relativ hochkoerzitivem und möglich hoch-remanentem Material zu tun, während Magnetköpfe tunlichst niederkoerzitives, möglichst gering-remanentes Material voraussetzen. Die individuellen Koerzitivfeldstärken der einzelnen Magnetpartikel im Magnetband sind auch noch statistisch verteilt - was im Datenblatt als Hc angegeben wird, ist naturgemäß nur ein Mittelwert. Und diese Partikel durchlaufen allesamt ein relativ kompliziert geformtes Feld vor dem Aufnahmekopfspalt (Streufeld, inhomogen!), von dem man nicht allzu genau weiß, wie es sich unter dem Einfluss der Magnetpartikel verändert. Also: da mache sich mal einer einen Reim drauf ...

F.E.
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