Das TECHNICS RS-B965 – Traum- oder Alptraummaschine?
#1
Eigentlich hätte ich hier nicht „McWangine“ heißen sollen, sondern „McTechnics“, kann ich doch irgendwie nie meine Finger von diesen blöden Tapedecks von Matsushita lassen. Der 16. März 1993 war der Tag, ab dem „alles anders“ werden sollte.

Ich war nun schon seit über fünf Jahren im Besitz eines ONKYO TX-7330 und einer TA-2360, aber nicht wirklich zufrieden. Der Receiver tat seinen Job recht ordentlich, aber die TA-2360 war eine regelmäßige Baustelle. Ich hungerte nach einem Tapedeck, das endlich zuverlässig einen ordentlichen Job machte, und klapperte alles an damals in Mannheim erreichbaren Fachgeschäften ab. Besonders häufig führte mich mein Weg zu „Hirsch&Ille“, so dass meine Telekom-Kollegen damals schon mutmaßten, ich wäre der sehr sympathischen blonden Verkäuferin dort zum Opfer gefallen. Sie hatten recht, ich hatte mein Herz dort verloren, und am 16.03.1993 sagte ich zu ihr: “Ja, ich will!“ Ich war so aufgeregt, dass ich nicht mal nach einem Rabatt gefragt habe, aber jene hübsche blonde Verkäuferin hat mir auch so 10% Nachlass auf den Kaufpreis meines RS-BX626 gewährt, wahrscheinlich aus Mitleid... :grins:

Natürlich fand ich auch beim TECHNICS Potential zur „Optimierung“, aber so einfach, wie man bei ONKYO an Schaltpläne kommt, machten es einem die Leute vom Panasonic-Zentralservice in Hamburg nicht. Im Gegenteil: nach einigem Weiterverbinden landete ich beim Marketing-Chef, der mich tatsächlich fragte, was ich mir denn einbildete, ein TECHNICS-Gerät zu zerlegen und nach meinem Gutdünken zu verändern! „Das müsste ich nicht, wenn der Blechhaufen die angegebenen Daten einhalten würde, Sie Witzbold!“ brüllte ich förmlich ins Telefon. Der Service von Panasonic war für mich gestorben, ich wurde Kunde beim Schaltungsdienst Lange.

Eines habe ich sofort zu schätzen gelernt: der überaus übersichtliche und servicefreundliche Aufbau von TECHNICS-Geräten!

Nach einigen anderen Tapedecks aus dem Stall, die dank Internet günstig in meinen Haushalt gelangten, gelang mir im Oktober letzten Jahres ein Coup: ein RS-B965 für 15(!!!)€ plus Versand! Wenig gelaufen, optisch in hervorragendem Zustand. Erdbebensicher verpackt kam es hier an, ein großes Lob bekam der ebayer, von dem ich es habe.

So, da steht das Prachtstück:

[Bild: RSB965%201.jpg]

Das Display ist noch etwas verschwommen, die Anzeigeröhren sind echte Staubmagneten, und es hat auch noch die für diese Geräteserie typische Trübung hinter dem Display-„Glas“.
Nun endlich, ein erster Probelauf: das Kassettenfach öffnet motorisch, Kassette rein und los geht’s! Aber was ist das denn? Beim Umspulen rattert es ungewöhnlich, die Wiedergabe klingt nach instabilem Bandlauf, und nun stoppt es nach einem kreischenden Geräusch! Na, das war aber ein kurzes Vergnügen. Nun denn, Haube runter und nachschauen:

[Bild: 5%20jr.jpg]

Da ist ja richtig was drin!

[Bild: 6%20jr.jpg]

Bauteil an Bauteil, Platine auf Platine...

[Bild: 7%20jr.jpg]

Direkt vorne der Antrieb für die Kassettenfachklappe, der Treibriemen ist noch super in Schuss!

[Bild: 8%20jr.jpg]

So, dann inspizieren wir mal das Laufwerk, das so ganz ohne Riemen doch nicht auskommt:

[Bild: 9%20jr.jpg]

Da ist doch was verdächtig...

[Bild: 9b%20jr.jpg]

Richtig, das Motorritzel ist abgerutscht! Draufschieben nutzt nur wenige Augenblicke, dann haut es wieder ab, offenbar ist es gerissen, es sitzt normalerweise ganz stramm auf der Achse des Wickelmotors, und das ganze sollte eigentlich so aussehen (Ersatzteil aus Schlachtgerät):

[Bild: 10%20jr.jpg]

Nun denn, dann mal Frontblende abnehmen und Laufwerk befreien:

[Bild: 13%20jr.jpg]

So, da ist das gute Stück.

[Bild: 14%20jr.jpg]

Interessant: die weiße Sperrklinge oberhalb des linken Capstans.
Sie greift beim Hochfahren des Kopfschlittens in die Bremse des linken Mitnehmers, verhindert so ein Poltern des ablaufenden Wickelkernes auf dem Mitnehmer und sorgt für einen stabilen Bandlauf. Nachfolgenden Modellen fehlt dieses wichtige Bauteil, da muss man dann etwas improvisieren, wie das Laufwerk aus einem RS-BX606 zeigt, welches ich mit einem Kopfschlitten aus dem Laufwerk eines RS-BX404 ausgestattet habe. Es tut nun Dienst in einem RS-B465, welcher nun auch Direktantrieb hat, wenn auch nicht quarzstabilisiert, dafür aber variabel...

[Bild: 14b%20jr.JPG]
[Bild: 14c%20jr.jpg]

Hier noch ein paar Ansichten vom Laufwerk des RS-B965. Beruhigend: Der Treibriemen zwischen den Schwungscheiben ist noch topfit! Die Gummibauteile der vor 1992 gefertigten Tapedecks von TECHNICS sind sehr haltbar, ab RS-BX606 neigen die Andruckrollen schon nach fünfzehn Jahren zum Verhärten, in meinem 626er ist eine aus einem 404er am Laufen.

[Bild: 15%20jr.jpg]

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[Bild: 18%20jr.jpg]

So, nun ist der Wickelmotor getauscht, das Laufwerk tut, was es soll, dann kann man den letzten Schönheitsfehler beseitigen, den Staubfleck im Display. Das liegt dann auch nahe, wenn man schon das Frontpanel abgebaut hat. Also: weg mit Abschirmblech und den Platinen:

[Bild: 20%20jr.jpg]

Hier sieht man hinter dem Stereo.Poti noch ein "Mono"-Poti, hiermit wird die APRS-Funktion realisiert, damit der Mikroprofessor weiß, wie der Regler steht.

[Bild: 21%20jr.jpg]

[Bild: 22%20jr.jpg]

Das Frontpanel zu zerlegen ist nicht einfach, da alles mit sehr hartnäckigem, doppelseitigen Klebeband zusammengehalten wird, da ist Fingerspitzengefühl gefragt, damit man die fragile Alublende nicht verformt.

[Bild: 23%20jr.jpg]

Nun noch das Fenster des Displays abgefummelt, ja, und oben sieht man auch die Ursache für den trüben Fleck: ein Durchbruch im Kunststoffkorpus, hier staubt es hinein.

[Bild: 24%20jrb.jpg]

Alles sauber, alles wieder zusammengebaut, und nun die Kür: alles funktioniert, und es sieht einfach klasse aus!

[Bild: 25%20jr.jpg]

Und die ach so magischen drei Buchstaben!

[Bild: 2%20jr.jpg]

Hier noch die technischen Daten:

[Bild: 27%20jr.jpg]

Das Testhören verlief, nach Bedienungsanleitung eingemessen, nicht wie erwartet. Im Bass vermisse ich Wucht und Tiefe, die Mitten verfärbt, der Hochtonbereich ziemlich bedeckt. Liegt es an der Kassette? Also Sony UX-S raus, MAXELL XL-II rein. Einmessen, probehören, nee, das bringt es auch nicht. Nun eine Fuji FR-Metal. Keine Besserung. Im Gegenteil: mit eingeschalteten Rauschunterdrückern schlimmer, mit dbx GRAUENVOLL!!

Jetzt will ich es genau wissen, und wir sweepen mal:

[Bild: UX-S.jpg]

[Bild: Maxell%20XL-II.jpg]

[Bild: Fuji%20FR-METAL.jpg]

Au backe, so sieht der Frequenzgang des legendären RS-B965 aus? Gütiger Himmel, das kann manches Zweikopf –Deck besser! Ist nur meiner so mies drauf? Ein sehr netter Engländer namens Alex Nikitin, ehemaliger Entwickler bei „Creek Audio“, hat auf seiner Homepage einigen Tapedecks „auf den Kopf gefühlt“, so auch einem RS-B965, das Ergebnis findet man hier:

http://www.ant-audio.co.uk/Tape_Recordin...index.html

Aha, sieht etwas besser aus, aber wirklich toll?

Hier zum Vergleich noch mein RS-BX626 im ersten Tuning-Status, mit ziemlich verschlissenem Original-Tonkopf...

[Bild: RS-BX626.jpg]

Tja, was mache ich denn jetzt mit der „Gurke“? In der „Bucht“ versenken? Da bleibt ein schlechtes Gewissen, die dafür gezahlten Preise stehen in keiner Relation für die gebotene Qualität. Ich muss mir was einfallen lassen, so bringt es jedenfalls nichts. Was ist das? Mein RS-BX626 schüttelt heftig den Kopf!!! Was will er damit sagen? Mein RS-BX626 war schon mal für ein paar Überraschungen gut. Wir werden es erleben, was er neuerdings so auf Lager hat...

"Technicssierte" Grüsse

Jochen

edit:Rechtfehlschreiber...
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#2
Hallo Jochen...vielen Dank für die wirklich sehr schöne und technisch sehr gut platzierte Geschichte. Da kann man sogar als "Nichtkassettenmaschinenbesitzer" etwas lernen. Auch der Humor kam nicht zu kurz, mir hat es sehr gut gefallen...Gruß, Holger
Jede Tonbandmaschine ist ein kleines Wunder!

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#3
Hallo Jochen,

also ich finde, die Frequenzgangschriebe schauen nun so schlecht auch wieder nicht aus (man beachte die starke Spreizung der Y-Achse), ein Abfall von 2 dB bei 15kHz gegen Bezugspegel sollte sich klanglich nicht so gravierend auswirken. Ich würde das Problem daher erstmal nicht nur bei den Frequenzgängen suchen. Wurden die Messungen mit dbx oder Dolby aufgenommen? Da verdoppeln sich schnell kleine Frequenzfehler außerdem hat dbx, wenn ich mich recht erinnere einen Subsonicfilter, der sich je nach Auslegung im Baßbereich schon bemerkbar machen kann.

Schau dir einmal das Verzerrungsverhalten gegen die Frequenz an, den Audiotester hast du ja. Also vor der Therapie noch eine Absicherung der Diagnose und dann alles Gute
Viele Grüße
Lukas
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#4
Hallo Lukas,

die Messungen wurde ohne einen Rauschunterdrücker durchgeführt, sowohl bei RS-B965 als auch RS-BX626. Die Frequenzgänge wurden von uk64 mit dem Audiotester visualisiert, bei mag der nicht. Mittlerweile ist das "Problem" aber aus der Welt geschafft...

Gruß
Jochen
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