Was ist ein Richtungsmischer?
#1
In einer alten Zeitschrift laß ich einen Artikel über ein Tonstudio. Wie selbstverständlich sprach man dabei auch von 'Richtungsmischern'. Rein vom Namen her würde ich dieses Gerät mit Mikrofonen in Verbindung bringen, aber das hieße, die Mikros bewegen sich aufgrund der Mischereinstellung 2- oder 3-dimensional Wink Was mag das sein?
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#2
Lieber Andreas,

nun ja, ich wieder:

In der Zeit der mit erstem Effêt vefolgten Zweikanal-Stereofonie gab es wegen der damals besonderen Eignung der MS-Stereofonie für die Belange des Rundfunks auch Mischpulte ("Tische"), die komplett in MS-Technik angelegt waren und infolgedessen keine Panoramapotentiometer üblichen Zuschnitts verwenden konnten.

Zur Erinnerung:
Die MS-(Mitten-Seiten-)Technik matriziert die Signale Links (='L') und Rechts (='R') zum M-Signal (L+R) und Seitensignal (L-R). Diese Signale liegen im Mischpult vor, weshalb für klassische Links-Rechts-Aufgaben jeweils Dematrizierungen oder aber die vorstehend genannten mathematischen Beziehungen berücksichtigt werden müssen. Addiere ich beide Signale M und S, so erhalte ich das Signal 'Links', subtrahiere ich sie, so erhalte ich das Signal 'Rechts'.

Richtungsmischer:
Will ich zwischen beiden Richtungen L und R hin- und hermischen, so benötige ich ein kleines Potentiometernetzwerk, das im Rahmen des vorgesehenen Abbildungsortes der Quelle eine den MS-Regularien entsprechende Verteilung der Pegel auf die M/S-Sammelschienen herstellt. Dies genau besorgt der Richtungsmischer.
Im Grunde ist auch ein Panoramapot ein Richtungsmischer, der Fachjargon spricht aber vornehmlich dann von Richtungsmischern, wenn MS im Spiele ist und benützt den Terminus "Panpot", wenn L/R-Technik verwendet wird.
Man kann mit dem Richtungsmischer genau wie mit dem Pan-Pot sowohl die Einfallsrichtung einer Quelle verändern, als auch die Basisbreite eines einfallenden Stereo-Signales bestimmen.
Übrigens waren die MS-Pulte zumeist auf X/Y-(L/R-)Betrieb umschaltbar ausgeführt.

Ein Panpot ist einfacher zu bauen und zu durchschauen, weshalb letztlich die Links-Rechts-Technik auch überlebt hat.

Andererseits spielen Matrizierungen/Dematrizierungen eine immer wieder neue Rolle, gerade auch bei Surroundentwicklungen der letzten Zeit. Dies konnte man im Zuge einer Rundfunksurroundversuchsübertragung via DAB (!; 5.1-Stereo+Zweikanalstereo bei 190 kBit/s = 128 kBit/s + missbrauchter Subcodekanal) vor einigen Wochen auf den Medientagen in München erleben.

Hans-Joachim
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#3
Hallo Hans-Joachim

Zitat:Andererseits spielen Matrizierungen/Dematrizierungen eine immer wieder neue Rolle, gerade auch bei Surroundentwicklungen der letzten Zeit. Dies konnte man im Zuge einer Rundfunksurroundversuchsübertragung via DAB (!; 5.1-Stereo+Zweikanalstereo bei 190 kBit/s = 128 kBit/s + missbrauchter Subcodekanal) vor einigen Wochen auf den Medientagen in München erleben.
Ich weiss, gleitet jetzt etwas ab - aber zu diesen Medientagen weisst du sicher auch Details aus dem Nähkästchen zu plaudern - wie kam z.B. dieser DAB-Surround-Versuch beim Fachpublikum an?

Gruss
Etienne

P.S: Soweit ich weiss, finden solche "Matrizierungen/Dematrizierungen" bei den meisten modernen Audio-Kompressionstechniken Verwendung.
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#4
Ich bedanke mich für diese überaus interessanten Zeilen! Wie auch alle anderen im Forum lese ich die PhonoMax-Statements ausgesprochen gerne und halte sie eher für zu kurz geraten. Das liegt einfach an dem sauberen Schreibstil: man liest sich ein, versteht komplexe Zusammenhänge und plötzlich ist das spannende Buch zu Ende Big Grin Man müßte mal all diese Postings zusammentragen, das gebe für sich ein nettes Handbuch für den Tonbandfreund!
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#5
Um einem geschätzten Kollegen beim BR potenzielle Probleme zu ersparen, lasse ich einmal die Vorgeschichte nebst meinen Rückschlüssen auf die Kulturpolitik eines "öff.-rechtl." Senders unserer Tage weg und erzähle etwas zum Verfahren dieser Übertragung. Dieses glänzt ja dadurch, dass eine zweikanalige und eine 5.1-stereofone Übertragung diskret (und in Echtzeit gewandelt!) durch den recht engen DAB-Kanal geschoben werden:

Man liefert ein 5.1-Signal an, das durch einen automatischen Downmix auf Zweikanal-Stereo gebracht wird, das man auf den üblichen DAB-Kanal legt. Gleichzeitig bildet man die Differenz beider Signale und überträgt diese unter Ausnützung des verbleibenden Subcode-Kanals. Der reguläre DAB-Hörers (gibt's den irgendwo??, welches Gerät hat der denn??) wertet dann das übliche Zweikanalsignal aus, wogegen sich gemeinsam mit dem Differenzsignal das 5.1-Signal vollständig wiederherstellen lässt.

Dies Verfahren entspricht prinzipiell dem des Multiplex-Stereorundfunks, bei dem das M-Signal in klassischer Weise über den Sender geht und so auch von allen Monohörern verwendet wird, wogegen das S-Signal mit Pilotton und unterdrücktem Hilfsträger von deren Empfängern gar nicht auszuwerten ist.

Meine obige Beschreibung jener Übertragung auf den Medientagen gibt den prinzipiellen Gedankengang korrekt wieder, der hinter der Unternehmung steht; im Detail fallen -wie üblich- natürlich Probleme an, die mit einigem Softwareaufwand bekämpft werden mussten und müssen.

So wie das tat, funktionierte das aber sehr gut, wobei je ein Notebook als Encoder bzw. Decoder diente.

Ich hatte leider keine Gelegenheit, mit Kollegen über das Ergebnis zu sprechen, selbst auf der Tonmeistertagung nicht, weil ich gleichzeitig andere Verpflichtungen hatte. Außerdem müsste ein solches Verfahren natürlich en detail auf seine Grenzen hin abgeklopft werden, wo sich sicher noch Untiefen auftun.

Ob und wie so etwas weitergeht, entscheiden heute mit beklemmender Ausschließlichkeit andere (und vor allem anders qualifizierte) Individuen als vor 60, 30, ja noch vor 10 Jahren. Auch das ist doch an sich lehrreich.

Hans-Joachim
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