RAB - Radio Allocchio Bacchini
#1
Moin, moin,

auf den Nachhauseweg kam ich heute an einem Laden vorbei, aus dem mir ein kleines Tonbandgerät entgegen blickte.

Wenn ich etwas entdecke, das ich nicht einordnen kann, dann lasse ich es doch nicht zurück!

[Bild: rab_01k.jpg]

Radio Allocchio Bacchini, das klingt italienisch.
Tatsächlich, die Ingenieure Allocchio und Bacchini haben nacheinander mit ihren drei Firmen, der Allocchio Bacchini & Co., der ABC und der Radiocostruzioni Radio Allocchio Bacchini, die wohl auch unter den Akronym "Radialba" auftrat, über fünfzig Jahre Mailänder Elektronik-Industriegeschichte geprägt.
Angefangen hatte es mit einem Wettbewerb, mit dem Diktators das italienische Volk mit billigen Radiogeräten für ihre Botschaften beglücken wollten. Allocchio und Bacchini entwickleten ein Gerät, bei dem es ihnen gelang, teure Röhren einzusparen und das, anstatt mit einem einstellbaren, mit Kondensatoren fester Werte arbeitete. Es folgten Tonabnehmer, Volt- und Amperemeter, und auch komplexere Apparate, wie ein Oszilloskop oder Fernsehgeräte. Und eben ein mobiles Tonbandgerät.

[Bild: rab_02k.jpg]

Das trägt nicht einmal eine Typenbezeichnung.
Die Abmessungen des Koffers sind 380 x 175 x 295mm. Das Chassis misst in etwa 310 x 130/165 x 280mm (BHT)

[Bild: rab_04b.jpg]

Links neben dem Chassis befindet sich ein Fach, in dem Spulen und Kabel transportiert werden können.
Die maximale Spulengröße hat einen Diameter von 15cm. Das 2polige Netzkabel ist mit Hilfe einer eigenwilligen Buchse steckbar.

[Bild: rab_06k.jpg]

Der Hauptschalter ist in dem Drehregler an der rechten Geräteseite untergebracht. Er wirkt gleichzeitig als Lautstärkeregler.

[Bild: rab_05k.jpg]

Bei dem Regler auf der rechten Geräteseite könnte es sich um den Aussteuerungssteller handeln.
Der Pegel wird mit Hilfe einer Röhre kontrolliert. Hier findet eine Siemens EM 8 (?) Verwendung.

An Anschlüssen verfügt die RAB über eine 3polige Mikrofon- und über eine 5polige DIN-Buchse für "Radio/Amplifier". Ein einzelner Lautsprecher-Ausgang ist ebernfalls vorhanden.

Die Bedienung erfolgt über Drucktasten, die mit Hilfe einer Mechanik ein Reibrad-Getriebe steuern.

[Bild: rab_07k.jpg]

Unter der Verkleidung des Kopfträgers verstecken sich ein Lösch- und ein Kombikopf ohne nähere Bezeichnung.

[Bild: rab_08k.jpg]

Löst man die vier Gerätefüße und eine Rechter Hand unter den Frontblech gelegene Schraube, läßt sich das Chassis nach oben entnehmen. Ein Oval-Lautsprecher ist direkt im Koffer befestigt und hängt hinter einem seperat gelegenen Verstärker-Modul

[Bild: rab_09k.jpg]

mit Siemens ECL 82 und ECC 83 Röhren.

Übrigens sind Verstärker und die Motorsteuerung nicht nur auf getrennten Platinen aufgebaut, sie besitzen auch beide eigene Trafos.

[Bild: rab_11k.jpg]

Besonders interessant finde ich den Antrieb. Wie schon genannt, wir die Motorkraft mit Hilfe von Reibrädern - ausschließlich! - übertragen, deren Stellung zueinander sich durch die Tasten der Laufwerkssteuerung verändern läßt.

[Bild: rab_14k.jpg]

Der einzige Riemen der Bandmaschine treibt das Zählwerk an.
Die Motorachse aus Messing - an ihrer Basis ist übrigens ein Propeller befestigt - hat an unterschiedlichen Stellen verschiedene Durchmesser. Eine Mechanik, die sich sehr solide anfühlt, bewegt ein schmales Zwischenrad in sechs Raststellungen; drei davon belassen den Antrieb im Leerlauf, in den anderen drei Stellungen hat das Rad Kontakt zu Bereichen unterschiedlichen Durchmessers auf der Achse, was die verschiedenen Arbeitsgeschwindigkeiten bildet, und gleichzeitig mit dem Schwungrad. Dessen Laufrand ist übrigens deutlich geriffelt, so daß ein deutlicher Kraftschluß möglich ist.

[Bild: rab_13k.jpg]

Leider sind die Axelyt- und Marelli(?)-Kondensatoren nicht datiert, so daß ich das Alter der RAB nicht festlegen kann.

Eine Nummer trägt lediglich der Motor: 00674 dürfte wohl eher die Seriennummer des Bandgerätes, als die des Motors bezeichnen.

Alles in allem ein noch gut erhaltenes und hierzulande sicher recht seltenes Stück Bandgerät, über das ich gerne mehr von Euch erfahren hätte, bevor ich die RAB wieder weggebe!

Tschüß, Matthias

Edit: Korrektur, Erweiterung
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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#2
Zitat:Matthias M postete
auf den Nachhauseweg kam ich heute an einem Laden vorbei, aus dem mir ein kleines Tonbandgerät entgegen blickte.
In was für einer, dem friedlichen Miteinander von Mann und Frau abträglichen Ecke wohnst Du da eigentlich? Smile
Ich habe in den letzten zwei Jahren meiner Aktivität hier mal gerade ein einziges Gerät auf dem Trödel entdeckt.
Und das war noch ein ruiniertes Allerweltsphilips, das mitzunehmen sich nicht lohnte.
Und Du kommst hier am laufenden Band mit den interessantesten Teilen an....


Ich hatte damals überhaupt keine Ahnung, daß es so viele Hersteller von Tonbandgeräten gegeben hatte.
Der konstruktive Aufwand für ein eigenes Gerät ist doch recht groß und entworfen wurde ja noch per Hand am Brett.
Die zu erwartenden Stückzahlen hielten sich sicher auch in Grenzen, sofern man keinen klingenden Namen parat hatte.

So auch hier.
Allerdings läßt mich die minimalistische Formgebung der Blechteile auf eine gewisse Erfahrung und das Druckgußchassis zumindest auf die Ausrichtung auf ein Großserienteil schließen.

Das Chassis wirkt in dem Gehäuse etwas fremd und wirkt auf mich deshalb wie ein Konfektionsteil, wie es von einigen Herstellern auch im Dreher- oder Kassettenbereich zum Einbau und unter den verschiedensten Namen angeboten wurde.

Bin mal auf die Auflösung gespannt.
Bert
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#3
In der Tat ein seltenes Stück. Der Hersteller war auch mir bisher nicht bekannt.

Zwei Anmerkungen zu den Röhren:
Der Aufdruck auf der Anzeigeröhre ist offenbar nicht mehr vollständig lesbar. Es wird wohl eine EM84 oder eine EM87 sein.
Ausserdem ist noch eine dritte Röhre vorhanden. Man sieht sie auf dem Photo links von der ECL82 unter einer Aluabschirmung. ECC83?

Gruss
TSF
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#4
Hallo Bert,

die Menge von Geräten, die der Hersteller gebaut zu haben scheint, die Geschichte, die Alessandro de Pol auf radiomuseum.org andeutet, läßt vermuten, daß es sich bei der RAB, zumindest nach damaligem Verständnis, nicht im eine Bastelbude gehandelt hat.
http://www.radiomuseum.org/forum/allocch...iende.html

Die sozusagen "modulare Bauweise", Tapedeck auf einem Alu-Chassis, Motorsteuerung auf einem Blech, der Verstärker auf einem anderen Blech, die links und rechts des Chassis angeschraubt werden, läßt zumindest auf gewisse Erfahrungen mit Produktionsabläufen schließen.
Aus heutiger Sicht ist die Konzeption des Skeletts produktionsökonomisch doch etwas gruselig. Ein Forenmitglied nennt das "Stabilbaukasten": Viele Einzelteile, viele Schrauben, viel Zeitverschwendung.

mich würde interessieren, ob das Gerät letztlich eine italienische Konstruktion ist. Es erinnert mich an so Vieles andere, ohne daß ich genau sagen könnte, das "xxx" ist es.

TSF hat übrigens Recht. Bei der Anzeigenröhre ist einiges an Beschriftung abgerubbelt. Und eine ECC 83 hatte ich nicht benannt, vergessen aus meiner Kladde zu übertragen. Das habe ich nachgeholt. Und noch ein paar Zeilen und Bilder ergänzt.

Tschüß, Matthias
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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#5
Zitat:Huubat postete
....In was für einer, dem friedlichen Miteinander von Mann und Frau abträglichen Ecke wohnst Du da eigentlich? Smile ....
Vielleicht macht Matthias das medikamentös?

www.zickosan.de
Frank


Wer aus dem Rahmen fällt, muß vorher nicht unbedingt im Bilde gewesen sein.
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#6
Zitat:Frank postete
Vielleicht macht Matthias das medikamentös?
Moin, moin,

Psychopharmaka? Nein, da bin ich gegen. Wie bei einer Allergie oder Angstpsychose hilft nur Abstumpfen.
Kleine aber regelmäßige Gaben des Reizstoffes sind der Schlüssel: Auf dem Küchentisch mal einen Kopfhörer liegen lassen, zwischen den Blumen ein Mikrofon verstecken oder die Tonbandspule nach dem Backen im Ofen vergessen. Du wirst sehen , die Kommentare werden in den Jahren immer weniger.
Und eine Perspektive zeigen, Dich hin und wieder mal beim Verpacken und Wegschicken von Geräten beobachten lassen!

Außerdem hilft es, bestimmte Kellerräume durch Gerätehaufen gleich pauschal abzusperren und ein Gros der "Sammlung", fußläufig erreichbar, aber doch weit genug weg vom Rest der Familie, auszulagern.

Übrigens, Bert, wie kommst Du darauf, meine Hortung hätte seine Wuzeln in der Nähe? Die letzten fünfunddreißig Geräte habe ich am Mittwoch im Vorgarten von Wolfgang, Matze und Niels gewildert. Die haben blos nicht aufgepaßt. Smile

Tschüß, Matthias
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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#7
Und ich hatte den Hund des Nachbarn im Verdacht!

niels
Wer bei Stereoaufnahmen kein Gegenspur-Übersprechen haben möchte, sollte Halbspur-Maschinen verwenden.
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#8
Hallo Matthias!

Was heißt hier "nicht aufgepaßt"?
Vielleicht habe ich einfach dezent weggeschaut.
Nein!
Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß,
triff´s auf den Punkt.
Und gegen die meisten Geräte habe ich mich
immunisieren lassen...

Grüße
Wolfgang
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#9
@Huubat


Dass uns Matthias immer wieder mit solcherlei Schmankerln überrascht,
liegt wohl daran, dass er wachen Auges an Flohmarktständen und
"2nd-Händ-lern" vorbei läuft während unsereins bei schönem Wetter
das motoris. "Velociped" durch deutsche Kulturlande treibt.

Das getönte Visier des Helmes macht aber nun mal Entdeckungen im
"Mikrokosmos vergangener Unterhaltungs-Elektronik" unmöglich.

@Matthias

Auch mir gänzlich unbekannt (Hersteller & Modell) , insofern also
wieder mal meinen Dank an Dich für die Öffnung der Augen (= hochklappen
des Visiers, sozusagen...).
Konzeptionelle Änlichkeiten dieses Gerätes finden sich aber nach meinem
Dafür in dieser Kiste hier wieder: http://forum2.magnetofon.de/f2/showtopic...eadid=9502
...bzw. in den erwähnten Artverwandten. Dieser Geräteaufbau scheint
in den frühen 60ern (bis etwa Mitte des Jahrezehnts) noch in vielen Typen
Stand der Technik gewesen zu sein. Auch die von Dir ausgegrabene
Bandmaschine (...darf man das schreiben?) scheint deutlich in den
60ern produziert worden zu sein.

Damit, dass sich RAB nicht nur im Verborgenen tummelte, scheint
das Radiomuseum richtig zu liegen, wobei folgende Links vornehml. auf
die Produktion von Radios und Fernsehgeräten schliessen lassen.
Vielleicht führt das aber zu etwas Weiterem... ....sofern Du die Seiten also
nicht ohnehin schon kennst, kannst Du ja mal Deine Sprachkenntnisse
an ihnen "wetzen".

http://www.earlytelevision.org/bacchini.html

http://www.marcomanfredini.it/radio/coll...9&&clear=1

http://www.alltransistor.it/radioitaliane.htm

http://www.radiopistoia.com/info18_.htm

http://www.roetta.it/ik3hia/pages/Oldrad...ni_415.htm

http://www.webalice.it/roberto6111/Alloc...chini.html


Gruß

Peter
Time flies like an arrow. Fruit flies like a banana. (...soll Groucho Marx gesagt haben, aber so ganz sicher ist das nicht...)
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#10
Off topic

Zitat:PeZett postete
....während unsereins bei schönem Wetter
das motoris. "Velociped" durch deutsche Kulturlande treibt.

Das getönte Visier des Helmes macht aber nun mal Entdeckungen im
"Mikrokosmos vergangener Unterhaltungs-Elektronik" unmöglich. ...
Von meiner letzten Fahrt mit dem mechanisch angetriebenen, nicht schienengebundenen einspurigen Landfahrzeug habe ich dennoch Beute mitgebracht. Zwar nichts elektrisches, sondern ein Buch über Autotechnik von 1958. Erfrischend zu lesen, was vor über fünfzig Jahren Stand der (Auto)Technik war.

Ich war auch nicht auf einem Flohmarkt, sondern auf dem allsonntäglichen Oldtimer- Treffen in Burscheid Hilgen...
Frank


Wer aus dem Rahmen fällt, muß vorher nicht unbedingt im Bilde gewesen sein.
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#11
Beim Schmökern in älteren Gerätevorstellungen bin ich wieder auf diesen Beitrag gestoßen.
Der Anblick des Chassis kam mir nun sehr bekannt vor.

Wie Huubat weiter oben schon ganz richtig vermutet hat, deutet das Druckgußchassis auf Großserie hin.

Im Lauf der Jahre sind mir verschiedene Modelle begegnet, die alle auf diesem Chassis aufbauen.
Vertrieben wurden die Geräte unter einer ganzen Reihe von Marken wie z. B. Dihor, Rhodex, SNT, Turmix und Radiomarelli.

Auch in Deutschland war es erhältlich, nämlich als Quelle Privileg RM651. In dieser Form ist es vor einiger Zeit bei mir gelandet. https://tonbandforum.de/showthread.php?tid=28103

Wer hat das Gerät nun tatsächlich gebaut? Darauf habe ich noch immer keine Antwort. Seine Wiege stand offenbar in Mailand. Auf den Platinen meines Exemplars steht Rhodex, die Modellbezeichnung RM651 bei Quelle könnte auf Radiomarelli hindeuten.

Gruß
TSF
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