Symmetrisch / Unsymmetrisch
#1
Hallo Tonbandfreunde!

Nach einer langen Diskussion mit ein paar Hobbytontechniker-Kollegen bin ich nun wieder mal total verunsichert, und habe mal eine Fragen an die "echten" Studiospezialisten hier im Forum: Smile

Ein symmetrischer Signalausgang eines Studiotonbandgerätes hat ja bekanntlich 3 Leitungen mit
1.) Signal+ (Hot)
2.) Signal- (Cold)
3.) Ground

Nehmen wir an, dieses Tonbandgerät produziert gerade einen Ausgangspegel von z.B. 6dBu (bzw. 1,55V).

Wie ist in der Studiotechnik messtechnisch dieser Pegel definfiert?

Wird damit die Spannung zwischen "Signal+" und "Signal-" beschrieben, oder bedeutet dies, daß "Signal+" = +1.55V und "Signal-" = -1.55V, was ja somit eine Spannung von |3.1V| zwischen beiden Signalleitungen hervorrufen würde?

Ich dachte immer, es sei ersteres damit gemeint, bin mir aber nach der Diskussion nicht mehr sicher...

Es gab daraufhin noch eine weitere Frage:

Wenn man einen symmetrischen Ausgang nicht fachgerecht "desymmetriert", sondern einfach nur "Signal-" mit "Ground" verbindet, so misst man doch dann einen um 6dB geringeren Pegel (bzw. die halbe Spannung) als vorgesehen, wenn ich z.B. ein Milivoltmeter an "Signal+" und die kurzgeschlossene "Signal-/Ground" Kombination anschließe, oder liege ich da falsch?

Man muß doch den symmetrischen Ausgang des Bandgerätes mit Hilfe eines 1:1 NF-übertragers in entsprechender Beschaltung (primär: symm. Signal+/Signal- und sekundär: unsymm. signal/ground) an den unsymmetrischen Eingang des Milivoltmeters anpassen, sonst stimmen die Messergebnisse nicht, oder?

Einer der Diskussionspartner wollte mir das nicht glauben und behauptet, daß die oben genannte nicht-fachgerechte Desymmetrierung die richtige Methode zur fehlerfreien Messung wäre...

Bitte lasst mich nicht dumm sterben und klärt mich auf, welche Ansicht nun richtig ist....

Viele Grüße,
Silvio
Zitieren
#2
Zitat:Tonband-Ilja schrieb
Nehmen wir an, dieses Tonbandgerät produziert gerade einen Ausgangspegel von z.B. 6dBu (bzw. 1,55V).
...
Wird damit die Spannung zwischen "Signal+" und "Signal-" beschrieben, oder bedeutet dies, daß "Signal+" = +1.55V und "Signal-" = -1.55V, was ja somit eine Spannung von |3.1V| zwischen beiden Signalleitungen hervorrufen würde?
Die Spannung, lieber Silvo, wird zwischen den beiden Schenkeln des Ausgangsübertragers gemessen, die eigentlich (elektronisch symmetriert ist nicht erdfrei!) ohne jede Verbindung zur Masse/Erde sein sollten; nicht nur gleichspannungs-, sondern auch wechselspannungsmäßig. Es liegen dort definitiv nur 1,55 Volt an, wobei aber durchaus auch 3,1 Volt Ausgangsspannung Verwendung fanden, wie denn der Postübergabepegel im Hauptschaltraum einer hiesigen Rundfunkanstalt davon noch einmal abwich, was uns hier aber nicht interessiert, weil dafür eigene Verstärker vorhanden waren, die nur selten in Privathand gerieten.

Zitat:Tonband-Ilja schrieb weiter
Wenn man einen symmetrischen Ausgang nicht fachgerecht "desymmetriert", sondern einfach nur "Signal-" mit "Ground" verbindet, so misst man doch dann einen um 6dB geringeren Pegel (bzw. die halbe Spannung) als vorgesehen, wenn ich z.B. ein Milivoltmeter an "Signal+" und die kurzgeschlossene "Signal-/Ground" Kombination anschließe, oder liege ich da falsch?
Soweit ich deine Beschreibung durchschaue, desymmetrierst du nach obigem Verfahren fachgerecht, indem du den invertrierenden Sighnalschenkel auf Masse/Erde legst. Dein Diskussionspartner hatte also Recht. Das funktioniert bei trafosymmetrierten Ausgängen -so der Trafo in Ordnung ist- immer einwandfrei. Nachdem bei diesem Verfahren die Wicklungsdimensionierung in Windungsverhältnissen und Innenwiderstand nicht verändert wird, erhältst du auch die reguläre Spannung am Ausgang.

Anders sieht das bei elektronisch symmetrierten Ausgang aus, der in seiner simpelsten Form (zwei schlichte Ausgangsverstärker, einer invertriert, der andere nicht) beim von dir geschilderten Verfahren natürlich auf einem Schenkel kurzgeschlossen würde, womit tatsächlich nurmehr die halbe Spannung am Ausgang genützt werden könnte/kann. Die andere Hälfte wird durch die Beschaltung ja gen Masse abgeführt. Das sollte man Ausgangsstufen in der Regel nicht beliebig lange ohne Schutzwiderstände zumuten.

Um dem vorzubeugen, konzipierte man den servosymmetrierten Ausgang -ich glaube, man nannte das so-, der eine elektronische Symmetrierung besitzt, sich aber wie ein Trafo verhält. Bei dieser Schaltung kann man einen Schenkel an Masse/Erde legen und behält dennoch die 1,55 Volt am verbleibenden unsymmetrischen Ausgang. Um derlei jedoch zu erkennen, muss man die Schaltzeichnung besitzen und konsultieren.

Bitte keine Zusatztrafos für die Desymmetrierung einsetzen, das kompliziert -wenn so nicht vollkommen durchschaut- den Sachverhalt enorm. Namentlich Eingangstrafos sind ein sehr delikates Kapitel, weil vor allem er für seinen speziellen Zweck konzipiert sein muss, um am zu treibenden Eingang in Frequenzgang und Klirrfaktor tolerablen Dienst zu tun.


Das Riesentheater vor einigen Jahrzehnten um die elektronische Symmetrierung mit ihrer, ach so tollen Qualität -ja, so wurde das damals argumentatorisch begleitet!- erinnert an den Kokolores, den man heute den Übertragern 'nachrühmt'. Im Grunde ging es damals um eines: Einsparung des teuer werdenden Überrtragers, um nichts mehr! Heute ist es umgekehrt, man baut einen Simpelübertrager ein, flötet in den höchsten Tönen und kassiert wieder.
Ein tadelloser Übertrager darf im Rahmen der Bandbreiten- und Klirrfaktorspezifikation des gegebenen Gerätes keinen wahrnehmbaren Einfluss auf den Frequenzgang/Klirrfaktor ausüben. Nur er aber sorgt für eine gute Erdsymmetrie bei tiefen Frequenzen, Gleichstromfreiheit und eine vollständige galvanische Trennung, besitzt aber prinzipbedingt einen eingeschränkten Frequenzgang (Bandpass) und in Abhängigkeit von seinem Kernmaterial bzw. deren Eisenmasse einen Eigenklirrfaktor. Da sind in der Regel Kompromisse zu schließen.

Gleichermaßen gilt für elektronisch symmetrierte Eingänge/Ausgänge, dass sie eben nicht erd- und gleichstromfrei sind (Erdschleifen drohen daher immer) und auch verstärkerbestimmte Mängel in der Erdsymmetrie aufweisen können. Das Maß an Störsicherheit, das man von trafogekoppelten Anlagen her kennt, kann also nicht unter allen Bedingungen erreicht werden.

Man muss also wissen, was man will: Völlige Erd-, Gleichspannungsfreiheit und beste Erdsymmetrie gibt's nur mit Trafo, Fantasiefrequenzgänge und geringste Klirrfaktoren, maximale Differenztondämpfung nur mit elektronischer Symmetriererei.

Zuletzt sei der Sonderfall des von Paul Zwicky ersonnenen Mikrofoneingangs der 900er-Pulte der Regensdorfer erwähnt: Er verbindet die Vorteile der Trafosymmetrierung durch Übertrager kleinster mit denen von Eingangstrafos großer Eisenmasse und elektronisch symmetrierter Eingänge, indem der Übertrager als ein Wicklungsarray mit dem Eingangsoperationsvertärker zu einer komplexen Einheit verknüpft, ihm also nicht (vgl. z. B. 169) einfach vorgeschaltet wurde. Dafür gab es aber auch ein Patent.

Hans-Joachim
Zitieren
#3
Hallo Hans-Joachim,

vielen Dank für Deine sehr kompetente Antwort.
Wie ich sehe, muß ich doch noch viel lernen....

Also ist es quasi notwendig zu wissen, ob das entsprechende Studiogerät nur einen reinen elektronisch symmetrierten Ausgang hat, bevor man eifrig das invertierte Signal mit Masse kurzschließt.

Kann man denn davon ausgehen, daß die meisten der "moderneren" gängigen Studiokomponenten von Studer & Co. (z.B. PR99 oder A807) alle mit servosymmetrischen wenn nicht sogar trafosymmetrischen Aus- bzw. Eingängen bestückt sind?
Wie ist das bei semiprofessionellen Geräten von z.B. Tascam? Ist dort die Wahrscheinlichkeit höher, rein elektronisch symmetrierte Ausgänge vorzufinden? Oder findet man das bei neueren Geräten kaum noch?

Ich sehe wohl, daß ich nun auf die Suche nach typenspezifischen Informationen über meine Studiokomponenten gehen muss....

Nochmals Danke für Deine Antwort,

viele Grüße,
Silvio
Zitieren
#4
LIber Silvio,

im Hause Studer dachte man wohltuend konservativ (übrigens war das auch im Tonhaus des deutschen Ostens, dem RFZ in Berlin-Adlershof so), ließ sich auf Experimente ungern ein. Infolgedessen ist fast alles trafosymmetrisch, aber eben nur fast. Insbesondere in der letzten Generation konnte man sich dem Marktdruck nicht mehr entziehen und bot auch elektronisch symmetrierte Ausgänge (z. B. bei A810) an. Nachdem ich damals aber schon 'republikflüchtig' war (also im digitalen Genre zuhause) muss ich mir das separat in den auf meinen Platten liegenden Schaltungen ansehen. Ich habe die Geräte der letzten 15 Studerjahre nie auf die angewandte Symmetrierungstechnik hin abgeklopft. Meine Geräte waren trafogekoppelt und das zu wissen reichte mir.

Studer hat sich mit der Frage aber in eigener Weise sehr genau auseinandergesetzt, denn es existiert ein Aufsatz aus dem Jahre 1982, in dem der individuelle Zugang zum Thema akzentuiert wird. In englischer Sprache allerdings.

Hans-Joachim
Zitieren


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 2 Gast/Gäste