Was ist optimal ?
#1
Vorausgesetzt Ihr hättet die Wahl.

Nach welcher Entzerrungsnorm würdet Ihr Eure Bandmaschine einmessen, nach CCIR oder NAB ?

Warum ?

Vorteile/Nachteile ?
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#2
Ohne die Übertragungskennlinien des Aufsprech.- und Wiedergabevestärkers präsent zu haben, (Wurde hier meines erachtens im Forum schom angerissen) tendiere ich als Freund der höheren Frequenzen zu CCIR. Subjektiv habe ich den Eindruck das hier mehr aufzeichnungsreserven gegenüber NAB vorhanden sind.
Mein Motto "Zitat" »Opa Deldok«: »Früher war alles schlechter. !!!!

Noa and Mira Awad
NOA Keren Or  
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ESC Diva
reVox B251 Revision und Modifikationsliste!
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#3
Zitat:Gyrator postete
Subjektiv habe ich den Eindruck das bei CCIR mehr Aufzeichnungsreserven gegenüber NAB vorhanden sind.
...auch objektiv!
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#4
Objektiv:

I
Bei 9,5 und darunter sind die 'aktuellen' Normen NAB und IEC Studio gleich, die Frage stellt sich also nicht.

II
Bei 19 und darüber folgt NAB gegenüber CCIR konsequenter der neuzeitlichen Entwicklung des Magnetbandes hinsichtlich Höhen- und Tiefenaussteuerbarkeit und dem bei Amateurs gedrängteren Geräteaufbau, der einen erhöhte Gefahr der Brummeinstreuung zur Foge hat. NAB sieht deswegen eine nennswerte Tiefenanhebung vor, die man bei der Wiedergabe rückgängig macht und dadurch auch etwaige, in den Wiedergabekopf eingestreute Brummspannungen mit absenkt. Dies verbessert die Werte. Bei 38 hebt man zudem die Höhen aufnahmeseitig kräftiger an, als das durch die Studiotraditionen in Zentraleuropa üblich ist.
NAB ist eine amerikanische Norm; und dort begann man mit dem Magnetbandeln, als man sich hier bereits die Hörner abgestoßen hatte, Grunderkenntnisse bereits auf dem Tisch lagen. Im gemachten Nest ist besser wohl sein.

III
Man muss sich klar machen, dass zu frühen Bandzeiten hierzulande bereits beachtliche Archive -und das primär bei Rundfunkanstalten- entstanden waren, die als eine conditio sine qua non, eine unabänderliche Grundbedingung nur durch qualitätsmindernde Überspielungen auf neuzeitliches Material aus der Welt zu schaffen gewesen wäre. Das unterließ man gottlob weitgehend. Der deutsche Rundfunk arbeitete daher eigentlich 'Zeit seines Analoglebens' mit Material, das kompatibel zu Bandaltbeständen war/sein wollte, damit aber qualitativ -und um der Kompatiblität willen- hinter seiner Zeit herhinkte. Man zahlte dies als einen Preis betrieblicher Übersichtlichkeit, da ein ständiges Umgehen mit unterschiedlichen Entzerrungen den Betrieb bei der hiesigen Vorstellung vom "Rundfunk machen" schnell zum Erliegen gebracht hätte. In Amerika sieht man das (ich spreche aus Erfahrung) sehr viel lockerer, also schludriger.

IV
Die klanglichen Folgen sind bei gut konstruierten und eingemessenen Bandgeräten eher gering. Die Tiefen- und Höhenaussteuerbarkeiten sind unter CCIR infolge der fehlenden bzw. geringeren aufnahmeseitigen Anhebungen etwas höher, dies ist jedoch quantitativ mit dem Ohr nicht wahrzunehmen. Sehr wohl natürlich, wenn man ein CCIR-Band auf eine NAB-Maschine und umgekehrt legt, aber das 'ge-hört' sich ja nicht.

V
Man muss sich also überlegen, was man mit einer Aufnahme will. Soll sie mit anderen Kollegen ausgetauscht werden, empfiehlt sich die Nachfrage bei denen, welche Entzerrung sie benützen, der folgt man dann. Beim Rundfunk war die Sache klar: Historisch mehr oder weniger lange festliegende Entzerrungen und 'altertümliches' Bandmaterial zwingen historisch determiniert zu einer über Jahrzehnte möglichst einheitlichen Handhabung der Entzerrungsfrage: Kein Spielraum.

Klangliche Unterschiede dürfen bei einwandfreier Geräteeinmessung nicht auftreten. Wenn doch, dannn "stimmt da 'was nicht".

Hans-Joachim
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#5
Ein paar Faustregeln:

- je größer die Zeitkonstante (die Tiefenentzerrung jetzt mal aussen vor), desto geringer der Geräuschabstand (Höhen werden stärker angehoben, damit unvermeidlich auch das Rauschen)
- je größer die Zeitkonstante (gleiche Bandgeschwindigkeit angenommen), umso höher die Höhenaussteuerbarkeit.
Bei 38 cm/s heisst das:
- Störspannungsabstand mit 50 µs um 1,5 dB schlechter als mit 35 µs
- Höhenanhebung im Wiedergabeverstärker mit 50 µs um 2,5 dB stärker als mit 35 µs, daher auch
- Höhenaussteuerbarkeit mit 50 µs um 2,5 dB größer als mit 35 µs

Die ersten 20 Forum-Teilnehmer, die mir ihre e-mail-Adresse schicken, bekommen eine Excel-Tabelle, mit der man den Bandfluß-Verlauf in Abhängigkeit von der Wellenlänge auf dem Bezugsband für alle praxisgängigen Entzerrungs- Normen "nachrechnen" kann (ein paar andere Sachen sind auch noch drauf, z.B. Zusammenhang Banddicke - Spielzeit - Wickeldurchmesser).

Hans-Joachim: gab es nicht einmal in den USA eine Zeit (... long, long ago ...), in der sowohl für 30 ips (76 cm/s), 15 ips und 7 1/2 ips gleichmäßig 50 + 3180 µs verwendet wurden, d.h., bei geeigneter Wahl der Bandgeschwindigkeiten keine Entzerrungs-Umschaltung erforderlich war?

Friedrich
ZEITSCHICHTEN, barrierefreier Zugriff im "GFGF-Buchladen", URL https://www.gfgf.org/de/b%C3%BCcher-und-schriften.html (ca. 240 MB)
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#6
Na klar, schließlich haben sie bei 7 soundso und 15 Zoll / Sekunde Bandgeschwindigkeit dieselbe Entzerrungszeitkonstante. Für 1 soundso und 30 Zoll / Sekunde wäre das aber doch zu pervers gewesen. Die Europäer haben für 38 und 76 cm/s dieselbe Zeitkonstante, nämlich 35 Mikrosekunden, während die Amis bei 76 cm/s 17,5 Mikrosekunden haben.

Ich würde bei 19 und 38 cm/s eher die Zeiten der IEC nehmen, und bei 76 cm/s lieber die der NAB. Kommt aber auch darauf an, was man will.
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#7
Hallo Grasso!

Ich habe mal ein wenig geblättert. Laut IEC ist bei 76 cm/s 17,5 µs vorgesehen, 35 µs taucht aber auch auf, was eher für 38 cm/s gedacht ist.
Die Amis (NAB) nehmen sowohl bei 19 und 38 cm/s 50 + 3180 µs als Entzerrung, soweit meine Informationen. Letzteres deckt sich mit Friedrichs Angaben. Zu NAB bei 76 cm/s habe ich keine Informationen. Hans-Joachim, kannst Du aushelfen, Du dürftest etwas mehr Literatur haben!

Andreas, DL2JAS
Was bedeutet DL2JAS? Amateurfunk, www.dl2jas.com
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#8
Lieber Andreas,

Friedrich hat da noch um einiges mehr und ist letztlich der Fachmann, der lange Jahre aus den Quellen trank, während sich unsereiner mit den von der Reichen Tische fallenden Brosamen zu bescheiden hatte.

Mit 76,2 bzw. 77 kommen wir in großen Schritten in die dünne normenarme Höhenluft der Frühzeit der Tonaufnahme, deren Ende Richtung 38,1 cm/s nicht zuletzt die Profis leidenschaftlich herbeisehnten: Gut 40 Minuten Pause bis zum nächsten Bandwechsel....

Mit dem allgemeinen Umstieg der Szene auf 38,1 cm/s, der über die 1950er lief und anfang der 1960er abgeschlossen wurde, war 76 dann ja letztlich -so schien es- zunächst völlig erledigt; der SFB war sogar anfangs der 1960er Jahre so weise, die RRG-Stereo-Originale aus H. Krügers Besitz nach der Kopie auf 38 schlicht wegzuwerfen. War ja Technik von vorgestern, zu deren Zeiten auch die Bezugsbandwirtschaft erst anlief.

Vielleicht erzählt Friedrich einmal von den Ringmessungen in den 1950ern und den -doch illustrativen- Ergebnissen.... dieser Unternehmung, denn die RRG dachte wohl nicht zuletzt auch über den Verstand Walter Webers erst ab etwa 1944 an so etwas wie ein Bezugsband, was dann aber nicht weiter verfolgt wurde. Weber war gestorben und auch sonst standen zunächst einmal andere Probleme an....

Genormt waren hierzulande in der früheren Zeit (also BAchkreig[*], 1950er/60er Jahre) auch für 76,2 35µs, die 17,5 µs spuken aber auch immer wieder dazwischen herum, werden auf den Kartons aber eher selten vermerkt.

Das zweite Leben von 76,2 begann mit den Vielspurgeräten und dem Aufkommen der Digitaltechnik, worauf die Analog-Masterer (auch das so ein neuer Begriff dieser Zeit) mit 76,2 antworteten, was ja nun durchwegs königliche Bedingungen bereitstellt. AES-EBU entschieden sich dann, wenn ich mich recht zurückerinnere, für 17,5µs, obgleich seit 1961/62 DIN 45513/1 35µs empfohlen hatte.

Ansonsten sehe ich einmal in meinen Dokumentbeständen nach, bzw. hoffe, dass Friedrich mir zuvorkommt...

Hans-Joachim

P.s. und edit:
* Ach ja, der Kapellmeister Bach von Leipzig ...,

... war aber nicht gemeint, sondern die "Nachkrieg"szeit. Dank an die Mailhinweisgeber, die sich meiner armen Hackerseele erbarmten...
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