01.05.2007, 19:39
Lieber Ulrich (nebst Interessenten sonst),
wir sollten zwischen Raum und Richtung unterscheiden. Deine Formulierung "räumlich hört (Lokalisation)" meint die Einfallsrichtung, die in zweikanalig stereofonen Darbietungen auch der koinzidenzstereofonen Zeiten immer vorhanden war und mit dem Prinzip der Phantomschallquelle damals auch ganz brauchbar erklärt wurde.
Mit der Darstellung des Raumes jedoch, also der Suggestion einer Tiefe innerhalb einer Aufnahme, hat das eher nichts zu tun. Die Darstellung einer räumlichen Tiefe, die in der zweikanaligen Stereofonie 'eigentlich' gar nicht möglich ist, weil es nur eine reale Klangerzeugungsebene gibt (und das ist die der mittleren Abstrahlorte aller Lautsprecher), erfolgt auf anderem Wege. Wir hören ja sehr deutlich, dass sich Aufnahmen diesbezüglich massiv unterscheiden können, was nicht zuletzt durch die Diskussionen zur Zeit der Markteroberung der CD in den Fokus aufnahmetechnischer Diskussionen gelangte und schlichte Umwälzungen auslöste. Ein weiterer Schritt wurde dann im Zuge der Diskussionen mehrkanaliger, 'raumbezogener' Aufnahmetechniken für Surround vollzogen.
Ich führe das jetzt einmal nicht weiter aus, zumal ich in dieser Richtung neulich in einem anderen Thread auch schon einmal herumgestänkert habe. Sich jedoch mit den abenteuerlichen Interpretationsvorgängen des menschlichen Gehörs beim Abhören (oder besser Interpretieren) eines Angebotes ab zweikanalstereofoner Wieergabeeinrichtung zu befassen, hat jede Menge für sich, zumal derlei "Wiedergaben" über die Existenz des Menschen betrachtet ja extrem junge Phänomene sind, an die eine evolutionäre Anpassung nicht möglich war. Das Ohr sucht sich 'etwas' aus der Wiedergabe heraus, das es als 'Rauminformation' interpretiert; spektrale Laufzeitabweichungen sind es indes nicht, denn gerade hier (die heutigen Marktstrategen freut das nicht besonders) ist das menschliche Ohr extrem unempfindlich; entwicklungsgeschichtlich war also die Entwicklung eines Rezeptors hierfür nicht nötig. Die einschlägigen Versuche mit Allpässen durchaus höherer Ordnung werden immer wieder und wurden schon lange mit ordentlichem Hallo gemacht, weil nicht zuletzt fasziniert, welche Deformation einer Information vom Ohr negiert wird. Diese Gewissheit beruht also nicht auf einer mängelbehafteten Erfassung der Gehörsleistung in der tontechnischen Steinzeit (, die übrigens nachweislich Stereofonien pflegte, die heute wieder up to date sind: Die RRG-Stereos lehren das), sondern tatsächlich auf dem Fehlen des entsprechenden Rezeptors.
Wer sich für die Vorgänge beim stereofon-medialen Hören interessiert, lese Günther Theiles Dissertation von 1980, die im Netz zum Download bereitsteht. Nachdem die dort abgehandelten Sachverhalte -s.o.- auch bei der Surround-Technik wieder Aufmerksamkeit beanspruchen, hat Günther sich mit der Sache eigentlich seither fortlaufend weiterbeschäftigt und die dabei (nicht zuletzt unter experimentellem Nachweis) gewonnenen Einsichten in einemmehrfach aktualisierten Aufsatz zusammengefasst. Der befasst sich zwar nun mit der Surroundtechnik, dennoch lassen sich wesentliche Aussagen bruchlos auf die zweikanalige Stereofonie übertragen.
http://www.hauptmikrofon.de/theile.htm
Der zweite, eben angesprochene Aufsatz trägt den Titel "Multichannel natural music recording based on psychoacoustic principles" und findet sich in der ohnehin denkbar umfänglichen Publikationsliste auf der oben angegeben Seite. Eigentlich kann man die Lektüre jedes dort verfügbaren Textes nur wärmstens empfehlen, muss dabei aber bedenken, dass Günther Physiker ist, der wissen möchte, was geschieht, was das Ohr mit einem Angebot anfängt. Der Tonmeister will dagegen gestalten, seine Handschrift einbringen, was ein völlig anderer Ansatz ist, der nur insofern mit Günthers Interessen/Aufgaben korreliert, als der Tonmeister mit der Realisation seiner klanglichen Wünsche erfolglos bleiben wird, wenn er Mittel anwendet, die das Gehör nicht für die entsprechenden Zwecke nützt bzw. nützen kann.
Hans-Joachim
wir sollten zwischen Raum und Richtung unterscheiden. Deine Formulierung "räumlich hört (Lokalisation)" meint die Einfallsrichtung, die in zweikanalig stereofonen Darbietungen auch der koinzidenzstereofonen Zeiten immer vorhanden war und mit dem Prinzip der Phantomschallquelle damals auch ganz brauchbar erklärt wurde.
Mit der Darstellung des Raumes jedoch, also der Suggestion einer Tiefe innerhalb einer Aufnahme, hat das eher nichts zu tun. Die Darstellung einer räumlichen Tiefe, die in der zweikanaligen Stereofonie 'eigentlich' gar nicht möglich ist, weil es nur eine reale Klangerzeugungsebene gibt (und das ist die der mittleren Abstrahlorte aller Lautsprecher), erfolgt auf anderem Wege. Wir hören ja sehr deutlich, dass sich Aufnahmen diesbezüglich massiv unterscheiden können, was nicht zuletzt durch die Diskussionen zur Zeit der Markteroberung der CD in den Fokus aufnahmetechnischer Diskussionen gelangte und schlichte Umwälzungen auslöste. Ein weiterer Schritt wurde dann im Zuge der Diskussionen mehrkanaliger, 'raumbezogener' Aufnahmetechniken für Surround vollzogen.
Ich führe das jetzt einmal nicht weiter aus, zumal ich in dieser Richtung neulich in einem anderen Thread auch schon einmal herumgestänkert habe. Sich jedoch mit den abenteuerlichen Interpretationsvorgängen des menschlichen Gehörs beim Abhören (oder besser Interpretieren) eines Angebotes ab zweikanalstereofoner Wieergabeeinrichtung zu befassen, hat jede Menge für sich, zumal derlei "Wiedergaben" über die Existenz des Menschen betrachtet ja extrem junge Phänomene sind, an die eine evolutionäre Anpassung nicht möglich war. Das Ohr sucht sich 'etwas' aus der Wiedergabe heraus, das es als 'Rauminformation' interpretiert; spektrale Laufzeitabweichungen sind es indes nicht, denn gerade hier (die heutigen Marktstrategen freut das nicht besonders) ist das menschliche Ohr extrem unempfindlich; entwicklungsgeschichtlich war also die Entwicklung eines Rezeptors hierfür nicht nötig. Die einschlägigen Versuche mit Allpässen durchaus höherer Ordnung werden immer wieder und wurden schon lange mit ordentlichem Hallo gemacht, weil nicht zuletzt fasziniert, welche Deformation einer Information vom Ohr negiert wird. Diese Gewissheit beruht also nicht auf einer mängelbehafteten Erfassung der Gehörsleistung in der tontechnischen Steinzeit (, die übrigens nachweislich Stereofonien pflegte, die heute wieder up to date sind: Die RRG-Stereos lehren das), sondern tatsächlich auf dem Fehlen des entsprechenden Rezeptors.
Wer sich für die Vorgänge beim stereofon-medialen Hören interessiert, lese Günther Theiles Dissertation von 1980, die im Netz zum Download bereitsteht. Nachdem die dort abgehandelten Sachverhalte -s.o.- auch bei der Surround-Technik wieder Aufmerksamkeit beanspruchen, hat Günther sich mit der Sache eigentlich seither fortlaufend weiterbeschäftigt und die dabei (nicht zuletzt unter experimentellem Nachweis) gewonnenen Einsichten in einemmehrfach aktualisierten Aufsatz zusammengefasst. Der befasst sich zwar nun mit der Surroundtechnik, dennoch lassen sich wesentliche Aussagen bruchlos auf die zweikanalige Stereofonie übertragen.
http://www.hauptmikrofon.de/theile.htm
Der zweite, eben angesprochene Aufsatz trägt den Titel "Multichannel natural music recording based on psychoacoustic principles" und findet sich in der ohnehin denkbar umfänglichen Publikationsliste auf der oben angegeben Seite. Eigentlich kann man die Lektüre jedes dort verfügbaren Textes nur wärmstens empfehlen, muss dabei aber bedenken, dass Günther Physiker ist, der wissen möchte, was geschieht, was das Ohr mit einem Angebot anfängt. Der Tonmeister will dagegen gestalten, seine Handschrift einbringen, was ein völlig anderer Ansatz ist, der nur insofern mit Günthers Interessen/Aufgaben korreliert, als der Tonmeister mit der Realisation seiner klanglichen Wünsche erfolglos bleiben wird, wenn er Mittel anwendet, die das Gehör nicht für die entsprechenden Zwecke nützt bzw. nützen kann.
Hans-Joachim