Sinniges und Unsinniges bez. des Frequenzbereichs >20 kHz
#51
Lieber Ulrich (nebst Interessenten sonst),

wir sollten zwischen Raum und Richtung unterscheiden. Deine Formulierung "räumlich hört (Lokalisation)" meint die Einfallsrichtung, die in zweikanalig stereofonen Darbietungen auch der koinzidenzstereofonen Zeiten immer vorhanden war und mit dem Prinzip der Phantomschallquelle damals auch ganz brauchbar erklärt wurde.
Mit der Darstellung des Raumes jedoch, also der Suggestion einer Tiefe innerhalb einer Aufnahme, hat das eher nichts zu tun. Die Darstellung einer räumlichen Tiefe, die in der zweikanaligen Stereofonie 'eigentlich' gar nicht möglich ist, weil es nur eine reale Klangerzeugungsebene gibt (und das ist die der mittleren Abstrahlorte aller Lautsprecher), erfolgt auf anderem Wege. Wir hören ja sehr deutlich, dass sich Aufnahmen diesbezüglich massiv unterscheiden können, was nicht zuletzt durch die Diskussionen zur Zeit der Markteroberung der CD in den Fokus aufnahmetechnischer Diskussionen gelangte und schlichte Umwälzungen auslöste. Ein weiterer Schritt wurde dann im Zuge der Diskussionen mehrkanaliger, 'raumbezogener' Aufnahmetechniken für Surround vollzogen.

Ich führe das jetzt einmal nicht weiter aus, zumal ich in dieser Richtung neulich in einem anderen Thread auch schon einmal herumgestänkert habe. Sich jedoch mit den abenteuerlichen Interpretationsvorgängen des menschlichen Gehörs beim Abhören (oder besser Interpretieren) eines Angebotes ab zweikanalstereofoner Wieergabeeinrichtung zu befassen, hat jede Menge für sich, zumal derlei "Wiedergaben" über die Existenz des Menschen betrachtet ja extrem junge Phänomene sind, an die eine evolutionäre Anpassung nicht möglich war. Das Ohr sucht sich 'etwas' aus der Wiedergabe heraus, das es als 'Rauminformation' interpretiert; spektrale Laufzeitabweichungen sind es indes nicht, denn gerade hier (die heutigen Marktstrategen freut das nicht besonders) ist das menschliche Ohr extrem unempfindlich; entwicklungsgeschichtlich war also die Entwicklung eines Rezeptors hierfür nicht nötig. Die einschlägigen Versuche mit Allpässen durchaus höherer Ordnung werden immer wieder und wurden schon lange mit ordentlichem Hallo gemacht, weil nicht zuletzt fasziniert, welche Deformation einer Information vom Ohr negiert wird. Diese Gewissheit beruht also nicht auf einer mängelbehafteten Erfassung der Gehörsleistung in der tontechnischen Steinzeit (, die übrigens nachweislich Stereofonien pflegte, die heute wieder up to date sind: Die RRG-Stereos lehren das), sondern tatsächlich auf dem Fehlen des entsprechenden Rezeptors.

Wer sich für die Vorgänge beim stereofon-medialen Hören interessiert, lese Günther Theiles Dissertation von 1980, die im Netz zum Download bereitsteht. Nachdem die dort abgehandelten Sachverhalte -s.o.- auch bei der Surround-Technik wieder Aufmerksamkeit beanspruchen, hat Günther sich mit der Sache eigentlich seither fortlaufend weiterbeschäftigt und die dabei (nicht zuletzt unter experimentellem Nachweis) gewonnenen Einsichten in einemmehrfach aktualisierten Aufsatz zusammengefasst. Der befasst sich zwar nun mit der Surroundtechnik, dennoch lassen sich wesentliche Aussagen bruchlos auf die zweikanalige Stereofonie übertragen.

http://www.hauptmikrofon.de/theile.htm

Der zweite, eben angesprochene Aufsatz trägt den Titel "Multichannel natural music recording based on psychoacoustic principles" und findet sich in der ohnehin denkbar umfänglichen Publikationsliste auf der oben angegeben Seite. Eigentlich kann man die Lektüre jedes dort verfügbaren Textes nur wärmstens empfehlen, muss dabei aber bedenken, dass Günther Physiker ist, der wissen möchte, was geschieht, was das Ohr mit einem Angebot anfängt. Der Tonmeister will dagegen gestalten, seine Handschrift einbringen, was ein völlig anderer Ansatz ist, der nur insofern mit Günthers Interessen/Aufgaben korreliert, als der Tonmeister mit der Realisation seiner klanglichen Wünsche erfolglos bleiben wird, wenn er Mittel anwendet, die das Gehör nicht für die entsprechenden Zwecke nützt bzw. nützen kann.

Hans-Joachim
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#52
Hallo Hans-Joachim
Erst mal vielen Dank für den interessanten Link. Ich habe einige der Texte darin überflogen. Das richtige Lesen und das Verstehen erfordert noch „etwas“ Zeit.
Mein Beitrag bezog sich auf den von 96k und was das räumliche Hören betrifft, dachte ich eher an ein echtes Schallereignis im Raum und nicht an die Reproduktion.
Ich finde man sollte verstehen wie der Mensch mit nur zwei Ohren überhaupt Geräusche im dreidimensionalen Raum orten kann (und auch die Grenzen dieser Ortung). Was macht das äußere Ohr mit Muschel, was das innere Ohr und was die graue Masse dazwischen? Muss der Mensch das (räumliche) Hören durch Erfahrung erst lernen (als Kleinkind)? Gibt es individuelle Unterschiede?
Erst dann kann man sich Gedanken über die (Stereo oder mehr) Reproduktion machen, meiner Meinung nach eine Überlistung bzw. Täuschung der menschlichen Wahrnehmung, wenn ich nicht die ursprüngliche Wellenverteilung im Raum (den ja auch noch) nachbilden kann. Der Konzertsaal im Wohnzimmer?
Der Begriff “Abbildung des Raumes“ macht im Endeffekt ja auch keinen Sinn wenn ich nicht weiß welchen ursprünglichen Raum ich abbilden will. Was ist falsch und was richtig? Oder schaffe ich mir den „Raum“ erst? Welche Anteile im bzw. welche Veränderung des Signals (Pegel, Phase, Laufzeit) bewirken was? Wie ist der Einfluss des Hörraums (Es gibt ja keinen Normraum oder?) ? Um zum Thema des Threads zurückzukommen, welchen Einfluss hat das Frequenzspektrum?
Das im Zusammenhang mit dieser Theorie

Zitat:96k postete

Das System Hören könnte also durchaus Frequenzen über 20kHz zur Ortung von Schallereignissen nutzen.

96k
Wenn die Theorie das alles erklären kann bzw. in bestehende Erkenntnisse passt ist sie korrekt, wenn nicht... siehe
http://de.wikipedia.org/wiki/Falsifizierung
Na ja ich muss zugeben eigentlich habe ich davon keine wirkliche Ahnung, es sind halt nur meine Überlegungen dazu. Meine Sichtweise ist eine rein Technische, und was die Inhalte dieser Reproduktion betrifft reiner Konsument, kein Produzent.
Es bleibt die Frage ob Frequenzen über 20khz (oder 17khz, 18khz) irgendwas zum Hörgeschehen beitragen, egal ob direkt, indirekt, räumlich oder wie auch immer, ich meine nein, da ich keine Stichhaltigen Argumente für das Gegenteil finden kann.
Wenn ich mich irren sollte, bricht für mich keine Welt zusammen.
Gruß Ulrich
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#53
Hallo Ulrich

Zitat:uk64 postete
Es kann natürlich sein das bei der Schallplatte Störgeräusche innerhalb des menschlichen Hörbereiches (Rauschen, Rumpeln) zu einer scheinbar besseren „Abbildung des Raumes“ führen.
Zitat:uk64 postete
Es bleibt die Frage ob Frequenzen über 20khz (oder 17khz, 18khz) irgendwas zum Hörgeschehen beitragen, egal ob direkt, indirekt, räumlich oder wie auch immer, ich meine nein, da ich keine Stichhaltigen Argumente für das Gegenteil finden kann.
Wenn ich mich irren sollte, bricht für mich keine Welt zusammen.
Auch ich kenne eigentlich keine stichhaltigen und vor allem glaubwürdigen Quellen (HighEnd-Anbieter gelten hier nicht!), mit der man Deine Spekulation stützen könnte. Die Art meiner Annäherung an hochbittige und hochwertige Aufnahmen (beides muss nicht unbedingt Hand in Hand gehen) ist hierbei eine mit Bewegungsrichtung aus dem Computerbereich in das HiFi hinein.

Das man als Laie (bin ich übrigens auch) auf die Idee kommt, daß da "wo mehr da ist" (als nach oben hin) irgendwie auch "mehr zu hören" sein muss, ist ja durchaus auch ein nachvollziehbarer und naheliegender Gedanke, wenn auch wohl dennoch falsch. Gut, dass Du auf dieser Basis nicht versuchst irgendwas windig highendiges zu verkaufen, es Dir also egal sein kann ob wahr oder nicht. ;-)

Bei den ganzen Dingen, die man heute mit der Stereofonie und dem Surround anstellen kann, scheint mir der Forschungsstand wenn ich hin und wieder mal in Dinge wie Ohrsignale, HRTF und die versch. Arten der Laufzeit und Intensitätsstereofonie in Fachartikel reinlese doch sehr hoch zu sein.

Wenn man sich viele Dinge des Alltags anschaut, wie zB. akustische 3D-Simulationen in Computerspielen oder auch den Stand der Effekttechnik für die Kopfhörerwiedergabe, so staunt man nicht schlecht, wenn man manchmal hört was so alles als Ergebnis bei rumkommt und mit einem Blick auf eine Frequenzgangvisualisierungen sieht, wo zT. die Frequenzgänge enden.

Beispiel für eine Entwicklungsumgebung

Ich gehe mal davon aus, daß ein Zusammenhang wie Du ihn spekulativ aufmachst doch aufgefallen wäre, bzw. auffällig oft dort zu finden wäre, oder zitiert worden wäre. Insbesondere deshalb, weil es bei Existenz doch wohl dann ein weiteres verkaufsförderndes Argument für die LP, unabhängig von Liebhaberei, Hype und Retro. Dem scheint aber wohl nicht so.

Gruß
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#54
Zitat:lomay postete
Wenn ich lese, was hier teilweise für Lobeshymnen über elektronische Aufzeichnungen geschrieben werden, "alles über 15.000 oder 17.000 Hz wäre nicht relevant", dann frage ich doch, warum es Firmen wie Krell, Mark Levinson, Burmester und diverse weitere gibt, die Verstärker bauen, die von 0 Hz bis 100.000 Hz übertragen.
Weil die Marketingabteilungen (Marketing: man hat Hühner, haut denen die Füße breit und verkauft sie als Enten) den Leuten in Ermangelung anderer Innovationen einredeten, das wäre unheimlich wichtig.

Verstärker mit großer Bandbreite sind schon wichtig, aber die große Bandbreite müssen sie nur innerhalb ihrer Gegenkopplungsschleife haben.
Nach außen hin reicht eine Begrenzung auf 20Hz-20kHz völlig aus.

MfG

DB
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