Was für "Synthesizer" gab es?
#10
Die frühe Rundfunkzeit hat jede Menge elektronischer Musikinstrumente hervorgebracht, wogegen wir uns heute -namentlich angesichts unserer elektronischen Möglichkeiten und Erfahrungen eigentlich verstecken können.

Die anfängliche Elektronik-Euphorie der frühen Rundfunkzeit wird im Trautonium Friedrich Trautweins, der Theremin-Orgel Lew Theremins (beide 1924) deutlich, die -wie die meisten elektronischen Musikinstrumente- ein weitreichend ausentwickeltes Verstärkungselement einschließlich zugehöriger Schaltungskonzepte voraussetzen, also zunächst -für annähernd 50 Jahre- die Röhre.
Gleichzeitig begann ja auch die Veränderung des klassischen Instrumentenkanons durch die Elektrifizierung, unter denen das Elektrochord Oskar Vierlings (1904-1986) als interessante wie unbekannte Konstruktion hervorragt, denn sie verbindet einen herkömmlichen Flügel nach Maßgabe akustischer Erfahrungen mit der Elektronik: Die Partialtöne liegen auf einer abgestimmten Saite -grob gesagt- an bestimmten, berechenbaren Stellen. Vierling ordnet nun an diesen Orten vom Musiker einschaltbare kapazitive Abnehmer (vgl. Kondensatormikrofon) an, die der Verstärkung und 'Nachbehandlung' (Mischung, Filterung) zugeführt werden (können), wodurch dem Spieler dieses nur über den Lautsprecher klingenden Instrumentes eine Palette zusätzlicher Klanggestaltungsmöglichkeiten eingeräumt wird.
Vierling selbst hat dem Deutschen Museum in München ein Electrochord vermacht, das dort in der Schausammlung, gleich neben den Siemens-Studio-Resten steht.

Vierling gilt auch als einer der, wenn nicht der Erfinder der elektronischen Orgel schlechthin, deren erstes Exemplar etwa 1938 unter seinen Händen (Kippgeneratoren mit Glimm-Stabilisator-Röhren) entstand.
Nachdem er durch die endlose auf ihn und seine Firma zurückgehende Reihe von Patenten auch auf die Tonaufnahmeecke Einfluss genommen hat, halte ich die etwas breitere Nennung seines Namens in seinem 100. Geburtsjahr für gerechtfertigt.

Der erst kürzlich (2002) verstorbene Oskar Sala war mit seinem zur Mehrstimmigkeit ertüchtigten Mixtur-Trautonium (ca. 1950) http://www.trautonium.de/sala.htm
ähnlich wie mein Kollege Gerhard Steinke mit seinem Subharchord (ab ca. 1965)
http://www.subharchord.de
im Staate der Dichter und Bauern dabei nur ein relativ spätes Beispiel. Steinke stand übrigens zweitweise einer eigenen Abteilung des Rundfunktechnischen Zentralamtes der DDR vor, die sich

Laboratorium für akustisch-musikalische Grenzprobleme

nannte. Man stelle sich eine derartige Forschungsinstitution in unserer vom neuzeitlich modischen Turbokommerz gekennzeichneten Kulturszene vor. Für ein solches Forschungsunternehmen aber war man in der finanziell doch chronisch unterdotierten DDR willens, Geld zu mobilisieren. Wenn wir heute uns dadurch beschämt fühlen, so ist das nicht zufällig, sondern unvermeidlich, denn ich höre den Mitbürger Dieter Hundt am heutigen Morgen in den Nachrichten neue politische Großtaten fordern, deren Fokus nun auf alles, nur nicht auf kulturelle Fragen abgestellt ist, obgleich unser Bruttosozialprodukt nebst Außenhandelsüberschuss ungeahnte Höhen erklommen hat.

Besondere Konstruktionen elektronischer Musikiinstrumente des Sythesizertyps besaß in den 1950ern de facto jedes Studio für elektronische Musik. Man denke dabei auch dasjeneige der Fa. Siemens, das im Deutschen Museum München in den elementaren Teilen halbwegs funktiontüchtig aufgebaut ist. Auch das gab es einmal. Siemens verlor aber schon in den späten 1960er Jahren (natürlich) die Lust am Betrieb. Es war ja Kultur, und wir im Westen. Leistung muss sich ja lohnen. Ach ja: Spannung mal Strom....


Hans-Joachim
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[Kein Betreff] - von Michael Franz - 06.10.2004, 07:27
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