Radio-Tonband-Kombination "Star 106" von Radio-Star
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Auf der Internetseite http://www.doctsf.com, auf der französische Radiosammler Informationen über alle in Frankreich hergestellten Rundfunkempfänger zusammentragen, ist die Firma Radio-Star mit über 50 Modellen aus dem Zeitraum 1925 – 1958 vertreten (auf der Startseite unter "Marque" Radio-Star eingeben führt zu einer Typenliste. Jedes Modell kann angeklickt werden.). Besonders bemerkenswert waren die Starlet-Modelle, tragbare Röhrenempfänger aus der Zeit um 1950 mit ungewöhnlichem Design.

Auf dieser Seite ist auch eine alte Aufnahme des Fabrikgebäudes von Radio-Star in Nizza zu sehen: http://www.doctsf.com/documents/afficher...ok=585_1_0.

In den fünfziger und frühen sechziger Jahren stellte Radio-Star auch Tonbandgeräte her. Mir bekannt sind die Modelle Star 104 (ein Röhrenkoffer), Star 106 (wie 104, aber mit eingebautem Radioempfänger), Star 106 P (wie 106, aber zusätzlich mit Plattenspieler) und Star 109 (ein Transistor-Tonbandgerät, das mit Netzteil, Akku oder Batterien betrieben werden konnte).

Von den Modellen 104 und 106 bzw. deren "P"-Versionen mit Plattenspieler ist bei den französischen Sammlern ein Prospekt zu sehen:
http://www.doctsf.com/documents/afficher...ok=584_1_0
http://www.doctsf.com/documents/afficher...ok=586_1_0
gewissermaßen Vorläufer unserer späteren Kompaktanlagen.

ZumModell 104 heißt es im Prospekt:
"HiFi-Verstärker. Neue, patentierte Gegentaktendstufe 7-10 Watt. Auf Wunsch mit Fernbedienung, Filmprojektor-Synchronisation, "Re-Recording" (?).
Für Spulen bis 177 mm, Bandlängen 350, 500 oder 700 m. Hohe Wiedergabequalität. Präzises Bandzählwerk. 3 Geschwindigkeiten 19 - 9,5 - 4,75 cm/s. Spieldauer bei 2 Spuren 1, 2 oder 4 Stunden oder das Doppelte mit extra dünnen Band. Schneller Vor- und Rücklauf. Anschluß für Fußpedal. Verstärkerausgang. Trickfunktion. Perfekte Synchronisation mit Filmprojektoren. Abmessungen geschlossen: 40 x 28 x 18 cm. Gewicht 12 kg. Anschluß für Außenlautsprecher (8 Ohm). Eleganter Koffer aus Sperrholz, sehr robust, hochwertiger Kunststoffüberzug. In verschiedenen Farben erhältlich. Deckel abnehmbar, Koffer abschließbar."

Zum Modell 106:
"Wie 104, mit eingebautem Empfänger für 5 Wellenbereiche. Automatische Aufnahme vom Radio ohne Mikrophon. Gewicht: 13 kg."

Zu den "P"-Modellen:
"Wie 104 und 106, mit eingebautem Plattenspieler für vier Geschwindigkeiten 78 - 45 - 33 - 16 UpM, für Normalplatten und Mikrorillen. Abmessungen: 66 x 36 x 21 cm. Gewicht 20 kg. Auf Wunsch auch mit drei eingebauten Lautsprechern."

Das Modell Star 106, also die Radio-Tonbandkombination, möchte ich hier näher vorstellen. Laut Internetseite der Sammlerkollegen stammt der Prospekt von 1957. Die Angaben auf den Bauteilen in meinem Gerät streuen etwas, die jüngsten stammen von Ende 1958.

Das Gerät steckt in einem Holzkoffer mit dunkelgrünem Überzug. Dazu gab es ein farblich passendes Köfferchen für Zubehör wie Mikrophon und Überspielkabel.

[Bild: RadioStar106a.jpg]

Das Unterteil des Koffers enthält die gesamte Mechanik und Elektronik, im Deckel sind Lautsprecher und Teleskopantenne untergebracht. Die Antenne läßt sich zu einer stattlichen Gesamtlänge von etwa 1,20 Metern ausziehen.

[Bild: RadioStar106b.jpg]

Das Gerät wartet mit einigen ungewöhnlichen technischen Lösungen auf. Das beginnt schon damit, daß das Band von rechts nach links abgespielt wird.
Beim Bandgerät handelt es sich um ein Ein-Motoren-Laufwerk für drei Geschwindigkeiten (19 – 9,5 – 4,75 cm/s) und Spulen bis 18 cm. Es verfügt über zwei Köpfe für Mono Halbspur nach internationaler Spurlage. Das Rundfunkteil ist ein Überlagerungsempfänger für Lang-, Mittel- und Kurzwelle.

Röhrenbestückung:
Nf-Verstärker mit EF86, ECC83, 2x EL86.
Empfangsteil mit ECH81 als Oszillator- und Mischröhre und EBF80 als Zf-Verstärker und Demodulator.
Dazu noch EM34 als Abstimm- und Aussteuerungsanzeige und EL84 als Löschgenerator.

Ein Blick ins Innere:

[Bild: RadioStar106c.jpg]

Auf der linken Seite sitzt der komplette Nf-Verstärker. Man erkennt links unten in der Ecke die EF86, in der Mitte die Doppeltriode und die beiden EL86, oben links in der Ecke die EL84. Das Rundfunkempfangsteil befindet sich rechts unten in der Ecke. Man erkennt den Drehkondensator, insgesamt sechs Ferritkerne von Spulen der Oszillator- und Vorkreise, zwei Zf-Filter und die ECH81. Die EBF80 ist hinter einem Zf-Filter versteckt.
Die Schwungmasse wird vom Motor über ein Reibrad angetrieben.
Der leider gerissenen Riemen, der auf dem Bild zu sehen ist, sorgt für den schnellen Rücklauf. Er wird dazu gegen die Schwungmasse gedrückt.

[Bild: RadioStar106d.jpg]

Links vorne auf der Deckplatte befinden sich Netz- und Motorschalter, Abstimmknopf und Wellenbereichsschalter, sowie Anschlüsse für Außenantenne und Fußpedal (= Pausentaste).
Das Rundfunkteil empfängt Lang-, Mittel- und Kurzwelle, letztere auf Wellenlängen von 54 bis 13 Metern entsprechend 5,6 bis 23 MHz, unterteilt in drei Bereiche. Mit seinem Funktionsprinzip als Überlagerungsempfänger und mit den beiden Röhren ECH81 und EBF80 ist es durchaus auf der Höhe eines Standard-Empfängers jener Zeit. Kurzwellenempfang bis hinauf zum 13m-Band ist allerdings ungewöhnlich. Bei den meisten Geräten war bei 16 oder gar schon bei 19 Metern Schluß. Die Empfangsleistung mit der Teleskopantenne ist ordentlich.
Der schwarze Knebelschalter ist wohl nicht original. Es müßte ein transparenter Schalter wie auf dem folgenden Bild sein. Leider sind diese Schalter nicht sehr solide.

[Bild: RadioStar106e.jpg]

Rechts vorne befinden sich der Regler für Lautstärke/Aussteuerung (Puissance), die Klangregler (Timbre, kleiner Knopf Bässe, großer Knopf Höhen), der Wahlschalter für die Laufwerksfunktionen (der kleine schwarze Knopf dient als Aufnahmesperre), die Eingänge für Radio/Phono und Micro sowie ein Ausgang für externen Verstärker. Mittels Schraubenzieher kann man umschalten zwischen Aufnahme mit (effacement) oder ohne gleichzeitigem Löschen (surimpression).

[Bild: RadioStar106f.jpg]

Am oberen Rand der Deckplatte befinden sich der Wählhebel für die Bandgeschwindigkeit und das Zählwerk, dessen vordere Scheibe Einer und Zehner anzeigt, die hintere Hunderter. Das Zählwerk ist beleuchtet.

[Bild: RadioStar106g.jpg]

Auf der Schwungmasse ist eine Stroboskopscheibe für 19 und 9,5 cm/s aufgeklebt. Die beiden Köpfe befinden sich unter einer gemeinsamen Abschirmung rechts der Tonwelle. Die Andruckrolle sitzt unter der Abdeckung, die auch eine manuell zu bedienende Pausentaste beherbergt (alternativ zum Fußpedal).

[Bild: RadioStar106h.jpg]

Restaurierung in vollem Gange...
Hier der Motor mit Geschwindigkeitswählhebel und zwei Reibrädern. Das rechte treibt die Schwungmasse an, das linke den linken (aufwickelnden) Bandteller. Der ist ebenfalls im Bild zu sehen. Für die Aufnahme habe ich die einzelnen Teile etwas auseinandergezogen. Der Wickelteller ist mit dem unteren Teil, bestehend aus Filz- und Gummiring, starr verbunden. Die gerillte Aluscheibe kann sich frei drehen. Das Reibrad dreht die Aluscheibe, in die über drei Federn der Filzring gedrückt wird. So erhält man eine Rutschkupplung. Für den schnellen Vorlauf werden die Federn noch stärker zusammengedrückt, bis der unterste Teil mit dem Gummiring fest auf der Aluscheibe aufsitzt. So erhält man eine starre Verbindung.

[Bild: RadioStar106i.jpg]

Noch mal ein Blick ins Innere, bei ausgebautem Motor.
Man erkennt die Riemenscheibe des rechten (abwickelnden) Bandtellers (ohne den gerissenen Riemen) mit der elektromagnetisch betätigten Bremse. Am unteren Ende der Achse wird deren Drehung auf eine Welle übertragen, die über einen Riemen das Zählwerk antreibt.

Zum Glück läßt sich der Motor nach Lösen von nur vier Schrauben aus dem Gerät nehmen. Die elektrischen Verbindungen sind gesteckt, nicht gelötet. Das schafft eine Menge Platz und man kommt deutlich besser an die restliche Mechanik heran. Dennoch geht es in der Kiste reichlich eng zu, Reparaturen werden leicht zum Geduldspiel.

Gruß
TSF

Edit 25.11.2011: Links zu doctsf.com aktualisiert
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Nachrichten in diesem Thema
[Kein Betreff] - von TSF - 03.05.2007, 13:22
[Kein Betreff] - von billy19at + - 12.06.2007, 18:40
[Kein Betreff] - von TSF - 16.09.2012, 14:54
[Kein Betreff] - von Roland - 18.09.2012, 19:40
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[Kein Betreff] - von Stereo_Record - 17.10.2016, 16:11
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