Tandberg TD 20 A SE
#1
Die Geschichte fängt, wie so oft, an mit: "...eigentlich wollte ich etwas ganz anderes kaufen...". Eine Revox B77 sollte es werden und eine Akai GX 636, die zusammen im Paket mit 300 Bändern im Stereo annonciert waren. Der Preis von DM 1500.-- war ganz o.k, aber ein Gedanke an meine desolate Finanzlage ließ mich kurz zögern - zu lange, denn als ich dann doch noch anrief, war alles schon verkauft. Direkt vor meiner Haustür, das tat natürlich weh. Da Frustkäufe ein probates Mittel sind, nach empfindlichen Niederlagen das seelische Gleichgewicht wieder herzustellen, blätterte ich - wo das Heft doch noch aufgeschlagen auf dem Tisch lag - einfach weiter und schon ein paar Spalten später wurde ich fündig: Die "TD 20 A SE mit Bändern" war zumindest einen Anruf wert. Die Bänder waren 19 an der Zahl, Maxell und TDK und die Maschine in gutem Zustand. Es handelte sich um eine SE-Veriante in 2-Spur mit Geschwindigkeiten 19 und 38. Mit dem Verkäufer, einem Berliner, wurde ich schnell einig, und schon ein paar Tage später war Wareneingang.

Der Postler, ganz ökonomischer Dienstleister, schleppte den Karton ins Haus und knallte in so geräuschvoll auf den Boden, daß ich sofort von meiner Arbeit aufschreckte und an den Ort des Geschehens eilte, ohne daß man hätte lange nach mir suchen müssen. Meine aufsteigenden Tränen in den Augen angesichts des geschundenen Kartons muss der gute Mann bemerkt haben, und er wusste mich sogleich zu beruhigen: Bis zu einem Meter Fallhöhe würde so ein Paket überstehen, wenn es ordentlich gepackt sei, sprachs und verschwand. Nun hatte er ja recht, aber das Paket war nicht richtig gepackt. Von Polsterung keine Spur, der Karton saß so eng wie ein Top von Pamela Anderson und man konnte schon die Stellen erkennen, an denen sich die Gerätefüße ihren Weg ins Freie suchten.

Das zu kleine Paket hatte aber auch einen Vorteil: Die 3-Zack-Aufnahmen waren aus Platzgründen abmontiert worden, und, wie der Berliner zu sagen pflegt, das war auch gut so. Sie wären sonst bestimmt abgebrochen, so wie das Kunststoffdingens mit dem Metalldingens abgebrochen war, an dem man die Staubschutzhaube einhängen konnte. Nun ich hatte diese Konstruktion nie gemocht, und damit konnte ich leben. Den hässlichen quadratischen Fleck mit den Kleberückständen kann man kaschierenSchwerwiegender war, das der rechte Bandzughebel nun am Gehäuse streifte und nicht mehr frei lief. Hierdurch kam es zur Schlaufenbildung beim Bandanlauf. Sonstige Katastrophen zum Glück keine. Also alles in allem ganz robust das Gerät.

Wenn man die Kiste anguckt, fällt einem das klare, "kühle" Design auf. Dieses Exemplar war schwarz, und das gefällt mir entschieden besser als meine silbernen Varianten. Die Knöpfen sind silberfarben und stechen optisch hervor, was für gute Übersicht sorgt, und man kann allerhöchstens überlegen, ob runde statt der quadratischen Tipp-Tasten nicht schöner wären.

Die Cinch-Buchsen liegen an der Rückseite vertieft, Steckrichtung bei stehendem Gerät nach oben. Man kann die Maschine auch legen, Füße sind vorhanden. Allerdings muss dann das Netzkabel stark abgeknickt werden. Die Qualität der Buchsen ist o.k, stabiler als zum Beispiel bei einer A77, mindestens ebensogut wie bei TEAC / TASCAM.

Die Staubhaube ist klar, dünn, leicht, eigentlich ganz gut, nur leider an der Rück- und an der Unterseite offen wie ein Scheunentor. Wenn ich ein Band längere Zeit auf der Maschine lasse habe ich ein schlechtes Gewissen. Die Revox-Hauben sind da besser. Schade, die Abdichtung nach hinten und unten wäre kein Problem gewesen, ist aber für Bastler nachträglich zu schaffen.

Das Bedienfeld ist klar und logisch gegliedert und weitgehend selbsterklärend, die Anleitung braucht man nicht unbedingt, sie ist auch nicht sehr erhellend. Die gut ablesbaren Instrumente sind Spitzenwert-Anzeigen. Nicht ganz ausgelotet habe ich die möglichen Eingänge. Line 1 in Cinch ist klar, dann gibt es noch die Radio-Din-Buchse die zusammen mit den Line 2 Cinchbuchsen und den Microfon-Buchsen (6,3 mm Klinke) in der Empfindlichkeit abgesenkt werden kann. 4 Eingangsregler sind vorhanden, evtl. Mischmmöglichkeiten habe ich noch nicht ausprobiert. Praktisch ist vor allem der Master-Regler, mit dem, wenn die Kanäle zueinander stimmen, diese zusammen auf und zu gemacht werden können. Praktisch auch die beiden auf der Frontplatte gut zugänglichen Ausgangssteller für jeden Kanal getrennt. Allerdings wünscht man sich auch hier einen "Master" oder eine Lösung aus Ausgangsregler in Verbindung mit einem Balance-Regler. Wenn man geschwind an der Maschine die Lautstärke runterstellen will, muss man 2 Knöpfe drehen und verstellt dabei leicht die Balance. Ansonsten laufen alle Potis und Schalter satt, ohne viel Spiel und ohne großes Kratzen. Macht Spaß, diese Maschine zu bedienen.

Die SE-Ausführung hat einen Schalter für eine spezielle, rauschmindernde Entzerrung. Diese wirkt, ähnlich wie ein Compandersystem, auf Aufnahme und Wiedergabe und SE-bespielte Bänder müssen auch mit SE wieder abgespielt werden. Ob das angesichts des heutigen guten Bandmaterials notwendig ist, bleibt zu testen, immerhin sind diese rauscharmen SE-Aufnahmen nicht kompatibel mit anderen Geräten.

Die mitgelieferten Bänder waren auf Metallspulen, also kam der Tandberg-NAB-Adapter zum Einsatz. Es handelt sich hier um die einfachen, einteiligen "Plastikdinger" wie sie immer wieder heftig kritisiert werden. Zu Unrecht wie ich meine. Metallspulen hat der Teufel im Zorn erfunden, und an einem besonders schlechten Tag ist ihm dann auch noch das NAB-Loch eingefallen. Der Tandberg Adapter erfüllt die Aufgabe, diesen technischen Unsinn doch noch zentriert auf der Maschine zu befestigen, sicherlich besser als z. B. der Revox-Adapter, bei dem man immer mit dem versprödeten und gerissenen Gummi und den klemmenden Kunststoffscheiben kämpfen muss, die keinen erkennbaren Vorteil bringen, denn die 3-Zack-Klemmung ist und bleibt schwächstes Glied der Kette. Auch die etwas besseren TEAC-Nabs können diese Schnittstelle nicht verbessern, auch wenn sie besser funktionieren wie die Revox-Adapter. Einzig die AKAI-NABS mit der 2. Klemmung auf dem 3-Zack bringen Vorteile, weil sie auch auf schwachen 3-Zack-Aunahmen sicher halten.

Die Metallspulen sitzen mit Tandberg-NABSs also fest auf der Maschine, laufen rund, der Bandwickel ist zufriedenstellend, vor allem wenn man die hohe Umspulgeschwindigkeit berücksichtigt. Das rangieren macht Spaß, die Bremswege kamen mir etwas lang vor, ich weiss nicht, ob das normal ist oder am Alter des Geräts liegt. Das Anlaufverhalten war wegen dem eingangs beschriebenen Defekt nicht zu beurteilen, mit klemmendem Fühlhebel war es natürlich schlecht.

Aber kommen wir zum wesentlichsten, dem Klang: Und der ist einfach superb. Die Maschine war an einem kleinen NAD-Verstärker angeschlossen (310) und an diesem ein paar JBL-Control G1 mit Woofer, meine Büro-Anlage. Nichts riesiges, aber ganz ordentlich klingend. Die Bänder waren in 19 oder 38 aufgenommen, von Radio oder Vinyl, nicht unbedingt audiophiles Material, aber die Aufnahmen waren mit Sorgfalt von einer guten Anlage gemacht worden. Die Kanaltrennung war Klasse, der Bass sauber und konturiert, die Höhen voll da, ohne scharf zu sein, das ganze Klangbild würde ich mit seidig - warm - durchsichtig bezeichnen. Keine Sekunde lästig oder scharf. Mag sein, daß man bei einem direkten Vergleich mit dem Original oder mit CD Nachteile bemerkt, aber der Wunsch nach einer Klangverbesserung z. B. durch CD kam nie auf. Mit diesem Klang kann man bis zum Ende seines Lebens glücklich werden. Dies wohlgemerkt, bei Aufnahmen die ca. 20 Jahre alt waren, sich aber - wohl wegen Halbspur und hoher Geschwindigkeit - frisch gehalten haben.

Zu testen wären noch Eigenaufnahmen im Vergleich zur CD und auch, wie Tandberg-bespielte Bänder auf anderen Maschinen klingen und umgekehrt. Was bringt der SE-Betrieb gehörmäßig, und wie wirkt es sich gehörmäßig aus, wenn man SE-Aufnahmen normal abspielt? Ebenso wäre ein Vergleich interessant zwischen der 2-Spur-Highspeed und der 4-Spur-Normalversion.
Michael(F)
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[Kein Betreff] - von Michael Franz - 07.04.2004, 14:08
[Kein Betreff] - von highlander - 10.05.2004, 13:25
[Kein Betreff] - von Reelfreak60 - 12.08.2004, 10:09
[Kein Betreff] - von Grasso - 12.08.2004, 18:33
[Kein Betreff] - von Reelfreak60 - 13.08.2004, 08:45
[Kein Betreff] - von Michael Franz - 13.08.2004, 10:18
[Kein Betreff] - von Grasso - 13.08.2004, 17:06
[Kein Betreff] - von Jürgen Heiliger - 12.12.2004, 00:50

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