Wiedereröffnung
#5
Zitat:capstan postete
War es aber nicht auch dieser Trompeter, der trotz vieler Gegenstimmen, dennoch die Initiative ergriff und begann Sponsoren zu suchen und Geld für den Wiederaufbau zu sammeln?

Wäre es vielleicht besser gewesen die Ruine als ewiges Mahnmal für die Greuel des Krieges unberührt zu lassen?

Sicher gibt es hierüber verschiedene Meinungen?
Die Folgen menschliche Tuns sind immer ambivalent, weshalb die aktuelle Situation in der und zur Frauenkirche nicht verwundern sollte, die Dicta "Sinn" oder "Unsinn" werden daher immer sehr stark nach dem Gusto des jeweils Betrachtenden verteilt werden. Gerade die Geschichte Dresdens, die in den heutigen Bewohnern sichtlich lebendiger ist als in vielen anderen Städten, zeigt das.
Die Gegenstimmen bezüglich der Kirchenrekonstruktion (es war vieles nach dem Krieg abgefahren worden, vieles aber auch noch da) kamen aus bestimmter kunsthistorischer Ecke, wo -mit für mich durchaus nachvollziehbaren Gründen- generell Vorbehalte gegen Rekonstruktionen geltend gemacht werden.
Dies jedoch spielte für 'die Dresdner' (gibt es sie?, ich glaube, ja!) keine Rolle. Sie ließen sich daher auch von 'ihrer' Frauenkirche als integralem Gebäude nicht trennen, die Pläne zum Wiederaufbau waren ja selbst schon in der unmittelbaren Nachkriegszeit sehr weit gediehen, bis dann die politische Führung sicher primär unter dem Diktat vordringlicherer Aufgaben, den teilweise dramatischen Engpässen -17. Juni 1953- und erst dann der Atheismuskampagne der 1950er entschied (wir kennen derartige Umetikettierngen aus der aktuellen politischen Diskussionen....; sollte es ein Symbol sein, dass Dresden da heute wieder hineingezwungen wurde?), den Haufen Haufen sein zu lassen, ihn -wieder einmal- umzuetikettieren, numehr zum Mahnmal.

Die Frauenkirche war historisch eine Reaktion der mehrheitlich lutherischen "sächsisch-dreßdnischen" Bürgerschaft auf den Gesangbuchwechsel des Fürstenhauses, als dieses, um die "pohlnische" Königswürde erlangen zu können, zum Katholizismus konvertierte, was den Sachsen nicht schmeckte. Übrigens auch der Eheliebden Augusts nicht, bei der dies wohl nicht nur ein Fass zum Überlaufen brachte, weshalb sie nach Torgau übersiedelte, wo sie 1727 starb und im nahe gelegenen Leipzig nicht zuletzt unter Bachs musikalischem und Gottscheds literarischem Pomp in der Paulinerkirche (auch sie ist weg..., gesprengt durch die DDR-Führung) akademisch zu Grabe geleitet wurde.

Die Frauenkirche Dresdens symbolisiert also bis heute das bürgerliche Selbstbewusstsein einer Stadt, das zum Dresdner so gehört wie zum Münchener der jährlich einmal vorfallende, weißblaue Lokalrausch. Ich war daher nicht verwundert, dass es im Augenblick des Zerbröselns der alten DDR-Administration unter 'den Dresdnern' weltweit (!) zugunsten des Wiederaufbaues sofort vernehmlich zu rumoren begann, diesem Symbol wieder Leben einzuhauchen, welcherart auch immer. Das ruft natürlich Identifikationsfiguren auf den Plan.

Auch wenn ich die Dresdener Silhouette in natura nur ohne Frauenkirche kannte, meine Vorstellungen von dem, was war, allein entwickelt waren zwischen Canaletto und Vorkriegsfotos nebst -Filmen, sowie jenen erklingenden Aufzeichnungen von Verklungenem, so kann ich doch auch dem architektonischen Urteil lokaler Bekannter beipflichten, denen ohne 'die Kuppel' (das klingt aus deren Mund ein wenig anders) etwas an ihrer Stadt fehlte. Dass solch ein Ort zudem eine bewusste, ja ethisch fast aggressive Mahnung an die Unzulänglichkeit menschlich gelebter Moral in sich tragen kann -die Bombardierung Dresdens in drei Wellen war ein perfides Kriegsverbrechen (wovon Kriege indes voll zu sein pflegen, Harris hin, Irving her), das 'Läuterung' in der Erinnung an eine Vergangenheit erlaubt, die formal rekonstruiert ('re-pariert') wurde, macht die Rekonstruktion für mich bestechender als das Belassen jenes Grashügels innerhalb der Plattenbauten der Dresdener Innenstadt, die ihrerseits auf die Schneisen der Zerstörungen vom 13./14. Februar 1945 hindeuten, was der Kontrast zur Frauenkirchenarchitektur verschärfen wird.

Gegen diese, der Oberfläche ja sehr nahen, ethischen Dimensionen nimmt sich Güttlers Fehlgriff natürlich an sich unwesentlich aus. Gerade angesichts dessen fragt man sich aber, ob er denn von der Seite eines Nationalpreisträgers der DDR wirklich nötig war. Vielleicht ja gerade deswegen.

Der Aufstand innerhalb der Musikszene jedoch erschreckte mich, zeigte, dass da etwas gerade auch aus lokaler Sicht sehr schief gelaufen war. Denn die Orgelkommission, der auch Leute des Kompromissflügels angehörten, flog auseinander, die deutsche Orgelbauerschaft zwischen Klais und Jehmlich, Wegscheider und Ahrend lehnte die potenzielle Übenahme eines Auftrages zum Bau des Instrumentes ab, bevor ein solcher überhaupt ausgeprochen war, Dussmann forderte eine bereits geleistete Spende (ich glaube, das waren 1 Mio DM) zurück, mehrere Amerikaner stellten sehr schön gemachte Seiten ins Internet, auf denen sie ihr grobes Unverständnis über die gefallene Entscheidung äußerten. Spätestens das (alles) hätte einen Musiker doch veranlassen können, seinen Standpunkt vielleicht ein wenig in die Revision zu nehmen.

Nichts davon, obgleich der vom Zerfall der DDR mehr gebeutelte verdienstvolle Silbermann-Forscher (und natürlich Dresdner) Frank-Harald Greß zur Orgelfrage einen schönen Kompromissvorschlag auf der Basis des dritten Kirchenentwurfes von George Bähr ausgearbeitet hatte, der die konsequente Rekonstruktion des Silbermann-Instrumentes vorsah, jedoch auch die früher oder später kommen werdenden, von Bähr bereits vorgesehenen, aber bis 1945 nie gebauten Instrumente im Altar- und Musizierbereich für Güttlers und anderer Ensemblemusiker Zwecke installieren wollte. Es gab dennoch ein symbolisches Nein zur Rekonstruktion der Hauptorgel.

Ich beobachte, wie sich dieses Dresdener Exempel weiter entwickelt.

Hans-Joachim
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[Kein Betreff] - von capstan - 30.09.2005, 13:46
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