Unbekanntes Gerät WEBCOR
#11
Moin, moin.

Nach dem Krieg haben vor allem die deutschen Plattenspieler, also Dual, PE und Elac (als "Miracord") begonnen den US-Markt zu dominieren. Zusammen mit Garrard und BSR.
Dazu kamen noch kleinere Hersteller aus Europa, wie Braun, Thorens, Lenco usw.

Sowohl die deutschen Bandgeräte, als auch die Radio-Geräte hatten zunächst auch großen Erfolg gehabt.
Bei den Radios zunächst deswegen, weil die UKW bauten; in den USA hatte es in den Vierzigern einen kleinen UKW-Boom gegeben, nicht zuletzt weil die UKW-Patente nicht an der RCA gehangen hatten, sondern die Technik Patent-frei verwendet werden konnte. Dann wurden die UKW-Frequenzbänder, auf Initiative der RCA, verschoben, was alle bis dahin verkauften UKW-Geräte wertlos gemacht hatte, und dafür sorgte, dass zunächst mal der AM-Markt konserviert wurde.
Da die Deutschen aber nach dem Krieg ihre bisherigen Mittelwellen-Bänder verloren hatten, mussten die sich was überlegen, um qualifizierten Rundfunk-Empfang für die Bevölkerung zu ermöglichen: UKW, das die Telefunken schon 1919 vorgestellt und getestet hatte. Und damit waren sie in den USA konkurrenzlos. Bis der Transistor und damit die Mobil-Geräte kamen.

Bei den Bandgeräten dominierten unter den amerikanischen Herstellern anscheinend lange Zeit die semi-professionellen und die sogenannten Kleinstudio-Geräte. Adäquat, was in England Firmen wie Ferrograph oder Brenell gemacht hatten. Solche wurden auch primär in den HiFi-Zeitschriften beschrieben.
Von den Europäern fanden bei denen bestenfalls Tandberg, Philips (Norelco) und Uher statt. Schon Braun scheint zu klein gewesen, um in den Medien bemerkt zu werden oder heute in den 2nd Hand-Anzeigen aufzufallen. Obwohl Braun vom US-Markt gelebt hatte!

Trotzdem waren Firmen wie Grundig, Nordmende oder Telefunken präsent, und das wohl auch mit Stückzahlen. Grundig hatte, nach der Trennung vom Distributor Majestic, irgendwann sogar eine eigene Niederlassung in den USA, über die sie dort, bis in die Siebziger, 8-Spur-Recorder verkauften.

In der Audio vom April 1954 kann man lesen, warum "englisch" in manchem Band aus Europa wie "chinesisch" klänge, und wie man seine in England für den US-Markt gebaute Grundig umbauen müsse, damit es besser würde. Die Spurlagen waren unterschiedlich gewesen.
Übrigens erfährt man hier auch, die britische Ferrograph wäre in den USA 1954 nicht teurer gewesen, als die deutsche Grundig. Nur könne Majestic die Grundig liefern, Ferrograph sein Gerät hingegen nicht.
In der Mai-Ausgabe der Audio von 1960 gibt es z.B. eine Umbau-Anleitung, wie man aus einer monofonen Grundig 800 ein Stereo-Gerät machen kann ("Converting the Grundig to stereo", S.38ff). Es gab auch Leserbriefe zu Grundig Bandgeräten, aber auch Kurzvorstellungen zu Grundig-Lautsprechern oder Transistor-Radios in den 50er und 60ern.

Das Cover der Oktober-Ausgabe der Audio von 1963 ziert ein in den USA damals noch übliches Set. Wir würden es vielleicht als "Musiktruhe" bezeichnen. Schon in Vorkriegs-Zeiten waren in den USA auch die hochwertigen Anlagen solche "Truhen" gewesen, die von professionellen "cabinet maker" angefertigt und bestückt worden waren. Hier mit Verstärkern von McIntosh, einem UKW-Tuner von Scott, einem Plattenspieler von Rek-O-Kut und natürlich Bandmaschinen von Tandberg und Grundig.
Auch im Oktober 1959 veröffentlichte die Audio einen Artikel über das Feld der "Audio-Architekten", die sich damit beschäftigten, wo man seine Anlage im Wohnzimmer unterbrachte. "... A Grundig TM819 tape recorder was selected, because of its luxuries and attendant small size. ..." Ergänzt wurde der durch Verstärker und Tuner von The Fisher, sowie einem Rek-O-Kut-Dreher mit Fairchild-Arm. Ein Jahr zuvor gb es einne Artikel, in dem jemand aus einem 200 Jahre alten Klavier die Seiten entfernt, stattdessen ein Grundig-Tonbandgerät, einen Ebner-Plattenspieler und einen Heathkit-Verstärker eingebaut hatte.
Alles als Einbau-Chassis, also ohne eigene Gehäuse.
Ich hatte mal den Uher CG360 vorgestellt. In dem Artikel gibt es eine Zigaretten-Werbung aus den USA der 70er. Waren solche Einbau-Geräte handelbar?

Übrigens waren natürlich auch die deutschen Musiktruhen in die USA gekommen: Im Dezember 1955 schreibt E.T. Canby von der Invasion des amerikanischen Marktes durch solche "one-piece-sets", vor allem von Norelco (Philips), Telefunken und Grundig. Es hätte diese Sets in jeder denkbaren Größe gegeben, "... up to the enormous floor models that stores like Macy's in New York now sell en masse. They look utterly unlike any sets made here. They are expensively stylized, with vast numbers of radio bands, on the whole rather forbiddingly professional compared with our simplified radio-phono-graphs, some have everything - except TV. ..." Wohl auch Bandgeräte.
Es wären sicherlich außerordentliche Geräte, nur müsse man sich vor ihnen hinknien und fremde Sprachen für die Bedienung lernen. Auf jeden Fall würden sie sich sehr, sehr gut verkaufen.

Ich denke mal, es dürfte zunächst einen starken Markt an Bandgeräten unterhalb der Groß-Spuler gegeben haben, in dem auch die deutschen Hersteller mitgemischt hatten. Die wurden aber einerseits von den Kassetten-Abspielern verdrängt, die sich vor allem über den Auto- und Wohnmobil-Einbau super-gut verkaufen ließen.
Andererseits drängten irgendwann die japanischen Firmen massiv in den Markt, und die konnten, im Gegensatz zu z.B. Grundig, in Stückzahlen liefern! Das taten sie allerdings häufig unter den Handelsmarken amerikanischer Firmen oder unter selbst erfundenen Phantasie-Namen, wie "Kenwood", "Pioneer", "National", "Panasonic" mit englischem Ambiente. Da dürften "Nordmende" oder "Schaub-Lorenz", schon wegen der Aussprache, ein Problem gehabt haben.

Die Japaner profitierten vom "Transistor" und waren vor allem über den Markt der transportablen Geräte und der Fernseher in die USA gekommen, hatten sich damit eine stabile Position erarbeitet, und konnten dann auch HiFi in großen Stückzahlen in den Markt drücken. Die deutschen Hersteller verkaufte ihre "Stückzahlen" vor allem in Europa. In ihrem Markt-Segment hatten sie die US-Konkurrenten allerdings weitgehend verdrängt: Plattenspieler und vielleicht auch Tonband. Zunächst.

Am Beispiel der Plattenspieler sieht man, dass die deutschen Exporte dort noch bis in die frühen Siebziger funktioniert hatten, bis die Gold-Bindung des Dollar aufgegeben wurde und die D-Mark, im Vergleich zum Dollar, deutlich schneller im Wert stieg, als der Jen. Da war man nicht mehr Konkurrenz-fähig gewesen.

Nur konkurrierten die deutschen Bänzel-Dreher, meist doch Porti's, halt sehr viel früher mit einerseits den Japanern, andererseits mit LearJet-Kassetten. Die anderen waren kleiner, leichter und sahen oftmals moderner aus.
Anfang der Siebziger findet sich nur noch Grundig in den amerikanischen HiFi-Jahrbüchern und eine TK248 steht vor allem japanischen Großspulern gegenüber.


Tschüß, Matthias
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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Unbekanntes Gerät WEBCOR - von Veen - 19.10.2023, 21:18
RE: Unbekanntes Gerät WEBCOR - von kaimex - 19.10.2023, 21:26
RE: Unbekanntes Gerät WEBCOR - von Veen - 19.10.2023, 22:16
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RE: Unbekanntes Gerät WEBCOR - von R2R - 21.10.2023, 17:16

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