Qualitätsunterschiede bei Streamingdiensten
#1
Hallo,

bisher habe ich meine Musik meist von Tonträgern bezogen. Die Vorteile der mittlerweile allgegenwärtigen Streamingdienste leuchten mir aber ein, und ich erwäge, mir ein Abo zuzulegen. Spotify habe ich natürlich ausprobiert und benutze es manchmal zum Nebenherhören.

Nun gibt es ja eine Vielzahl von Streamingdiensten, von denen die meisten sich durch das Versprechen höherer Qualität von Spotify abzusetzen suchen. Anders als bei Spotify wird oft unkomprimierte CD-Qualität angeboten, oft auch zusätzlich "Masterqualität", also Material mit mutmaßlich höherer Samplingrate oder Bittiefe. Und an der Stelle beginnt meine Verwirrung.

Mir ist es nämlich nicht gelungen, glaubwürdige oder überzeugende Informationen darüber zu finden, ob man sich mit einem dieser, nennen wir sie qualitätsorientierten Streamingdienste irgendwelche greifbaren Vorteile erkauft. Die Anbieter selbst sind dabei natürlich keine Hilfe. Aber auch meine Suche nach objektiven Aussagen Dritter war ernüchternd. Ein m. E. repräsentatives Beispiel für einen "qualitätsorientierten Testbericht" findet man bei Heise, wo über den Anbieter Tidal etwa zu lesen ist:

Zitat:Wer saubere Ohren hat und gerne Musik hört, wird beim direkten Vergleich zwischen den verschiedenen Qualitätsstufen einen deutlichen Unterschied hören: Master-Dateien sind unkomprimiert und damit extrem dynamisch, während schon die CD-Qualität eine Qualitätsreduktion darstellt. Vor allem zwischen Standard- und Master-Qualität ergeben sich hier – entsprechendes Audio-Equipment vorausgesetzt – enorme Unterschiede. 

Die Master-Qualität ist dabei definitiv empfehlenswert, der Klang ist schlicht – wow! Auf der richtigen Audio-Hardware fühlt sich sonst als komprimiertes iTunes-AAC genossene Musik völlig neu an. Der Unterschied kommt vor allem bei Rock- und Akustik-Stücken sowie klassischer Musik zum Tragen.

Bei solchen Aussagen weiß ich gar nicht, wo anfangen. Schon der Satz "Master-Dateien sind unkomprimiert und damit extrem dynamisch" suggeriert, daß der Autor Datenkompression und Dynamikkompression durcheinanderbringt. Außerdem wird ja ein moderater Einsatz von Dynamikkompression gern als mehr "punch" wahrgenommen, dabei aber oft als "mehr Dynamik" fehlcharakterisiert, so daß eine Diagnose wie "extrem dynamisch" mich doppelt mißtrauisch macht. Und dann paradoxe Sätze wie "entsprechendes Audio-Equipment vorausgesetzt – enorme Unterschiede": entweder sind die Unterschiede enorm, aber dann höre ich sie auch auf meiner Feld-, Wald- und Wiesen-Stereoanlage; oder man braucht erst besonders hochwertiges Equipment, um sie zu hören, das macht sie aber zu subtilen Unterschieden. Und über die Unterschiede wüßte ich doch gerne Genaueres als "schlicht – wow!" und "fühlt sich [...] völlig neu an".

Weil ich diese subjektiv-unterinformierten "Testberichte" nicht hilfreich finde, dachte ich, frage ich mal hier, vielleicht kennt jemand sich aus.

Folgendes wüßte ich gern über die Streamingdienste:

1. Wenn man einen z.B. von Spotify angebotenen datenkomprimierten Stream hört: gibt es Qualitätsunterschiede zum entsprechenden CD-Track?

Mögliche Qualitätsunterschiede sind
(a) Verluste infolge der Datenkompression,
(b) eine Manipulation des Inhalts abseits der Datenkompression, z.B. durch eine Dynamikkompression oder eine sonstige (lineare oder nichtlineare) Verzerrung.

Man begegnet oft der Pauschalaussage "Spotify klingt schlecht". Das Erlebnis hatte ich durchaus auch schon, und zwar mit Besuchern, die ihr Mobiltelefon mit Spotify-Playlist an meine Anlage stöpselten. Aber da würde ich zunächst das Telefon verdächtigen und nicht den Streaminganbieter. (Ohne die Unterschiede genauer erforscht zu haben, fiel ein völlig übertriebener Dröhn-Baß auf. Vielleicht hatten die Handys einen Ohrstöpsel-orientierten Equalizer?) Mit Spotify auf dem PC konnte ich dieses Erlebnis nicht reproduzieren. Bei einem kurzen Direktvergleich über die Stereoanlage konnte ich keinen Unterschied zwischen Spotify (Web-Player) und CD wahrnehmen.

Nun hat Spotify dokumentiertermaßen ein Feature namens "loudness normalization", das Lautstärkeunterschiede zwischen Tracks angleichen soll. Dabei kommt auch ein Limiter zum Einsatz, wenn man "volume normalization" auf "Loud" stellt. Jedoch: "The web player and 3rd-party devices (e.g. speakers and TVs) don’t use loudness normalization."

Meine vorläufige Antwort auf die Frage lautet also: wenn man nicht Equalizer oder Normalisierung einschaltet, gibt es wohl keinen solchen Qualitätsunterschied, zumindest keinen, den man nicht auch bekäme, wenn man selbst die CD rippte und die Tracks auf die analoge Bitrate komprimierte. Mich würde interessieren, ob andere zum selben Urteil gekommen sind; und falls nicht, wäre ich dankbar für die Benennung konkreter Beispiele, an denen sich ein Unterschied klar ausmachen läßt.

2. Welche Qualitätsunterschiede bestehen zwischen den bei qualitätsorientierten Streaminganbietern als "CD-Qualität" und als "Master-Qualität" angebotenen Streams?

Das ist natürlich eine viel zu pauschale Frage. Aber mir kommt es oft vor, als habe sich bei Anbietern wie Nutzern der ebenso pauschale Konsens eingestellt, daß "hi-res"-Streams klar und für jedermann merklich besser seien als die CD-Qualität oder gar die "Spotify-Qualität". Und da würde mich interessieren, zu welchem Anteil wahrgenommene Unterschiede zurückzuführen sind auf
(a) geschicktes Marketing;
(b) den Placeboeffekt;
(​c) absichtlich erzeugte Pegelunterschiede zwischen verschiedenen Stream-Optionen, die auf das bekannte Phänomen "lauter klingt besser" abzielen;
(d) unterschiedliches Quellmaterial in verschiedenen Streams; oder
(e) die technische Überlegenheit des höherauflösenden Streams.

Eine grundsätzliche Diskussion über Punkt (e) bzw. über die Frage "brauchen wir mehr als CD-Qualität?" möchte ich hier nicht führen. Mich interessiert vornehmlich, in welche Kategorie die Unterschiede fallen, die einem bei den Streaminganbietern als "Masterqualität" verkauft werden.

Ich könnte auch fragen:
Wenn man einen "master quality"- und einen "CD quality"-Stream abgreift, ersteren auf 16 Bit reduziert und auf 44,1 kHz resamplet und die Pegel der beiden Streams abgleicht: ist dann noch ein Unterschied zu hören?
Oder direkter:
Kann es sein, daß man beim "master quality"-Stream besseres oder auch nur: anderes Quellmaterial bekommt?

Die Frage ist immer noch sehr pauschal; aber vielleicht hat jemand dazu Erfahrungswerte. Schon über Hinweise auf bestimmte Alben oder Stücke, bei denen deutliche Vorteile oder Unterschiede ohrenfällig geworden sind, würde ich mich freuen.

Viele Grüße
Moritz
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Qualitätsunterschiede bei Streamingdiensten - von Joseph von Arimathäa - 10.03.2023, 14:12

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