Rarität aus Bayern: VKS Mobile
#1
Hallo zusammen,

es gibt mal wieder Gelegenheit, einen Hersteller von Tonbandgeräten hier einzuführen, von dem – soweit ich sehen kann – im Forum bisher noch nicht die Rede war.

Gemeint ist die Firma VKS, Valentin Kirmeyer & Söhne, aus Erding, über die ich bisher keine weiteren Informationen gefunden habe als jenen einen dürren Satz bei radiomuseum.org, wonach die Firma 1962 erloschen ist. Falls jemand hier mehr über das Unternehmen zu erzählen weß, so würden vermutlich außer mir noch einige andere sich über eine Mitteilung freuen.

Hier geht es nun um deren Modell « Mobile ». Die Bezeichnung bietet Anlaß zu Fehlinterpretationen. Das Gerät ist mit seinen Abmessungen von 38,5 x 22 x 32 cm (B x H x T) zwar noch einigermaßen kompakt und mit einem Gewicht von 10 kg auch noch tragbar. Einen Tragegriff hat es auch.

   

Aber ein Mobilgerät für unterwegs ist es dennoch nicht. Bei dem guten Stück handelt es sich nämlich um einen Röhrenkoffer, der unbedingt eine Steckdose braucht.

   

Wenngleich die Firma VKS mit ihren Tonbandgeräten offenbar nicht groß in Erscheinung getreten ist, so haben die Herren Kirmeyer mit diesem Mobile dennoch ein Modell hervorgebracht, das den Vergleich mit den « großen » Herstellern nicht zu scheuen braucht.

   

Bei der Elektronik hat man sich für bewährte Lösungen entschieden, nämlich einen vierstufigen Verstärker mit den Röhren EF 86, ECC 83 und EL 84 sowie eine EC 92 als Hf-Generator und eine EM 84 als Aussteuerungsanzeige.

Die Mechanik dagegen ist eine sehr eigenständige Konstruktion.

Das Ein-Motoren-Laufwerk erlaubt die Geschwindigkeiten 9,5 und 4,75 cm/s und kann Spulen bis 15 cm aufnehmen. Dabei kann in beiden Richtungen aufgenommen und abgespielt werden. Die Laufrichtung wird mit dem Hebel auf der Tonkopfabdeckung gewählt. Wenn das Band an den Enden mit einer Schaltfolie ausgestattet ist, dann stoppt das Mobile zuverlässig. Man muß dann nur den Richtungshebel umlegen und erneut die Wiedergabe- bzw. Aufnahmetaste drücken (die beim Drehen des Hebels durch die Stop-Position in der Mitte grundsätzlich herausspringen) und schon geht's weiter. Einen solchen Komfort hatten nicht alle Hersteller zu bieten!

Beachtenswert ist auch, daß das Gerät in Englisch beschriftet ist. Man hat in Erding offenbar gleich international gedacht.

Links unten findet sich der Aussteuerungsregler. Wenn man den herauszieht, wird der eingebaute Lautsprecher abgeschaltet. Daneben gibt's Tasten zur Wahl des Eingangssignals. Der Lautstärkeregler rechts unten ist mit dem Netzschalter kombiniert. Mit der Tricktaste darüber kann man bei Aufnahme den Löschkopf abschalten. Der Umschalter für die Bandgeschwindigkeit daneben ist in inches per second beschriftet.

   

Unter der Abdeckung der Andruckrolle lugen noch Höhen- und Baßregler hervor sowie ein Hebelchen, mit dem die Pausenfunktion betätigt wird.

Und was ist mit schnellem Vor- und Rücklauf?

Haha, das ist ein echter Intelligenztest, wenn man – so wie ich – über keine BDA verfügt.

Ich gebe zu, daß es eine Weile gedauert hat, bis ich ihn bestanden habe. Der Richtungswahlhebel läßt sich in der mittigen Stop-Stellung etwas nach oben herausziehen und dann nach links oder rechts schwenken. Das Umspulen geht recht zügig, der Antrieb zieht völlig problemlos bis zum Bandende durch.

Beginnen wir mal, das Gerät zu entblättern.

   

   

Die Tonkopfbrücke trägt vier Köpfe in Halbspur-Mono-Ausführung von Woelke. Leider handelt es sich um jene Art von A/W-Köpfen, die heute oft wegen unterbrochener Wicklung unbrauchbar sind. Auch hier hatte es einen erwischt. Zum Glück fand sich im Ersatzteillager noch ein intakter.

Der Pausenhebel zieht Andruckrolle und -filze vom Band zurück und drückt mit dem Gummi-Bremsklotz gegen den rechten Löschkopf. Das Band bleibt zuverlässig stehen, der Hebel rastet ein.

   

Seitlich im Koffer gibt es einen kleinen Ovallautsprecher, der seine Sache sehr ordentlich macht. Zusammen mit den sehr wirkungsvollen Klangreglern und der kräftigen Endröhre ergibt sich ein sehr guter Klang, brillante Höhen und eine Andeutung von Baß.

Die Vorderseite des Koffers hat man innen mit dickem Alu ausgekleidet. Wenn man diese Abschirmung ein wenig abhebt, kommt darunter ein Datumsstempel vom November 1959 zum Vorschein.

Das Chassis läßt sich nach Lösen einiger Schrauben in zwei Teile zerlegen, nämlich die obere Deckplatte mit der gesamten Mechanik und den Unterteil mit der Elektronik.

Hier ist das Chassis noch in einem Stück, mit einem typischen Drahtverhau der fünfziger Jahre:

   

Und hier nun zerlegt:

   

   

   

   

Der Papst-Motor kann in beide Richtungen drehen. Zur Änderung der Drehrichtung muß er natürlich abgebremst werden. Dafür dient dieser Bremshebel.

[Das Bild, das hier erscheinen sollte, taucht jetzt am Ende als Anhängsel auf.]

Der originale Bremsbelag hatte sich bereits verabschiedet. Als Ersatz dient jetzt ein Stück alten Flachriemens.

Für den Antrieb der Tonwelle sorgen zunächst zwei Rundriemen, für jede Geschwindigkeit einer, die jeder eine Riemenscheibe antreiben, welche jeweils eine zweite Scheibe, innenliegend, mitnehmen.

   

Über diese inneren Scheiben läuft ein Riemen, der die Schwungmasse antreibt. Zum Umschalten der Geschwindigkeit wird dieser Riemen mittels eines « Hebewerks » von der einen auf die andere Scheibe umgesetzt.

   

   

Der Antrieb der Bandteller erfolgt vom Motor aus über Reibräder. Auch hier muß, entsprechend der gewählten Laufrichtung, umgeschaltet werden. Das geschieht mit Hilfe einer Gabel unterhalb des Motors, die mit dem Richtungswählhebel verbunden ist.

   

Die Gabel greift in den Stift zwischen den beiden Reibrädern.

   

Nicht irritieren lassen: der Motor ist hier um 180 Grad gedreht. Wegen der kurzen Kabel ist das ausgebaut nicht anders machbar. Die Gabel sollte natürlich sinnvollerweise nach oben zeigen.

So werden die Reibräder nach rechts oder links geschwenkt und jeweils eines treibt den gewünschten Bandteller an (der rechte ist hier ausgebaut).

Die Bandteller bestehen aus zwei Teilen.

   

Bei Aufnahme/Wiedergabe wirkt das Reibrad auf den unteren Teil und nimmt den oberen über den Filzring mit. Für den schnellen Vor-/Rücklauf zieht man den Richtungswahlhebel etwas heraus, was auch die Wippe mit den beiden Reibrädern anhebt, sodaß sie jetzt auf den oberen Teil des Bandtellers wirken.

Die gesamte Mechanik ist sehr solide gebaut, komplett aus Metall, ohne Plastik. Nach 60 Jahren war hier nur etwas Säubern und Schmieren nötig. Das hält wahrscheinlich nochmal 60 Jahre. Die Antriebsriemen mußten dagegen alle getauscht werden. In der Elektronik waren einige der EROs dringend zu erneuern, einige andere blieben erst mal drin.

Ich habe leider keinerlei Unterlagen zu diesem Gerät, kenne also auch keine technischen Daten oder den damaligen Verkaufspreis. Aber wer sich Ende der Fünfziger so ein « Mobile » zugelegt hat, der bekam etwas sehr Robustes und qualitativ Hochwertiges, an dem man sicher lange Freude haben konnte, wenn nur die Woelke-Köpfe lange genug durchhielten.

Wenn schon keine Unterlagen, so war doch wenigstens die originale Leerspule dabei, vermutlich ähnlich selten wie das Modell selbst.

So, das ist alles, was ich im Moment über das « Mobile » zu erzählen weiß.

Dann machen wir den Koffer jetzt wieder zu.

Der Deckelverschluß wird übrigens durch Drehen geöffnet oder verriegelt.

   



Gruß

TSF


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