Ein Blick auf die Sony TC-366 / TC-377
#1
"Liebe 366, eigentlich liebe ich Dich. Und ich hasse Dich!

Ich liebe Dich für Dein schlichtes Gemüt, Deine wonnigen Ecken und Kanten, Deine unkomplizierte Elektronik und Deine schlanke, durchaus sexy Figur. 
Ich hasse Dich für Deine zickige Mechanik, Deine miesen Launen, Deine Hinterhältigkeit!

Olle Diva! Undankbares Stück Technik! 
Ich verfluche Dich bis in alle Ewigkeiten!

Aber .. irgendwie liebe ich Dich doch.. "

   

Mittlerweile habe ich vier Stück dieses auch heute noch sehr beliebten Modells aus den frühen 70ern auf meinem OP-Tisch zerlegt und wieder zum Leben erweckt. Zeit, mal ein kleines Fazit zu ziehen.

Auch die Sony - Ingenieure haben sich damals einiges einfallen lassen, um mit nur einem Motor alle notwenigen Funktionen eines Tonbandgerätes gebacken zu kriegen. Respekt an dieser Stelle -  das muss ein ganz schönes Getüftel gewesen sein!

Etliche Federn, Umlenkrollen, Riemen, Hebel ectect .. da wird gezogen, geschoben, da werden die notwendigen Kräfte trickreich nach links & rechts, nach oben & unten übertragen. Alles mit einem zentralen Handhebel. Der natürlich im Nacken auch noch einen Mehrfach-Drehschalter bedient. 

   

Zwei separat zu betätigende Aufnahme-Kippschalter wirken über Hebel direkt auf das Aufnahmeboard, wo jeweils ein langer, schwer zugänglicher Mehrfach-Schiebeschalter auf die Platinen gelötet ist. Für die übliche 3- fach wählbare, mechanisch verriegelte Bandgeschwindigkeit  ist ein Drehschalter installiert, der 3 Kontaktebenen hat und verdammt wichtig für die Funktion des Gerätes ist. 

   

Die 3 Geschwindigkeiten werden über eine gefederte Gummirolle mittels "Getriebe" zwischen Motor und Schwungmasse generiert. Die Bandabeschaltung erfolgt elektrisch über einen dünne Bandführungshebel und mechanisch über eine ziemlich filigrane Feder-Sprungblech-Hebel-Mimik.

   

Was fiel bei allen Maschinen auf?

Die Elektronik:
Sämtliche Schalter waren stark korridiert, das Silber schwarz angelaufen. Da war eine Isopropanoldusche notwendig und kräftig Zähne putzen angesagt. Alle (schwer zugänglichen) Platinenschalter mussten gründlich gereingt werden, es läuft 'ne Menge drüber und wenn da schlechte Übergänge sind, macht weder Aufnahme noch Wiedergabe Spass. 
Die beiden oben erwähnten Drehschalter in ihren Ebenen mussten zerlegt und jeder Schleifer einzeln vorsichtig geschliffen und justiert werden - in der Hoffnung, dass da nichts abbricht oder völlig ermüdet ist. 
Der Motorkondensator musste immer neu. Auf die 60Hz- Umschaltung habe ich verzichtet, also 2uF rein & gut ist.  Ansonsten ist die Elektronik strukturiert aufgebaut, die üblichen I/O-Verstärker, Bias-Oszillator, Netzteilplatine, feddisch. Fast alles gut zugänglich für Messzwecke.

Die Mechanik:
Ist unterteilt in den oberen (primär Wickelteller, Bremsen, Funktionsführung Vor-/Rücklauf/Play..) und den unteren Bereich für den Antrieb, Geschwindigkeiten, Capstanübersetzung, Tonkopfbrücke ectect.. Höhernverstellungsmöglichtkeit für die Teller, damit nichts an der Frontplatte schleift und natürlich korrekte Bandführung zu den Köpfen.
Gummirollen zwischen den Tellern, die trickreich durch Hin- und Herschalten die Kraft vom Motor abholen und weitergeben.

   

Den meisten Ärger macht die Gummirolle zum flywheel, der Schwungmasse. Man kommt schlecht ran und es gibt auch nicht wirklich was zum Einstellen.
Wenn die (im einfachsten Fall) nur schmuddelig ist, ist es vorbei mit dem konstanten Lauf, die Maschine fängt an zu eiern und bleibt irgendwann stehen. Die Riffelung an der Capstan-Motor-Achsscheibe ist nach 50 Jahren auch fast weg, also glatt .. da ist dann das nächste Problem. Vorsichtig schleifen und die Spannfeder etwas einkürzen hilft erstmal.

Der Wahlschalter für Vor-/ Rücklauf etc .. dahinter verbirgt sich ein wüstes Hebel-Feder-Umlenk-hastnichgesehen-Mechanik-Kunstwerk, was gern verharzt und ausgeleiert ist. Alles sorgfältig reinigen, Fett austauschen, ölen, spannen. Dann klappt auch wieder die mechanischen Endabschaltung.

Riemensatz 4 teilig.. 1x Capstan-Hauptriemen, 1x rechter Wickelteller, 2x Bandzählwerk. 15€. Überschaubar.
Das Nussbaumgehäuse ist fast immer hinüber und braucht 'ne neue Oberfläche. Je nach Geschmack.

Ab & zu kaufe ich mal eine halb- oder ganz Tote, wenn ich Mitleid habe, mache sie wieder fertig & dann geht sie wieder in die Bucht. Sozusagen ein durchlaufender Posten hier. 

Für Tonband-Einsteiger auf alle Fälle ein gutes Startmodell. Wenn sie revidiert ist.

Hier mal ein kleines Video von einem meiner Babies..

Zitieren


Nachrichten in diesem Thema
Ein Blick auf die Sony TC-366 / TC-377 - von PAM - 04.07.2022, 22:46
RE: Ein Blick auf die Sony TC-366 - von Herbert - 05.07.2022, 06:20
RE: Ein Blick auf die Sony TC-366 - von timo - 05.07.2022, 07:22
RE: Ein Blick auf die Sony TC-366 - von PAM - 05.07.2022, 07:30
RE: Ein Blick auf die Sony TC-366 - von Herbert - 05.07.2022, 08:03
RE: Ein Blick auf die Sony TC-366 - von PAM - 05.07.2022, 08:33
RE: Ein Blick auf die Sony TC-366 - von Ickxsz - 05.07.2022, 13:30
RE: Ein Blick auf die Sony TC-366 - von PAM - 05.07.2022, 14:05
RE: Ein Blick auf die Sony TC-366 - von timo - 05.07.2022, 16:18
RE: Ein Blick auf die Sony TC-366 - von PAM - 05.07.2022, 19:03
RE: Ein Blick auf die Sony TC-366 - von Hannes - 06.07.2022, 18:13
RE: Ein Blick auf die Sony TC-366 - von PAM - 06.07.2022, 18:34
RE: Ein Blick auf die Sony TC-366 - von moxx - 06.07.2022, 19:24
RE: Ein Blick auf die Sony TC-366 - von PAM - 06.07.2022, 20:00
RE: Ein Blick auf die Sony TC-366 - von timo - 06.07.2022, 21:18

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste