Stereophonie im Wandel der Zeit
#11
Sehr interessanter Thread, der aber in der permanenten Gefahr schwebt zu zerfransen. Immerhin wurden gleich mehrere sehr wichtige Themen hier angesprochen:


1. Das Startthema von Andreas:
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Stereophonie im Wandel der Zeit ist eigentlich falsch, es müsste heißen: Tonaufzeichnung im Wandel der Zeit. Die Stereophonie ist ja nur eine Episode, wenn auch eine wichtige und lange. Davor war MONO, es gibt ernstzunehmende Leute, die schwören auch heute noch darauf. Stereophonie ist noch aktuell, aber die Präsenz von Multichannel / Surround zeigt, daß die Quadro-Leute nicht ganz auf dem falschen Dampfer waren.

Durch alle diese Entwicklungen hindurch war die Tonaufzeichnung mit folgenden Aspekten verbunden:


a) persönliche Eitelkeiten der Künstler

Schon in der Zeit, in der man in einen Trichter singen mußte, stritten sich die Duettpartner um den besseren Platz der davor sorgte, daß man sich auf Schellack besser anhörte. Immer wieder habe sich auch in der HiFi-Zeit Stars unter Mißachtung des künstlerischen Gedankens so in Szene setzen lassen wie sie meinten einen Anspruch darauf zu haben. Die LP als Bühne für die eigene Eitelkeit - dies hat sicher manche Produktion bestimmt.


b) technische Mögichkeiten

Der Forschungs- und Spieltrieb derTechniker sorgte dafür, daß die technischen Möglichkeiten auch genutzt wurden, auch wenn das künstlerische Ergebnis fragwürdig war. Ping-Pong-Stereo wäre zu erwähnen, die von Andreas erwähnte scharfe Kanaltrennung die vielleicht beeindruckend klingt aber sicher auch unnatürlich ist, auch solche Aufnahmen wie Tschaikovskis 1812 (mit dem Böller). Diese Aufnahme hatte nur den Zweck, eine bestimmte Auslenkung in die Rillen zu modulieren. Den TELARC-Technikern gelang das, die Industrie baute die Abtaster dazu, denn was bisher tadellos geklungen und funktioniert hatte konnte ja auf einmal nix mehr sein, wenn es diese eine Passage dieser einen Aufnahme nicht schaffte. Wenn man sich diesen mickrigen Böllerschuß dann mal anhört so fragt man sich: Dafür der ganze Aufwand?

Eine der ersten Digitalaufnahmen, Ry Cooders "Bop 'til you drop" klang vordergründig klasse. Das war eine tolle Testplatte. Lies man sich etwas näher mit der Musik ein so fiel einem auf, daß diese an sich tolle Musik so leblos daher kam. Ähnlich ging es mir mit den "Brothers in Arms" der Dire Straits. Es stört mich, wenn bei einem singenden Gitarristen die Stimme und das Instrument nicht aus der selben Ecken kommen sondern irgendwo im Raum rumgeistern.

Erst wenn sich die Euphorie über die neuen Möglichkeiten etwas gelegt hatte, wurde ernsthaft gearbeitet.


c) Modeerscheinungen

Auch die Ansicht darüber, wie eine gute Aufnahme zu klingen hatte wechselt von Zeit zu Zeit. Gerade die Aufnahmen der etwas "unflexiblen Handwerker" die Effekte scheuten um im Rahmen des Normalen blieben erwiesen sich als zeitlos. Die Living-Stereo-Aufnahmen von RCA gelten immer noch als Vorbildlich - und das nach all den Jahren.


d) Zweckgebundenheit

In einem Studio entdeckte ich ein paar "Monitore" die ich eher an einem Henkelmann von Aldi vermutet hätte. Kommentar des Besitzers: Viele der Bänder die ich produziere müssen an Kofferradios und Walkmen gut klingen. Wenn es über diese Boxen gut klingt, so klingt es auch über einen Henkelmann gut.
Auch werden viele Produktionen so abgemischt, daß sie "lauter" klingen als die Konkurrenz und die Radiosender verstärken das noch - die wollen auch lauter klingen als der Wettbewerb. Wer aus dem Radio aufnimmt hat nicht unbedingt den Original-Sound sondern den einer bestimmten Rundfunkanstalt.


Ich würde sagen: Im Laufe der Zeit haben sich die Möglichkeiten gewandelt und auch der persönliche Geschmack, nicht so sehr die Motive der Künstler und Techniker.


2. Thema das angeschnitten wurde: Die Rolle des Produzenten.
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George Martin wurde erwähnt. Man hätte auch Phil Spector nennen können. Es war für mich überraschend als ich erkannte, was für einen Einfluß der Produzent nehmen konnte. Der Künstler hat doch die Vorstellung davon, was auf Platte kommt, der Produzent setzt um. Dachte ich. In Wirklichkeit hat der Künstler oft nur Songideen, manchmal nicht mal das und der Produzent bestimmt welcher Song aufs Album kommt, ob man nicht besser diesen wegläßt und statt dessen jenen covert und ob man mit diesem Gitarristen oder jenem Orchester zusammenarbeitet. Das sich gestandene Künstler derart beeinflussen lassen oder diese Beeinflussung sogar suchen, hat mich sehr überrascht.



3. Thema: Technische Grenzen der Aufnahme-Wiedergabetechnik
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=> Andreas: Ich sehe keine Problem darin auch Töne unterhalb der 30 Herz abzutasten. Warum auch? Bei 0 Herz müsste sich der Abtaster am wohlsten fühlen, läuft er doch völlig ohne störende Auslenkungen in einer unmodulierten Rille. :-)

Ist nicht der Orgelton, mit dem der "Zarathustra" von Straß beginnt, tiefer als 30 Herz? Ich denke das Problem liegt hier eher bei den Lautsprechern als bei den Abtastern.



Das war, nach flüchtigem Lesen dieses Threads - der hoffentlich noch weiter geht - mein Senf zu Karfreitag.

- Michael -
Michael(F)
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