Gewölbte Orwo / Agfa Wolfen CH und CR
#12
Hallo in die Runde,

das hier dargestellte „Phänomen“ der Hohlkrümmung von Bändern auf Acetatat-Cellulose-Basis ist ein altes Problem schon aus den Anfangstagen der Magnetbandherstellung. Die Bandqualität war damals nahezu mit jedem Guß anders. Wenn man bedenkt, mit welcher Präzision hier in großem Maßstab gearbeitet werden mußte, dann wundert man sich eigentlich, welch ein hoher Standard zum Schluß erreicht worden ist.

Ich kenne die alten L-Extra Bänder noch aus meiner Jugendzeit und habe kürzlich einige Bänder aus den Zeiten ab 1936 erhalten. Mehrere davon sind noch im Zustand der Fabrikauslieferung.
Weil ich in Hamburg aufgewachsen bin, kannte ich damals die Agfa-Bänder aus Wolfen noch nicht. In den 1950er Jahren wurden nahezu alle Schichtbänder für Studiogeräte weltweit auf AC-Basis hergestellt,

Die hier im Faden vorgestellte Hohlkrümmung ist bei AC-Bändern durch Bandzugwirkung nicht zu erreichen, weil das Band vorher brechen würde. Trotz der Bruchneigung dieser Bänder wurde es gleichzeitig als Vorteil angesehen, dass beim Bruch nahezu keine plastischen Verformungen auftraten, und die Bänder nach Klebung wieder sendefähig waren. Die Bruchspannung ist nur ganz wenig höher, als die Spannung zur Erzeugung der höchstzulässigen Verformung des Bandes ohne hörbare Tonhöhenschwankungen. 

Die Hohlkrümmung ist ein Fertigungsmangel, dessen Vermeidung sehr schwierig war, denn die Herstellung von Tonbändern ist eine Probierwissenschaft und die Fertigungstechniker hatten „ dauernd damit zu kämpfen, daß die Eigenschaften der Einsatzstoffe unvorhersehbar schwankten …., woraus öfter teils zu steife, teils querkrümmige Bänder resultierten. Versuchte man es mit einer dünneren Schicht, um die Querkrümmung zu vermeiden, verfehlte das Produkt wichtige Kennwerte. (...) Voraussagen über das wahrscheinliche Verhalten einer Gießdispersion sind schlecht zu treffen. Die Fertigung ist deshalb hier zunächst noch eine rein empirische Angelegenheit, die durch langwierige Versuchsarbeit und Erfahrung unterbaut werden muß. 
Wie hatte es 1943, auf dem Höhepunkt der Magnetophonband-Krise, geheißen: „Die Eigenschaften des Magnetophonbandes sind im ganzen weder vorausbestimmbar, noch reproduzierbar.“ Engel, F. Et al. , Zeitschichten: Magnetbandtechnik als Kulturträger… S.314,


Die optimale und reproduzierbare Beherrschung der Herstellung von Magnetband erbrachte einem Hersteller sofort einen Wettbewerbsvorteil, der dann automatisch zum Betriebsgeheimnis wurde.


Wer noch wichtige Hinweise zum Problem durch Fachlektüre vertiefen möchte, der kann hier noch bei Zeitzeugen aus den Anfangstagen nachlesen:

Kallenbach, W., Meßtechnik der Magnetspeicher, in Winkel, F. Technik der Magnetspeicher, S. 367
Schiesser, H., Die Normung in der Magnetspeichertechnik, ebenda, S.548
Engel, F. Et al. , Zeitschichten: Magnetbandtechnik als Kulturträger… S.70 f,

Nun zur Praxis:
Erste und wichtigste Abhilfemaßnahme: Band mit Schicht nach außen wickeln und lagern!!!
Vor einer Digitalisierung das Band in feuchter Umgebung lagern, damit der Träger etwas Feuchtigkeit aufnehmen kann, falls er zu trocken ist. Das solltest Du aber vorher unbedingt an einem Probestück probieren.
Ich habe damit beste Erfahrungen gemacht und konnte alle meine historischen Bänder zu einem ordentlichen, freitragenden Wickel überreden.

Viele Grüße

Manfred
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RE: Gewölbte Orwo / Agfa Wolfen CH und CR - von Magnettonmanni - 03.12.2021, 15:59

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