Philips RK9 ...was ist das denn?
#1
Hallo Männer:innen,

da Tonband für mich mit früher zu tun hat, ergab sich daraus wieder ein Kaufreiz.
Dereinst stand im Wohnzimmerschrank meiner Eltern ein Packen Mutters "Das Beste"-Hefte,
Relikt ihrer Jahre als junge Hausfrau. Jahrgänge ca. 1957 bis 1969. Als neugieriger Zwerg studierte ich natürlich die Bilder. Im Gedächtnis blieb mir (außer der "Ex und Hopp"-Reklame) das Bild eines Tonbandgerätes, gestützt und beäugt von einer gezeichneten Dame mit merkwürdig weit auseinanderstehenden Augen und spitzen Fingern (Bild geistert im Netz rum). Das Tonbandgerät fand ich faszinierend, sah aus wie ein Kofferradio, hatte aber die Spulen obendrauf! Total witzig. Mein Taschengeld reichte damals für BASF-Band auf 8cm Spulen, Gebrauchtmarkt gabs irgendwie noch nicht. Genau diese Dinger würden dann auf mein PHILIPS RK9 passen, dachte ich mir so um 1970. Die Entwicklung war aber schneller, es wurde kein RK 9, sondern zunächst ein Telefunken Magnetophon CC alpha und dann ein Cassetten-Radiorecorder Philips RR 522.
RK9, das war im Geiste immer das Bild von den Philips-Tonbandgeräten mit den Spulen obendrauf. Kaum jemals habe ich eins zu Gesicht bekommen, auf Flohmärkten war ganz selten eines und wenn, dann entweder schrottig oder superteuer. Nein, danke.
Irgend ein Bekannter hatte auch mal gesagt, dass die Dinger eh sch***** gewesen wären. Mein Interesse war mehr als gering.
Ich hatte dann AKAI XIV, Grundig TK6, UHER Report an der Zahl, sogar Grundig TK3200, wozu ein RK9?
Aber, warum nicht mal eins zum Ausprobieren? Ich Nichtwisser! Habe nämlich eine Sache nicht geahnt, es gab zwei verschiedene Obendraufspuler von Philips, das RK5 war das, was ich die ganze Zeit im Kopf gehabt hatte. Auf den ersten Blick genau das Teil aus der Reklame. In der Bucht hatte ich in der letzten Zeit ab und zu mal geguckt, da waren welche, aber immer entweder schrottig oder zu teuer, gerne auch mit kaputter Klarsichthaube. Da bin ich pingelig, nein. Die Tage: Aha! Da isses, Preis ok, guter Zustand, heile Haube, Verkäufer ein Haushaltsauflöser ohne viel Kenne von dem Ding und kein "Edelbastler", der einen betuppen will, von wegen "Absolut TOPP!!!", "Rarität" oder so ein Quatsch. Er schrieb: "Zustand kritisch, defekt". Zustand kritisch fand ich aufgrund der Bilder gar nicht, defekt macht nix, will ja basteln. Kauf.
Das Paket kam, Gerät war sehr gut vepackt, die Haube ganz geblieben.

   

Beim Auspacken kam mir das Teil merkwürdig vor, recht groß und schwer war es, ein ziemlich fetter Brocken. Aber schön, alles noch heile von außen bis auf Winzigkeiten, nur etwas angegilbt und angegrabbelt. Man bedenke: 60 Jahre alt, der Kasten!
Hä? Kein seitliches Fach fürs Mikro, kein Batteriefach, Netzsteckeranschluss?

   

   

Ey, was hab ich da gekauft. Nachsehen im Radiomuseum half. Ich hab nicht das RK5, sondern das RK9 gekauft, das war mir überhaupt kein Begriff gewesen. Wie doof man sein kann, wieder was gelernt. Aber: Das RK9, alias EL3514, alias Maestro20 ist keine kleine Plastikkrähe mit nur 10cm-Spulen, Geschwindigkeit 4,75cm/s und Frequenzgang von 100-8000Hz, nein, es hat 9,5cm/s, 4-Spur-Technik, fasst (dann ohne Haube) bis zu 13cm-Spulen und hat einen Frequenzgang von 50-12000Hz. Das ist schon ein "richtiges" Tonbandgerät. Und, es hat zwar einen Mitnehm-Henkel, ist aber kein Batteriegerät, läuft nur mit Netzanschlusss, auch, weil es ein Röhrengerät (!) ist. Alles sehr merkwürdig. Ein Hochkant-Heimgerät also. Mit Röhrentechnik, die für diese Zeit (1961/62) für ein solches Teil doch schon veraltet war. Zumindestens hat es schon für die Vorstufe einen AC 117 an Bord. Wahrscheinlich billig, das konnten die Philipser, erschwingliche Geräte bauen, die gut geklungen haben. Wie kommt es dann, dass so eine Plastikgurke nach 60 Jahren dann noch so gut dasteht? Vielleicht ist es ja gar keine Plastikgurke?
Sofort Stecker rein....ratterratter-schnarr! Schnell wieder raus, ich muss es doch erst aufmachen. Außerdem stand es auf "Rücklauf" und die Taste klemmte.

   

Was haben wir....Donnerwetter, ein recht stattlicher Lautsprecher, der verheißt guten Klang.
Zum Größenvergleich die Cassette.

   

Tatsache, Röhren, ECC 83, EL95 und die Anzeigeröhre DM71, das "magische Ausrufezeichen". Ein kleiner, geräuschlos laufender Asynchronmotor. Zwischenräder mit saftig weichem, fleischigen, unzersetztem Gummi! Jawoll, kein Philips-Riemenschleim!
Das bedeutet, dass der Reparatur wenig im Wege stehen kann. Bin sehr positiv überrascht, keine Murks-Plastikteile im Innern, Gummiteile noch gut, sogar der Hauptriemen noch, ein Wunder!
Dennoch, auf der Schwungscheibe ist eine Schwabbel-Gummiabriebspur zu sehen, das muss doch was kaputt sein. Man wird sehen.
Das Gehäuse besteht aus 2 Hälften, die sich sehr einfach demontieren lassen.
Ich besehe mir erstmal die Köpfe...sehen kaum benutzt aus, die Andruckrolle ist auch noch astrein. Viel gelaufen wird das Teil nicht sein. Sehr schön.

   

Der Eisenknopf im Hintergrund dient zur Spurumschaltung, sehr aufwendig mit Bowdenzug im Innern geschalten. Sein Kollege auf der rechten Seite der Tonkopfsektion ist die Aufnahmetaste. 3 Drucktasten in der Mitte, Rücklauf, Start, Vorlauf (Entrasten durch leiches Nachvorneziehen), vorne Lautstärke/Aussteuerungsregler mit Netzschalter, fertig ist die Kiste. Einfache Bedienung. Wahrscheinlich deswegen die Werbung mit der Dame, es sollte den Frauen der Umgang mit dem Tonbandgerät schmackhaft gemacht werden, wer Nähmaschinen-Unterfäden richtig einfädeln kann, der kann auch das Tonband einfädeln.
Ob es gewirkt hat? Ich glaube nein, Frauen mögen meiner Erfahrung nach keine Tonbandgeräte, Cassette ja, aber bloß kein Tonband.

   

Jetzt kann man auch die Ursache für das Geratter beim ersten Einschalten sehen, es gibt doch Gummischleim, der Riemen für den Rücklauf hat sich in Lakritz verwandelt. Er legt sich um den Bandteller und auf der anderen Seite um eine kleine Zwischenrolle, die mit einem Gummireifen auf der Schwungscheibe rollert. Auch dieser Reifen war Matsche und hatte die Reibspur erzeugt. 

   

   

Ersatz? Ja, eine Kabeldurchführungs-Gummitülle aus der Grabschkiste passt genau und läuft perfekt. Riemen ist Standardware. Zack, fertig, etwas Öl und Gestängeschmiere und das Teil läuft wieder. Umspulen auch, im Grundigtempo aber.
Macht nichts, bei der Spulengröße ok.

So, jetzt, spielt es? Ja, aber lautes Kratzen und Krachen. Schieber und Poti reinigen, fertig. Spielt! Nur, etwas kraftlos und heiser isses. Röhrenverstärker, 60 Jahre alt, alles klar.

   

Einen 50µF Elko und zwei von den ockerfarbenen Folienkondensatoren ersetzt, aha!
Richtig lauter Sound, kräftige Höhen und Bässe. Das hätte ich von dem Ding nicht gedacht.
Auch Aufnahme und Aussteuerung mit der DM71 klappt, kein HiFi-Edelklang, aber ganz nett.
Eingangsbuchsen: Seitlich Mikro, hinten Radio und Phono (DIN), dann die Philips-Tonabnehmerbuchse und Bananenstecker-Lautsprecherbuchse mit Abschaltung.

   

Netzstecker: Erst dachte ich , es passt der vom alten Philishave, stimmt aber nicht, der ist kleiner. Man muss tricksen.
Wie, sag ich nicht.

   

Von oben lassen sich die beiden Service-Türchen öffnen, sehr praktisch.

   
   

Blöd ist, dass sich die Tasten im Gegensatz zum kleineren RK5 nicht "durch die Haube" bedienen lassen. Ein Wunder, dass die Haube hier noch existiert und nicht verklüngelt wurde oder jemand bei einer Party im dicken Kopp draufgelatscht ist.
Ein nettes Unikum, das RK9.

   

   

   


https://www.radiomuseum.org/r/philips_to..._3514.html

Da ist auch das Werbebild zu sehen, es suggieriert, einen Mitnehmkoffer zum Knuddeln
zu bekommen.  

Stimmt:

   

Gruß
Peter S.
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Philips RK9 ...was ist das denn? - von PSMS - 18.01.2021, 17:39
RE: Philips RK9 ...was ist das denn? - von PSMS - 18.01.2021, 20:17
RE: Philips RK9 ...was ist das denn? - von TSF - 18.01.2021, 21:59
RE: Philips RK9 ...was ist das denn? - von PSMS - 03.03.2021, 19:21
RE: Philips RK9 ...was ist das denn? - von PSMS - 05.03.2021, 23:08
RE: Philips RK9 ...was ist das denn? - von Falk - 03.02.2024, 16:02
RE: Philips RK9 ...was ist das denn? - von Falk - 03.02.2024, 21:05
RE: Philips RK9 ...was ist das denn? - von PSMS - 04.02.2024, 15:07

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