Vorstellung der wirklich letzten Studiomaschine mit DDR- Wurzeln: Die T5234, oder: Wie man seine guten Vorsätze am sc...
#1
Liebe Forianer,

das neue Jahr war noch keine 14 Tage alt, da hatte ich meine guten Vorsätze- nämlich keine weitere Maschine zu kaufen- auch schon wieder über den Haufen geworfen. ;(
Das Angebot war aber auch allzu verlockend, handelt es sich doch um eine Studiomaschine mit dem schönen Namen "Cutter AP T5234" und dem nahezu unglaublichen Baujahr 1993, zudem hat sie noch echte DDR- Wurzeln.

Als Sahnehäubchen- und das ist die eigentliche Sensation- mit Abholung direkt aus dem Lager des ehemaligen Herstellers ! Diese Maschine war nämlich nie verkauft worden, diente als Ausstellungsstück auf Messen und stand bis zuletzt die ganze Zeit im Lager, als Sicherheitsreserve bei Garantieansprüchen ehemaliger Käufer. Der Betriebsstundenzähler zeigt ganze 47 Stunden, bei einem Auto würde man von einem Vorführmodell sprechen... 8)
   

Da der Hersteller der Maschinen sein Produktportfolio schon vor längerer Zeit komplett umgestellt hat, war er jetzt intensiv dabei, sein Lager zu räumen. Und genau dabei kamen neben diversen Ersatzteilen auch noch zwei Studiomaschinen und eben diese Cuttermaschine zum Vorschein. Ein guter Bekannter kaufte dann vor Weihnachten diese letzten drei Maschinen und die Ersatzteile aus dem Lager komplett auf. Da er für die Cuttermaschine keine Verwendung hatte, konnte ich diese übernehmen.
   

Bevor ich nun zur Beschreibung der Maschine selbst komme, etwas zur Geschichte.
Wie vielen von Euch bekannt sein dürfte, wurden in der früheren DDR eigene Studiomaschinen entwickelt und gebaut. Bekannte Hersteller sind Beispielsweise das RFZ (Maschinen R700, R722, R722/1), der VEB Tontechnik Berlin (Nachfolgebetrieb der Thurow KG bzw. Sander & Janzen; Maschinen: T2211, T2221) und der VEB Fernmeldemessgeräte Berlin, unter dessen Dach dann noch vor der Wende mehrere Betriebe zusammengeführt wurden (unter anderem wurde der VEB Tontechnik hier mit integriert). Bekannte Maschine: T4224.



Ebenfalls bekannt ist die Tatsache, dass es für spezielle Anwendungen durchaus sehr kreative Lösungen im DDR- Rundfunk gab, so entstanden zum Beispiel die Cuttermaschine R35 (SJ110) für schnittlose Montage und die Cuttermaschine R34 (SJ105), auch hier auf dieser Internetseite näher zu bewundern:


http://treffpunkt.ig-ftf.de/viewtopic.ph...8b3417fbbc


Beiden Maschinen gemein ist die Tatsache, daß sie noch von Sander & Janzen in den 1950er Jahren gebaut worden sind. Nachfolgemaschinen unter der "Thurow" oder "VEB Tontechnik" Bezeichnung gab es meines Wissens nach nicht.
Nun, offenbar erinnerte man sich beim RFZ der Vorzüge, welche eine separate Cuttermaschine für einen Redakteur haben konnte und so wurde zum Ende der 80er Jahre ein Projekt ins Leben gerufen, welches sich mit der Neuauflage eines solchen Gerätes beschäftigen sollte. Die neue Maschine mußte selbstverständlich modernen Anforderungen Rechnung tragen, wobei man sowohl den inländischen Markt, als auch den Export in die sozialistischen Bruderländer im Blick hatte. Ob das Projekt in seiner theoretischen Phase noch zu DDR- Zeiten endgültig abgeschlossen wurde, ist nicht überliefert. Tatsache ist allerdings, daß durch die Wende eine praktische Ausführung dieser Maschine durch RFZ oder VEB Fernmeldemessgeräte nicht mehr möglich war.

Nach der Wende wurden dann die VEB- Betriebe bekanntermaßen abgewickelt, verkauft oder in Teilen als neue Gesellschaften ausgegründet. Eine dieser Ausgründungen betraf auch den VEB Fernmeldemessgeräte mit seinen Betriebsteilen. Die Nachfolgefirma hieß dann "Meß- und Tontechnik GmbH" und war nach wie vor unter der Adresse Chausseestraße 92, also der alten Adresse des VEB Fernmeldemessgeräte zu finden. Der neue Name hatte aber selbst nur wenige Jahre Bestand, bevor die Firma dann 1993 in "Anlagen, Ton- und Messtechnik GmbH"- oder kurz "AnToMe GmbH" umgetauft wurde. Ein Name, unter welchem sie bis heute besteht, wenn auch mit anderer Produktpalette und unter anderer Adresse.
Und eben jene "Meß- und Tontechnik GmbH" war es, bei welcher in den beginnenden 90er Jahren beschlossen wurde, das Projekt Cuttermaschine aus DDR- Zeiten wieder aufleben zu lassen und die Maschine in Kleinserie zu produzieren. Leider fehlen mir selbst belastbare Erkenntnisse, wieviele Maschinen diese Serie umfasste. Unter anderem auf dieser Seite hier ist die Anzahl allerdings mit 100 Stück angegeben:

http://www.history-weimar.de/sender/page/cutter.htm

Der Zeitraum, in welchem diese Maschinen gefertigt wurden, erstreckt sich lt. verlinkter Seite über die Jahre 1991 - 1995, also gerade mal 4 Jahre. Genauer kann auch ich es nicht sagen, ich beziehe mich in meinen Angaben auf das Jahr der Drucklegung der Service Anleitung und der Schaltbilder. Dabei sind die ersten Versionen von 1991, weitere Aktualisierungen dann von 1993.
Fest steht ebenfalls, daß die ersten, produzierten Maschinen noch das Firmenzeichen der "Meß- und Tontechnik GmbH" tragen, wogegen spätere Maschinen dann mit dem neuen Namenszug "AnToMe" gelabelt sind. Der letzte Link zeigt eine dieser früheren Maschinen, meine eigene dagegen ist eine spätere Version von AnToMe mit dem Baujahr 1993.

Was macht diese Maschine jetzt so besonders und wie unterscheidet sie sich zu ihren beiden Vorgängern aus der DDR ?

Ein erster Blick zeigt es schon- das Design ist anders als bei bisherigen DDR- Maschinen. Durch die Pultform, das fahrbare T5000- Rack und den Buchenholzrahmen sieht sie ungewöhnlich gefällig aus. Besitzt dadurch meiner Meinung nach den größten WAF aller DDR- Studiomaschinen. Solch ein Gerät könnten wohlwollende Gattinnen also durchaus im Wohnzimmer tolerieren, auf jeden Fall eher als beispielsweise eine T2221...

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Was fällt noch sofort auf ? Keine Frage, der dritte Bandteller, der für Studiomaschinen ungewöhnlich- für Cuttermaschinen aber wiederum charakteristisch ist.

Dieser hat natürlich einen eigenen Motor, wird also nicht über Riemen oder Reibräder vom Haupt- Aufwickelmotor angetrieben. Doch dazu später mehr. Mit diesem 2. Aufwickel lassen sich längere Bandabschnitte, die aus einer Reportage herausgeschnitten werden, schön auffangen. Diese können dann an anderer Stelle der Reportage neu montiert werden. Überaus praktisch!

Ein etwas näherer Blick offenbart dann- die hat ja nur einen Tonkopf !! 8| Und tatsächlich handelt es sich hier um eine reine Wiedergabemaschine. Dies war schon beim Vorgänger R34 nicht anders. Allerdings ist bei der neuen Maschine ein Stereo- Ferritkopf W2H42 mit schmaler 0,75mm Trennspur vom VEB Goldpfeil Hartmannsdorf verbaut. Diese Köpfe waren bzw. sind richtig gut!
Ganz typisch für die Anforderungen des DDR- Rundfunks ist die Schichtlage: Die Maschine ist für internationale Schichtlage gebaut (Schicht innen), so war es beim DDR- Rundfunk seit den 70er Jahren üblich. Die ARD fuhr ja bis zum Schluss mit deutscher Schichtlage (Spur außen). Weiterhin gibt es zwei Geschwindigkeiten, die 38er Rundfunk- Standard- Geschwindigkeit und die 19er Geschwindigkeit, wie sie auch bei Reportergeräten verwendet wurde. Diese sind jeweils per Tastendruck anwählbar.

Warum heißt das Ding nun "Cutter AP T5234"? "AP" steht für Arbeitsplatz und man meinte damit das gesamte Ensemble. Der Holzrahmen besitzt an der Oberseite rechts und links tiefe Lagerlöcher, welche zur Aufnahme eines Manuskripthalters und einer Schreibtischlampe dienen sollten. An der Rückseite befindet sich ein Netzanschluss für jene Lampe. Zum kompletten Arbeitsplatz gehörten noch Beistellschränke und ein Vorlaufband- Spender. Dazu kommt dann eine weitere Besonderheit, welche ich so von keiner echten Studiomaschine kenne und diese vervollständigt dann den Arbeitsplatz: Ein eingebauter 2x 10W Stereoverstärker, an welchen ein Lautsprecherpärchen direkt über die damals üblichen DIN- LP- Stecker angeschlossen werden kann. Dadurch war es möglich, diesen Arbeitsplatz ins kleinste Redakteursbüro ohne Anschluss an irgendwelche NF- Peripherie zu verbannen. Man nahm einfach Platz, schaltete das Ganze ein, schmiss ein Band drauf und schon wurde losgecuttert- oder gespliced, wie es dann später neudeutsch hieß... Wer keine Lautsprecher mag, sondern zur Arbeit eher Kopfhörer bevorzugt, der findet an der linken Seite zwei entsprechende Anschlüsse in Euro- Norm, die altbekannten Würfelstecker. Auch diese werden vom 10W Verstärker angetrieben. Einen Lautstärkeregler für Kopfhörer oder die Boxen findet man links neben dem Bandzählwerk.


   


Doch werfen wir nun eine Blick "unter die Haube", also auf die inneren Werte. Wo befinden sich denn hier die ganzen Steuerkarten und Wiedergabeentzerrer? Ahh, auf der Rückseite. Dort stecken sie schön in einer Reihe nebeneinander, normalerweise von einer Abdeckung geschützt. Diese Abdeckung ist hier leider nicht mehr vorhanden, dies tut der Funktion aber keinen Abbruch. Die Anordnung (von links nach rechts) beginnt mit dem Trafobaustein, den Netzteilen I und II, über die Leistungssteuerung und die Bremsplatinen für die Motoren zur Bandlaufsteuerung. Ganz rechts sitzen dann der NF- Leistungsverstärker und die Wiedergabeverstärker. Alles sehr schön übersichtlich. Alle Versorgungsspannungen sind einzeln stabilisiert und werden auf der Rückseite durch jeweils eigene LEDs angezeigt. Man kann also sofort erkennen, ob dort eine Spannung fehlt. Das hat man so von der T4224 übernommen. Respekt...

                   


Die 3 Motoren für die Wickel sind wie gehabt Asynchron- Motoren. Hier bleibt die Firma der langen Tradition von Sander & Janzen treu. Allerdings lassen sie sich stufenlos vorwärts und auch rückwärts rangieren, einer Phasen- Anschnittsteuerung mit TRIACs sei Dank. Der Antrieb der Tonwelle ist dann aber eine Überraschung. Im Gegensatz zu allen anderen Vorgängermodellen aus der Vergangenheit des VEB Tontechnik gibt es hier keine riesige Schwungmasse, die per Antriebsriemen von einem Synchronmotor angetrieben wird. Statt dessen findet man einen Direktantrieb, mittels eines Gleichstrommotors der Firma Papst ! Dieser wird elektronisch über Hall- Generatoren kommutiert, ganz wie bei einer M15A. Bei der R722/1 vom RFZ erfolgte eine solche Kommutierung noch mit Optokopplern...

Die Einzelmodule Wiedergabeentzerrer und Endverstärker, von denen man noch in der T4224 jeweils 2 Exemplare findet, wurden hier zu einem Modul- dem Wiedergabeverstärker- zusammengefasst. Natürlich gibt es davon ebenfalls zwei Stück, ist ja eine Stereomaschine. Technisch ist das absolut sinnvoll, spart Platz. Obwohl- Platz ist eigentlich genug. Sogar soviel, daß selbst die Wiedergabeverstärker in überaus konservativer Art und Weise aufgebaut sind: Sowohl der Verstärkereingang als auch der Ausgang ist Trafosymmetrisch und erdfrei ausgeführt. Dabei wurden zu großen Teilen die identischen Widerstände und Transistoren verwendet, wie in den Einzelmodulen. Ok, eine Verstärkerstufe hat man sich im Vorverstärker geschenkt, dafür hat der nachfolgende Transistor im Endverstärker eine etwas höhere Verstärkung und ist ein modernerer Typ.
Auch die Werte der Kondensatoren sind zum größten Teil identisch. Kleinere Abweichungen dürften eher der Tatsache geschuldet sein, daß diese Verstärkermodule für den Einsatz der modernen Ferritköpfe optimiert wurden. Die älteren Module aus der T4224 waren ja für universellen Einsatz und verschiedene Kopftypen bestimmt.
Irgendwo in diesem Forum kam früher mal die Frage auf, ob die Entzerrer dieser Maschine denn gleichwertig zu den Modulen der normalen DDR- Studiomaschinen (für den Sendebetrieb) sind. Diese Frage kann ich nun in jedem Fall mit "ja, absolut !" beantworten. Die technischen Angaben hänge ich am Ende des Berichts dran.

Da ich mir die Maschine ja nicht nur zu Anschauungszwecken angeschafft habe, war es langsam Zeit für die Stunde der Wahrheit. Also erst einmal alle 6 (!!) Feinsicherungen der Netzteile überprüft. Hier gab es keine Auffälligkeiten, die waren alle in Ordnung. Dann mal die Netzteilplatinen gezogen um wenigstens eine optische Kontrolle der Gleichrichter, Spannungsregler und Elkos vorzunehmen. Was ich sah, stimmte hoffnungsfroh: Alles wunderbar sauber, keine gerissenen Gehäuse, keine Undichtigkeiten an den japanischen (!) Elkos zu erkennen.
Da hier soweit alles gut aussah, sollte nun endlich mal scharf geschossen werden: Also den Regeltrafo herangeholt, die geringst mögliche Spannung (150V) eingestellt und einfach mal ganz derb den Netzschalter gedrückt.
Ah sieh an, da leuchtet etwas: Die Anzeigediode für die 38er Geschwindigkeit leuchtet in der betreffenden Taste auf. Also mal langsam hochregeln. Auf der Rückseite des Gerätes leuchten alle 8 LEDs für die einzelnen Versorgungsspannungen auf. Keine Rauchzeichen aus dem Gerät, nichts zischt oder explodiert gar. Sogar das Bandzählwerk erwacht zum Leben, wobei es aber nur zwei Nullstellen anzeigt, wo eigentlich 5 Nullen sein müßten. Ist aber erst einmal egal. Da sich der Zeiger für den aktuellen Stromfluss nur wenig bewegte, kann man hier grobe Kurzschlüsse ausschließen. Also- Gerät wieder abgeschaltet und direkt ans Netz gehängt. Dann wieder eingeschaltet und- ja. Jetzt sind alle 5 Nullen der Zählwerksanzeige vorhanden. Na, so soll es doch sein...

Nach diesen ersten Erfolgen kühn geworden, wurde gleich mal ein Band auf den linken Teller geworfen und eingefädelt. Dabei war gleich positiv zu bemerken, dass die Bandteller gebremst sind. Ich erwähne dies hier deshalb extra, weil die T5234- ganz in der alten Sander & Janzen- Tradition- selbstverständlich nur über Bremsgleichströme in den Wickelmotoren gebremst wird. Bremsbänder sucht man hier wie bei allen DDR- Maschinen vergeblich. Das hat Vorteile- aber auch Nachteile. Ein Band aufzulegen ohne die Maschine einzuschalten ist ein Ding der Unmöglichkeit. Aber was solls, wenn man es auflegt will man es auch hören. So what ?


Der Tonwellenantrieb gibt keinen Mucks von sich, wenn man das Band einlegt. Hmmm, ok... Bei der M21 läuft der an, sobald das Band die Lichtschranke am Kopfträger unterbricht. Hier offenbar nicht, obwohl es diese Lichtschranke zur Bandendabschaltung ebenfalls gibt. Daher jetzt mal allen Mut zusammen genommen und die Play- Taste gedrückt... und prompt erwachte das Gerät zum Leben. Die Andruckrolle klackte gegen die Tonwelle, diese lief, das Band fuhr sofort los. Schnell den Kopfhörer per Adapter in die dafür vorgesehene Buchse gestöpselt und tatsächlich: Es kommt Musik vom Band !

           


Durch diesen Erfolg beflügelt, wurden auch die anderen Bandlauffunktionen (Vorlauf, Rücklauf, Rangierbetrieb) getestet und auch diese funktionieren einwandfrei.

Dabei ist der Rangierbetrieb des Gerätes etwas gewöhnungsbedürftig. Zunächst einmal funktioniert er nur im Zusammenhang mit der Vorlauftaste. Das ist aber kein Fehler. Wer sich die Symbole an Vorlauftaste und Rangierpoti ansieht, der erkennt: Das soll ganz genau so sein.
   

Das Rangierpoti selbst verharrt nicht in einer mittleren Nullstellung. Es ist vielmehr Federbelastet und befindet sich durch den Druck der Feder beständig am Rechtsanschlag. Dies führt dazu, daß das Band in Richtung Vorlauf losrast, wenn man die Vorlauftaste betätigt. Erst durch linksdrehen des Reglers (gegen den Widerstand der Feder) kann man den Vorlauf bis zum Stillstand verlangsamen. Dreht man den Regler dann noch weiter nach links, beschleunigt die Maschine langsam in Richtung Rücklauf. Dies lässt sich selbstverständlich bis zur Vollgas- Stellung treiben. Lässt man das Poti dann wieder los, kehrt sich die Geschichte wieder um.

Apropos Bandlauf: Die Besonderheit der Maschine besteht ja unter anderem in den beiden rechten Wickeltellern. Diese sind jeweils mit einem eigenen Motor ausgestattet und werden separat und voneinander unabhängig betrieben. Dieser unabhängige Betrieb erfordert natürlich eine separate Ansteuerung für jeden der Motoren. Welcher von beiden gerade laufen soll, bzw. ob überhaupt einer von beiden laufen soll, ist vom Anwender abhängig und davon, wohin dieser das Band einfädelt. Wird das Band am Hauptwickel eingefädelt, dann läuft nur der Hauptwickel. Wird das Band dagegen am Zusatzwickel eingefädelt, dann läuft nur dieser. Selbstverständlich auch hier mit allen zur Verfügung stehenden Bandlauffunktionen. Wird das Band aber gar nicht eingefädelt, dann läuft bei Wiedergabe keiner der beiden Wickelmotore. Dies ist der sogenannte Papierkorb- Betrieb.

Ermöglicht wird dieser intelligente Wickelantrieb durch zwei Lichtschranken, den sogenannten optoelektronischen Schalter. Dieser befindet sich auf dem Bandlaufblock in direkter Nachbarschaft der beiden Umlenkrollen auf der rechten Seite der Maschine. Durch die unterschiedliche Einfädelung werden die Lichtschranken auch unterschiedlich unterbrochen. Die resultierenden Signale werden an den Prozessor der Bandlaufsteuerung geschickt, welcher wiederum die unterschiedlichen Funktionen auslöst.
       
Überhaupt, die Bandlaufsteuerug ! Da hat sich im Laufe der Evolution der DDR- Maschinen so einiges getan. Wer die SJ102, SJ103, T103, T2211, T2221 kennt, der weiß: Allen diesen Maschinen gemein ist eine elektromechanische Steuerung durch eine ziemlich große Relais- Phalanx. Eine Ausnahme bildeten in früheren Zeiten nur die R722 bzw. R722/1 vom RFZ. Diese hatten bereits eine elektronische Steuerung der Bandlauffunktionen mit TTL- Schaltkreisen. In späteren Zeiten- also um 1989 / 1990 kam dann noch eine Maschine mit vollelektronischer Steuerung hinzu, jene bereits erwähnte T4224 vom VEB Fernmeldemessgeräte. Und diese Maschine ist besonders interessant, findet doch bei Ihr nach nicht mal einem Jahr Bauzeit ein kompletter Generationenwechsel im Konzept der Steuerung statt: Hatten die ersten Modelle noch eine Bandlaufsteuerungsplatine, auf welcher die Steuerung komplett durch eine Anzahl von insgesamt 15 MOS- und TTL- Schaltkreise realisiert wurde (zB. Seriennummer 137), so findet man auf derselben Platine bei späteren Maschinen (zb. Seriennummer 174) nur noch ganze sieben (7 !) Schaltkreise vor. Das sind 5 NAND Gatter und ein russischer EPROM. Das Herzstück aber bildet ein Einchip- Mikrorechner, der UB8840M vom VEB Kombinat Mikroelektronik "Karl Marx" Erfurt (kurz MME), welcher für sämtliche Steuerungen der Maschine verantwortlich ist.
Dieser letzte Quantensprung in der Technik der DDR-Maschine T4224 funktioniert bis heute sehr gut, dies kann ich aus eigener Erfahrung sagen. Übrigens wurde auch diese Maschine nach der Wende kurzzeitig von der Meß- und Tontechnik GmbH weitergebaut, davon liegen mir sogar Katalogbilder vor.

Um jetzt wieder den Bogen zur T5234 zu schlagen: Offenbar hatte die Steuerung per Mikrocomputer und EPROM auch ihre Entwickler überzeugt, denn die Bandlaufsteuerung der Cuttermaschine sieht fast identisch aus. Zwar hat sich die Anzahl der Schaltkreise nochmals verringert (es sind jetzt nur noch 2 NAND Gatter), dafür besteht das Herzstück nach wie vor aus dem Einchip- Mikrorechner UB8840M von MME. Der russische EPROM ist einem amerikanischen Ersatztypen von ST Microelectronics gewichen und sicher ist auch die Programmierung unterschiedlich. Am grundsätzlichen Konzept hat sich aber nichts geändert...
   



Zu guter Letzt gibt es noch ein paar Besonderheiten zu erwähnen. So ist mir beim Test der Maschine aufgefallen, daß sowohl die Wiedergabeverstärker als auch der Leistungsverstärker stehts eingeschaltet bleiben, bei allen Bandlauffunktionen. Dies soll ein kontinuierliches Mithören beim Umspulen und rangieren gewährleisten, kommt es bei diesem Gerät ja darauf an, bestimmte Stellen auf dem Band schnell zu finden. Wen das beim schnellen Umspulen stört, der benutzt einen Hebel, welcher sich links auf dem Kopfträger befindet. Durch diesen Hebel wird der excentrisch gelagerte, große Bandführungsbolzen auf der Linken Seite des Kopfträgers betätigt, mit dessen Hilfe sich das Band vom Tonkopf einfach etwas wegschenken lässt. Schon verstummt der Umspulsound.
   
Wer sich das letzte Foto anschaut, dem wird die zylinderförmige Aussparung am unteren Block mit der Klebeschiene auffallen. Auf einer der verlinkten Internetseiten heißt es dazu, diese dient zur Aufnahme eines Gefäßes mit Nassklebemittel (Azeton). Nun, dies wage ich doch stark zu bezweifeln.

Zunächst einmal war diese Maschine für moderne Bänder bestimmt, diese lassen sich bekanntermaßen nicht mit Azeton kleben. Und dann bin ich durch irgendeinen Zufall mit einem Finger dort hinein geraten und habe dabei festgestellt, daß sich dieser "Zylinder" nach unten wegziehen lässt. Die Anlage quittierte dies mit einem vernehmlichen "Klack". Neugierig habe ich dies wiederholt und dabei gesehen, das beim ziehen dieses sonderbaren Hebels eine Art Bandabheber auf beiden Seiten des Tonkopfes aus dem Kopfträger fährt. Zieht man weiter, schnellt von unten eine Klinge heraus, welche das Band genau vor dem Kopf durchtrennt. Eine Vorkopf- Schere also !
           
Ich hatte mich schon gefragt, ob es bei einer Cuttermaschine nichts besseres gibt, als diese kleine Klappschere an der oberen Klebeschiene. Nun, diese Frage ist jetzt beantwortet...

Interessant ist dieser etwas klobige Aufsatz hinter dem Kopfträger, bei welchem es sich um einen automatischen Klebebandspender handelt. Man legt das zu klebende Band in die Führungsschiene und drückt einfach den oberen, beweglichen Teil nach unten. Dadurch wird automatisch ein Stück Klebeband von einer breiten Vorratsrolle abgelöst und gewissermaßen auf die Klebestelle gestempelt. Toll ! Sowas hatte ich bis dahin noch nicht gesehen. Genial und hoch funktionell ! Das ist übrigens keine DDR- Entwicklung, es steht ein englisches Patent drauf...

       

Zusammenfassend lässt sich sagen: Eine überaus schöne Maschine wie ich finde, in typischer, solider Bauweise. Funktionierte tatsächlich gleich auf Anhieb, hat einige Besonderheiten die andere Maschinen nicht haben und ist außerdem noch ein echt seltenes Stück, klanglich über jeden Zweifel erhaben.
Ich für meinen Teil freue mich sehr darüber.
Eine echte Bereicherung für meinen Maschinenpark und- wie ich finde- durchaus ein solider Grund, seine Vorsätze sausen zu lassen...

Viele Grüße, Rainer


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Vorstellung der wirklich letzten Studiomaschine mit DDR- Wurzeln: Die T5234, oder: Wie man seine guten Vorsätze am sc... - von GDR 22 - 24.01.2020, 22:55
Was es alles gibt - von micha1422 - 24.01.2020, 23:17
[Kein Betreff] - von helmut - 24.01.2020, 23:42
[Kein Betreff] - von beutlin - 25.01.2020, 00:04
[Kein Betreff] - von hyberman - 25.01.2020, 00:15
[Kein Betreff] - von MatthiasB. - 25.01.2020, 01:28
[Kein Betreff] - von helmut - 25.01.2020, 03:17
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[Kein Betreff] - von GDR 22 - 25.01.2020, 08:59
[Kein Betreff] - von kaimex - 25.01.2020, 11:22
[Kein Betreff] - von GDR 22 - 25.01.2020, 13:48
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[Kein Betreff] - von helmut - 25.01.2020, 18:15
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[Kein Betreff] - von GDR 22 - 30.01.2020, 10:58
[Kein Betreff] - von bitbrain2101 - 30.01.2020, 12:23
[Kein Betreff] - von dynamike - 30.01.2020, 19:48
[Kein Betreff] - von luedre - 02.02.2020, 17:39
[Kein Betreff] - von GDR 22 - 03.02.2020, 10:10
Ein paar Ergänzungen - von GDR 22 - 10.02.2020, 18:11
[Kein Betreff] - von GDR 22 - 10.02.2020, 18:17
[Kein Betreff] - von 19null5 - 14.02.2020, 16:41

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