Audiosoftware: FFT zur Einstellung des HF-Arbeitspunkts
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Hallo Einmessfreaks,

während der letzten Wochen habe ich mir das Vergnügen gestattet, näher zu untersuchen, ob und wie sich ein Softwareprogramm wie audioTester nicht nur bei Pegel- und Frequenzdiagrammen, sondern auch bei der Einstellung der Vormagnetisierung (Arbeitspunkt) nützlich machen kann. Eigentlich ein naheliegender Gedanke, doch die praktische Ausführung musste lange auf sich warten lassen. Vielleicht nimmt jemand von euch meine ersten Anläufe zum Anlass für weitere Experimente, evtl. auch mit alternativen Analyseprogrammen, mit denen ich mich wahrscheinlich weniger gut auskenne.

Seit über 40 Jahren beschäftigte mich immer wieder die in der Praxis sehr beschränkte Anwendbarkeit der sogenannten ΔE-Tabellen für häufig verwendete Bandtypen bei der Arbeitspunkteinstellung nach dem von Friedrich Krones entwickelten Verfahren „Bias aufdrehen bis x dB unter Pegelmaximum eines 10 (bzw. 6,3) kHz Sinus“.

Hauptgrund dafür ist, dass solche Tabellen tatsächlich nur für eine bestimmte Aufnahmekopf-Spaltbreite gelten können (meist 7µm für Spulenbänder, spätestens seit Einführung der IEC-Referenzköpfe Mitte der 1980er Jahre). Das bedeutet, dass für abweichende AK-Spaltbreiten – beispielsweise die nach wie vor in professionellen Bandmaschinen vorzufindenden Aufnahmeköpfe nach langjährig geltendem ARD-Standard mit Spaltbreite 18...20µm – die ΔE-Tabellen unbrauchbar sind. (Die Differenzen empfohlener ΔE-Werte sind in Agfa- und BASF/EMTEC/RMGI-Datenblättern für Rundfunkbänder anschaulich dargestellt. Im Schnitt betragen sie 2 dB, die bei Nichtbeachtung einer etwa gleichgroßen Fehleinstellung des Bias entsprechen.)

Nun gibt es eine Reihe von Magnetbandherstellern, die ihre Erzeugnisse beklagenswert unvollständig dokumentiert haben. Und falls die AK-Spaltbreiten des Anwenders nicht den in den Datenblättern angegebenen entsprechen, stimmt mit ihnen auch ein nach den empfohlenen ΔE-Werten justierter Arbeitspunkt nicht. Last but not least verwenden Anwender ihr Bandmaterial mitunter nicht für die vom Hersteller spezifizierten Geschwindigkeiten und sind deswegen bei der Wahl des optimalen Arbeitspunkts auf mehr oder weniger intelligentes Raten angewiesen.

Zum Glück gibt es für all diese Fälle eine relativ einfache und vor allem wirksame Abhilfe.

Man verzichtet ganz auf die Einstellung nach ΔE-Werten und ermittelt statt dessen den optimalen HF-Arbeitspunkt über das Minimum des Klirrfaktors (wie es auch der IEC-Definition für Spulenbänder entspricht). Zu Analogzeiten war dies ohne entsprechenden Messgerätepark undurchführbar, und falls man ihn zur Verfügung hatte, ging es nicht mal eben „zwischen Tür und Angel“ (der zweite Hauptgrund, weswegen die einfache ΔE-Methode rasch zum de-facto-Anwenderstandard wurde).

Idealerweise (nicht immer) hat auch das Modulationsrauschen (MR) im so gefundenen Arbeitspunkt sein Minimum. Für niedrige Geschwindigkeiten ist dieses Minimum allerdings schwierig zu ermitteln, weil es zum Einen nicht besonders stark ausgeprägt ist (die Kurve verläuft flacher), zum Anderen das MR insgesamt sehr gering werden kann, vor allem bei besseren Bandtypen. Unter anderem deswegen wird das MR – meist als Gleichfeldrauschen ermittelt und GR oder DC genannt – in den veröffentlichten Daten und Kurvenscharen für 9,5cm/s so gut wie nie aufgeführt.

Die frohe Kunde für Nutzer von audioTester und vergleichbarer Software: Beide Messungen (Klirr und MR) lassen sich mit damit gleichzeitig, relativ leicht und zügig durchführen, wobei man zweckmäßig die FFT-Analysefunktion (Fast Fourier Transformation) verwendet.

Hier einige Ergebnisse für ein BASF LGR 50 unter folgenden Bedingungen:
Geschwindigkeit 38cm/s
Entzerrung 35µs
AK-Spaltbreite 7µm
WK-Spurbreite 2mm
Aussteuerung 1kHz auf konstant 510nWb/m und auf 0dB Anzeige normiert, die zwecks besserer Vertikalauflösung in den Diagrammen nicht dargestellt wird.

Für 510nWb/m und Arbeitspunkt beim Klirrfaktorminimum wird im Datenblatt eine Gesamtklirrdämpfung von -48dB angegeben. Da der Klirrfaktor fast ausschließlich aus der dritten Harmonischen k3 besteht, kann man sich in der praktischen Anwendung und Auswertung auf die 3kHz-Spektrallinie beschränken, die hier (wie zu erwarten) bei -48dB endet:

[Bild: k_MR_--_VM=0dB_(RB).jpg]

Wird bei gleicher Aussteuerung der VM-Strom um 1,5dB verringert, ergibt sich folgendes Bild:

[Bild: k_MR_--_VM=-1,5dB_(RB).jpg]

Als erstes fällt auf, dass die Klirrdämpfung bei 3kHz nur noch -44dB beträgt. Überraschend für mich war allerdings, dass die geradzahligen Klirrkomponenten, die im ersten Bild noch zu erkennen waren (größter Wert war dort k2 mit -64dB), nun stark vermindert sind. (Warum das so ist, konnte sich bislang keiner der mir bekannten Magnetbandspezialisten erklären. Vor diesen Messungen wurde der Bandlauf selbstverständlich entmagnetisiert und die HF symmetriert.)

Die Situation bei 4dB geringerem VM-Strom:

[Bild: k_MR_--_VM=-4dB_(RB).jpg]

Zum direkten Vergleich die drei Kurven übereinander:

[Bild: k_MR_--_VM=0...-4dB_(RB).jpg]

In dieser Ansicht fällt auch der mit abweichendem Arbeitspunkt steigende Rauschanteil auf. Dieser findet sich wieder in entsprechend erhöhten Werten für das Gleichfeldrauschen. Mit etwas Übung könnte der Arbeitspunkt also auch auf das Minimum dieses Rauschbodens eingestellt werden.

Genauer (und IEC-definitionskonform) ist allerdings die Einstellung auf Klirrfaktorminimum. In den übereinandergelegten Kurven sind die unterschiedlichen k3-Werte kaum zu erkennen. Dem wird durch größere Horizontalauflösung abgeholfen (hier 2900…3100Hz):

[Bild: k3_Notch_--_VM=0...-4dB_(RB).jpg]

Übrigens ist sowohl das Minimum des Klirrfaktors als auch des Modulationsrauschens für einigermaßen geübte Ohren relativ leicht auszumachen. Zu meiner studentischen Anfangszeit vor über 40 Jahren habe ich bei Messgeräte- und Zeitmangel beide Minima ausschließlich mit den eigenen Ohren bestimmt – und zwar ohne gehörschonende 1kHz-Bandsperre!

Später habe ich dieselbe „nach Gehör“ Methode mit Modulationsrauschen fortgesetzt – auf 14 Hz Sinus, weil dann auch der k3 mit mischpultüblichen Trittschallfiltern „unschädlich“ gemacht werden konnte – freilich ohne zu ahnen, dass anderwärts dafür bereits der liebevolle Beiname „Jugoslawienmethode“ geprägt worden war. Das hätte mich damals aber nicht im Mindesten gestört, denn die so gefundenen Arbeitspunkte waren zumindest bei 19 und 38 zuverlässig, reproduzierbar, und nicht zuletzt: sie entsprachen denen der Datenblätter.

Grüße, Peter
Grüße
Peter


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Ich bin, wie ich bin.
Die einen kennen mich, die anderen können mich.
(Konrad Adenauer)
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Nachrichten in diesem Thema
Audiosoftware: FFT zur Einstellung des HF-Arbeitspunkts - von Peter Ruhrberg - 13.01.2018, 12:31
[Kein Betreff] - von kaimex - 13.01.2018, 14:07
[Kein Betreff] - von Peter Ruhrberg - 13.01.2018, 15:41
[Kein Betreff] - von Captn Difool - 17.01.2018, 07:47
[Kein Betreff] - von Peter Ruhrberg - 17.01.2018, 10:28

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