Neuzugang in der Mikrofonvitrine: Sennheiser MD 441 N
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Hallo,

gestern habe ich in der Nähe meines Wohnortes ein neues Mikro für meine Sammlung abgeholt. Es handelt sich um ein Sennheiser MD 441 N, das gut gepflegt und wenig benutzt von einer bedeutenden Filmproduktionsfirma abgegeben wurde. Es war bei den Ebay Kleinanzeigen angeboten worden und zufällig habe ich es sechs Minuten später dort gefunden! ^^
Aufgrund seines durchaus günstigen Preises von 300 Euro schlug ich zu und holte es später bei der Chefin der Filmproduktion ab.

Davon abgesehen, dass diese Firma (es ist der älteste derartige Betrieb im Raum Hannover, der mit 35 mm-Film angefangen hat) unübersehbar gut läuft (das Haus der Inhaber zeugt nicht gerade von "bescheidenen Verhältnissen" Rolleyes ) ist das Mikrofon wirklich in sammelwürdigem Zustand. Bis auf ein paar Krätzerchen auf den Flanken gibt es nichts auszusetzen. Vor allem haben die Lochbleche der Einsprache keine Beulen und die (Kunst-)Belederung ist einwandfrei.

           

Das MD 441 ist zwar schon etwas in die Jahre gekommen, aber bei Sennheiser bedeutet das nicht viel. Die Modelle MD 21 und 421 etwa werden schon seit 1954 bzw. 1960 produziert und befinden sich noch immer im Programm des Bissendorfer Herstellers. Das 441er wurde erstmals 1971 gebaut. Es kostet aktuell rund 800-900 Euro. Als es auf den Markt kam, lag sein Neupreis bei 400,- DM.

Anfangs gab es von dem Mikrofon zwei verschiedene Anschlussvarianten. Das MD 441 N war mit einem verschraubbaren dreipoligen Stecker nach DIN 41524 (im Jargon "Kleintuchel" genannt) ausgestattet, während das 441-2 den damals in der Studiotechnik noch häufig (aber abnehmend) verwendeten großen Tuchelstecker nach DIN 41624 hatte.
Irgendwann Anfang der 1980er kam dann die heute noch aktuelle Version MD 441-U mit Cannon-Armatur XLR 3.
Auch eine ganz in schwarz gehaltene Variante mit dem kämpferischen Namen "Blackfire BF 541" war eine zeitlang auf dem Markt. Technisch gab es aber keinen Unterschied zur silbern-schwarzen Regelausführung. Das aktuell erhältliche MD 441-U ist wieder im alten Look gehalten.

   

Kurzer Blick auf die Technik: Das Mikro ist ein Druckgradientenempfänger mit Supernieren-Charakteristik, die auch bis weit in die tiefen Frequenzen hinein beibehalten wird, wie das Polardiagramm unten zeigt. Die Rückwärtsdämpfung beträgt 20 dB bei 1 kHz und 130°. Der Frequenzgang ist für ein Tauchspulmikrofon sehr gerade mit einem sanften Abfall oberhalb von 10 kHz. Er reicht innerhalb des normgemäßen Toleranzfeldes von 30 bis 20000 Hz.
Der vom Vorgänger MD 421 bekannte Boost bei 4-5 kHz ist nicht vorhanden. Ein passives Verzerrungsnetzwerk ermöglicht es, eine Brillanzanhebung (oberhalb von 2 KHz mit ca. 5 dB) und eine fünfstufige Bassabsenkung zu realisieren.

       

Die Nennimpedanz liegt bei den üblichen 200 Ohm und der Feld-Leerlauf-Übertragungsfaktor beträgt für dynamische Mikros durchschnittliche 1,8 mV/Pa. Das Mikro möchte am Eingang des nachfolgenden Verstärkers mindestens einen Eingangswiderstand von 1 kOhm sehen.

Das gesamte Innenleben ist in zwei Flachfedern mit Silikondämpfung längselastisch gelagert, wodurch Körperschallresonanzen in den tiefen Bassbereich abgesenkt und stark bedämpft werden. Das Gehäuse mit rechteckigem Querschnitt besteht aus Aluminium-Druckguss und ist an zwei Flächen mit einer Belederung versehen, die die Handhabung sehr angenehm und rutschfest gestaltet. Nach dem Ausclipsen des kleinen Kunststoffrahmens mit dem Fabrikschildchen lässt sich die darunter befindliche M3-Schraube entfernen und danach kann die untere Gehäuseschale erst ein Stück zum Kopfende hin verschoben und dann einfach abgenommen werden.

           

Die Einsprache ist mit verchromten Nickel-Lochblechen versehen. Im Inneren findet sich außerdem eine feine Nylongaze und vor der Membran eine Scheibe aus offenporigem Schaumstoff, die als Pop- und Staubschutz fungiert. Die Kapsel ist mit einer Brumm-Kompensationsspule versehen, die Streufelder unschädlich macht.

Mein Exemplar, das ich vorsorglich geöffnet habe (es hatte auch eine Schraube locker Tongue und musste ohnehin auf) präsentierte sich makellos und ohne Schäden und Macken. Die Silikondämpfungsmasse in den Federelementen ist noch vorhanden, nichts ist gebrochen. Das erste Foto unten zeigt (leider leicht unscharf) eine der flachen Federn mit der Silikondämpfung. Daneben ein Blick auf die Kapselsektion von vorn. Man erkennt die Humbucker-Spule und vorn den Gazeschutz nebst Schaumstoffscheibe vor der Membran.
Das im hinteren Bereich erkennbare Alurohr, das mit zum schwingenden System gehört, ist außer für Abschirmungszwecke (es enthält die Platine mit dem Klangnetzwerk) auch für akustische Belange zuständig. Es ist teilweise mit Watte gefüllt.

       

Da alles im grünen Bereich war, konnte ich meine Neuerwerbung gleich wieder zuschrauben. Den kleinen Plastikrahmen wieder einclipsen — fertig! Es ist mir sogar dessen Aus- und Wiedereinbau gelungen, ohne ihn zu zerbrechen, was sicher nicht oft vorkommt! Das winzige Schildchen zeigt eine Seriennummer um die 40 000, so dass ein Baujahr Mitte der 1980er wahrscheinlich ist.
Am hinteren Ende vor dem Anschlussstecker befindet sich der gerändelte Ring des fünfstufigen Basseinstellers (rechts).

       

Zum MD 441 gehört ab Werk immer eine spezielle Stativklemme, da die handelsüblichen Ausführungen nur für runde Mikros passen. Oft fehlt die bei gebrauchten Geräten leider, weil sie zerbrochen oder verloren gegangen ist. Bei meinem war sie glücklicherweise dabei! Leider mit einem kleinen Wermutstropfen: die Zunge, die zur Verriegelung dient, war abgebrochen und lag lose im Unterteil (links und Mitte). Da ist leider auch nichts zu machen. Eine Klebung, selbst mit UV-härtendem Acrylklebstoff, ist bei einer Klebefläche von 1 x 5 mm (siehe Pfeil) kaum erfolgversprechend. Aber es hält auch so, wenn man die Halterung nicht nach vorn abfallend montiert.
Bei den aktuellen Mikros ist diese Halterung aus robusterem schwarzem Kunststoff und hat keine Verriegelung mehr.

           

Nach dem technischen Checkup und dem Befestigen der losen Schraube stand einem Test nichts mehr im Wege. Über einen "FetHead"-Zwischensteckverstärker fand das Mikrofon zuerst Anschluss an meinem Behringer UMC202HD-Interface und musste nach ein paar Sprachaufnahmen mit Audacitiy zeigen, ob es das tut, was es soll! Es tat. Auch die beiden klangbeeinflussenden Schalter beeinflussten den Klang ordnungsgemäß und so zog ich dann ins Wohnzimmer, wo das Sennheiser an der Philips N4522 Anschluss fand.
Der Pegelsteller musste schon bis Stellung 3 Uhr aufgezogen werden, aber das war ja zu erwarten. Klanglich kann ich ja, da ich kein Musiker bin und kein Studio habe, immer nur mit einem Sprachsignal testen (oder mit meinem Gesang, soweit man das so nennen kann Big Grin). Ergebnis: Das MD 441 klingt so, wie der Frequenzgang aussieht. Man hat bei seiner Entwicklung wohl die Intention gehabt, ein Tauchspulmikro zu entwickeln, dass die Robustheit dieser Bauart mit den klanglichen Vorzüges eines Kondensatormikros verbindet. Und es klingt in der Tat von allen dynamischen Mikros, die ich kenne und besitze, am meisten nach kapazitivem Wandler. Zwar ist eine gewisse, leicht spitze Höhenwiedergabe ansatzweise vorhanden, aber sonst ist das, was am Verstärkereingang ankommt, sehr angenehm. Bei Besprechung aus normaler Entfernung von 20-30 cm sollte man den Basschalter eine Stufe vom "M" weg-, und wenn man mehr Brillanz haben möchte, den entsprechenden kleinen Schalter über dem Fabrikschild nach rechts bewegen.

Im Vergleich mit seinem Vorgänger (der aber, wie gesagt, immer noch gebaut wird), dem MD 421, klingt das modernere Mikrofon linearer und nicht so aggressiv. Das 421er hat einen hörbaren Boost in der Frequenzkurve bei 4 kHz, den man auch bei Sprachaufnahmen deutlich wahrnimmt, besonders im direkten Vergleich. Beim 441 gibt es den nicht, es tönt darum etwas unaufdringlicher, runder. Natürlich haben beide Schallwandler ihre speziellen Stärken und Schwächen und die beiden Klassiker sind (ebenso wie das MD21) auch heute noch im Studio unentbehrlich. Für akustische Instrumente, Schlagzeugabnahme oder vor dem Gitarrenamp kann man die drei von Sennheiser sehr gut einsetzen, wie ich im Netz festgestellt habe.
Früher wurde es auch in Rundfunkstudios als Moderationsmikro eingesetzt, wie man sieht (ja, das ist Walter Freiwald):

   

Im Fernsehen, wo alle drei Modelle noch vor einigen Jahren zum täglichen Geschäft gehört haben, machen sie sich mittlerweile rar. Hier sind inzwischen die drahtlosen Systeme im Vordergrund, häufig mit kleinen Ansteckmikros. Wenn aber irgendwo Reden gehalten werden, trifft man das eine oder andere MD noch ab und zu an. Es war eben nicht alles schlecht, was es früher gab! thumbsup

Ich freue mich über mein zweites 441er, denn ich hatte vor ca. 20 Jahren schon mal eins, das ich dann, weil ich Geld brauchte, verkauft habe. Dem Neuen wird dieses Schicksal aber sicher erspart bleiben, so lange ich lebe. Meine Frau indes kann sich freuen, später einmal nette Beträge für meine Sammlung erlösen zu können....

LG Holgi
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Neuzugang in der Mikrofonvitrine: Sennheiser MD 441 N - von hannoholgi - 24.09.2017, 17:33
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