Das Ende einer Ära: MP3 ist tot
#9
Peter K. Burkowitz – ab 1967 Executive Director, ab 1979 Vice President von Polygram Hannover, zu der Zeit verantwortlich für die weltweite Aufnahmeaktivität und -technik der Labels DGG, Philips und Decca sowie einer der Protagonisten beim großflächigen Übergang auf digitale Tonstudiotechnik und der Standardisierung der Hauptspezifikationen der CD in den 1970er Jahren – beschreibt 2012 in „Achtung Aufnahme! 80 Jahre Klangaufzeichnung“ auf S. 151f in aller Kürze, weswegen es im gleichen Zeitraum so viele inkompatible Digital-Entwicklungen gab:

„Bei dem Thema waren wir Mit-Akteure. Das kam aber im Wesentlichen aus einer persönlichen Initiative zustande, weil ich mich über meine Verbindung zur AES und zum weltweiten Audio-Gewerbe irgendwie verpflichtet fühlte, zu versuchen, für eine der wichtigsten Basis-Spezifikationen, nämlich die Sampling-Frequenz, eine Lösung zu finden, die für das Gesamte, also für alle digitalen Anwendungen bestmöglich gewesen wäre, und das wären 48 kHz gewesen. Die wären deshalb am sinnvollsten gewesen, weil die Sampling-Frequenz als Teil der Digitaltechnik streng mathematisch in die Binär-Skala eingebunden ist, und die kann man eigentlich nur geradzahlig handhaben, wenn man innerhalb ihrer einzelnen Blöcke bleibt, und das wäre entweder achtmal oder sechsmal oder zehnmal oder was auch immer gewesen.

In den – damals noch – primär nicht „kommerziell orientierten“ Bereichen, etwa im Fernmeldewesen oder beim Rundfunk, hatten sich sämtliche Telekommunikations-Instanzen Europas und weltweit bereits auf den Faktor 8 als Multiplikator für das digitale Grundkonzept geeinigt. Das wäre also auf die Sampling-Frequenz 32 kHz hinausgelaufen. Aus theoretischer Sicht hätte das vorrangige Bedeutung gehabt, man hätte also eher die CD an diese Gegebenheiten anpassen müssen als umgekehrt.

In den marktabhängigen Produktbereichen entwickelte sich jedoch ein Tauziehen zwischen den Fernseh-, MP oder „motion picture“, also Film- und Phono-„Affinen“, die, jeder für seinen Bereich, möglichst passende Festlegungen anpeilten. Das war schon wegen der unterschiedlichen TV-Normen und Bildwechsel-Frequenzen im Film ein Problem. STOCKHAM, beispielsweise, war mit seiner NTSC-nahen 50 kHz Apparatur für TELARC erfolgreich. Und nun wollte es eben der CD-Kommerz unbedingt andersherum, das heißt, noch unter 48 kHz, weil zu der Zeit die CD mit 48 kHz nicht realisierbar war, SONY-PHILIPS wollten also 44,1 kHz wegen der bereits festgelegten CD-Spieldauer und Abmessungen, weil man sie sonst größer hätte machen müssen.

Das ist der Hintergrund, und deshalb verliefen die frühen Standardisierungsbemühungen wegen noch nicht zu Ende gedachter Vorgaben und Partikularinteressen im Sande. Überdies muss in USA erst etwas am Markt sein, und / oder es darf auch keine Gegenstimmen geben, bevor öffentlich über Standards nachgedacht werden darf. So folgte jeder schließlich einem sich allmählich entwickelnden Mehrheitstrend.

Trotzdem: Die Audio-CD war – und ist – aus meiner Sicht die bisher beste Lösung für die Musik-Trägertechnik im Bereich bewegter Medien.“


Ausführlicher geht Jürgen Lang im Kapitel 4 seiner Dissertation „Das Compact Disc Digital Audio System“ (RWTH Aachen, 1996) auf das Thema Samplefrequenznormierung ein. Beim Lesen wird man erkennen, dass die Ausganglage hierfür so komplex war, wie man sie sich nur vorstellen kann.

Grüße, Peter
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Peter


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Ich bin, wie ich bin.
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(Konrad Adenauer)
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