06.03.2019, 17:18
Hallo zusammen,
Voriges Wochenende lief mir via Friedrich Engel ein neues Angebinde aus dem Bestand von Götz Corinth zu (der dem einen oder anderen in unserem erlauchten Kreise vielleicht kein Unbekannter ist), und zwar ein Band Agfa Typ F aus der Leverkusener Fertigung, hergestellt vermutlich um 1950:
Der Kern ist original, mitsamt DRP- und DRGM-Prägung und grauem Schriftfeld, jedoch noch ohne rotes 38er Kennfeld:
Im Unterschied zu vielen Azetatbändern ist das F-Band nicht transluzent (welch wunderbares Wort, zu irgendwas muss dieses unsägliche Große Latinum ja mal nütze sein). Es ist auch weder fabrikneu noch zeitgenössisch bespielt, mit einem Ausschnitt aus "Figaro" in Stereo auf 38 cm/s, der allerdings mit max. -20 dB re. 514 nWb/m etwas übervorsichtig ausgesteuert war.
Nach Digitalisierung der (sowohl anonymen wie einigermaßen uninteressanten) Interpretation habe ich einige Experimente und Musikaufzeichnungen vorgenommen, ebenfalls in Stereo, aber mit 76 cm/s und mit 17,5 µs, was laut Braunbuch durchaus innerhalb der Einstellmöglichkeit des V 5 Verstärkers aus RRG-Zeiten liegt. Kurzum, ich wollte herausfinden, was sich aus dem Material maximal herausholen lässt.
Als erstes fiel mir auf, dass die alte Aufzeichnung trotz ihres geringen Bandflusses sich tatsächlich nicht vollständig löschen lässt, selbst nach zehnmaligem Drosseldurchlauf. Sie wird sogar stärker hörbar, sobald HF-Vormagnetisierung (mit ihrem unweigerlichen Rauschanteil) aufgezeichnet wird
Dieser sog. Memoryeffekt hat – wie ich schon argwöhnte – offenbar nicht nur etwas mit der chemischen Zusammensetzung des Pigments zu tun (diese Form magnetischer Instabilität war charakteristisch für die zweite Generation der C-Bänder der Ludwigshafener IG-Farben mit Fe3O4 als Pigment), sondern auch mit dessen Form (kubisch statt nadelförmig) – weswegen auch immer, das ist heute wohl nicht mehr zu klären. Bislang ist mir dergleichen nur bei einem CH der Agfa Wolfen von 1953 begegnet, das ebenfalls aus kubischem Fe2O3 besteht.
Rudolf Müller (seit 1980 tätig bei Agfa-Gevaert München in den Abteilungen Anwendungstechnik Magnetband und Produktentwicklung) verfasste für die 77. AES Convention in Hamburg 1985 eine Art Abriss über die Fortschritte der Magnetbandtechnik seit ihren frühen Anfängen. Hier eine Übersicht der ELA-Eigenschaften einiger charakteristischer Bandtypen:
Die Arbeitspunktkurven aus der 67seitigen Langfassung seines resümierenden Berichts bestätigen, dass die Parameter Aussteuerbarkeit, Klirrfaktor und Gleichfeldrauschen beim Bandtyp F nicht wirklich miteinander harmonieren. Möchte man das Material möglichst hoch aussteuern, handelt man sich höhere DCN-Werte ein und umgekehrt:
Bei moderneren Bandtypen fallen für die angestrebte Ziel-Bandgeschwindigkeit und AK-Spaltbreite im empfohlenen Arbeitspunkt die Minima für Klirrfaktor und Gleichfeld- bzw. Modulationsrauschen mehr oder weniger perfekt zusammen, wie durch die folgenden beiden Beispiele eindrucksvoll demonstriert wird (PER 525 stereo aus 1967 und PER 528 aus 1981, als k3B und MR bzw. THD und DCN bezeichnet; damalige Bezugsbandleerteile waren PER 525 #0756 bzw. #1544):
Da ich mit 17,5 µs Wiedergabeentzerrung arbeiten wollte, um herauszufinden, welcher Geräuschspannungsabstand maximal herauszukitzeln ist, habe ich bei meinen Musikbeispielen ausnahmsweise ein höheres Modulationsrauschen in Kauf genommen (was ich bei neueren Bandtypen meist umgekehrt handhabe).
Mit dieser Einstellung habe ich drei Klangbeispiele aufgezeichnet, die als mp3 Dateien (320 kbps) gesammelt hier zu finden sind:
https://we.tl/t-qotIg3KYej
(Link bleibt 7 Tage gültig)
L. v. Beethoven: Sinfonie 8-1 Ende - DKB Järvi (2006)
Lincoln Mayorga & Distinguished Colleagues: You Are The Sunshine Of My Life (1974)
Mark Knopfler: Working On It (für den Film "Wag the Dog", 1997)
Mit meiner HF-Justage – ca. -8 dB iv/ivB, wobei ivB für denjenigen Arbeitspunkt steht, der beim 1985 gültigen Referenzleerband der ARD (PER 528 #43211) minimalen Klirrfaktor ergibt – konnte ich ca. 320 nWb/m bei 1 kHz erreichen, d.h. ca. 4 dB mehr als Müller mit seiner um 5 dB höheren VM-Einstellung (blaue Linie im AP-Diagramm für den F Bandtyp, s.o.). Der Preis dafür ist ein Modulationsrauschen, das an die letzte Generation der C-Bänder erinnert. Dieses macht sich besonders bemerkbar in den beiden Beispielen Beethoven (bei 1'51") und Mark Knopfler (bei 0'30").
Für Orgelaufnahmen auf diesem Bandmaterial würde ich die HF eher beim DCN-Minimum justieren, da ihre wesentlich schwächer ausgeprägten Obertöne meist nicht so schnell in die Sättigung fahren, es sei denn man hat mit Zungenregistern zu tun, bei denen mir nichts anders übrig bliebe, als entweder die Wiedergabeentzerrung zu vergrößern (35 µs) oder die Gesamtaussteuerung zu reduzieren.
Falls Interesse besteht, kann ich dieselben Aufzeichnungen gerne mit Einstellung auf DCN-Minimum wiederholen, um einen direkten Hörvergleich zu ermöglichen.
Genau diese Art subjektiver Klangvergleiche hatte ich mir übrigens auch 1981 für meine Diplomarbeit vorgenommen, für die mir schließlich nach vielen freundlichen Bitten, gutem Zureden und Überzeugungsarbeit sowohl Agfa als auch BASF eine komplette Sammlung früher Magnetbandmuster zur Verfügung gestellt hatten.
Die bloße Auflistung trockener elektroakustischer Kenndaten wäre mir als Abschluss eines Tonstudiums buchstäblich zu unmusikalisch erschienen, zumal mich primär die Rückwirkung des Mediums auf die zeitgenössische Aufnahmetechnik interessierte. Doch sollte mein Leben schon damals anders verlaufen als geplant ("… und zweitens, als man denkt", Wilhelm Busch) :whistling:
Im Unterschied zu 1981 stehen mir heute leider nicht mehr die originalen Bandmaschinen, Röhrenverstärker und Kopftypen zur Verfügung (T 8 und T 9 mit V 66/67 bzw. V 86/87), aber tut halt man was man kann – schließlich war Rudolf Müller um 1983 in keiner besseren Situation, wie sich aus seinen Messbedingungen entnehmen lässt. Immerhin benutze ich die gleichen Maschinen- und Kopftypen, dies macht zumindest unsere Ergebnisse vergleichbar
Grüße, Peter
Voriges Wochenende lief mir via Friedrich Engel ein neues Angebinde aus dem Bestand von Götz Corinth zu (der dem einen oder anderen in unserem erlauchten Kreise vielleicht kein Unbekannter ist), und zwar ein Band Agfa Typ F aus der Leverkusener Fertigung, hergestellt vermutlich um 1950:
Der Kern ist original, mitsamt DRP- und DRGM-Prägung und grauem Schriftfeld, jedoch noch ohne rotes 38er Kennfeld:
Im Unterschied zu vielen Azetatbändern ist das F-Band nicht transluzent (welch wunderbares Wort, zu irgendwas muss dieses unsägliche Große Latinum ja mal nütze sein). Es ist auch weder fabrikneu noch zeitgenössisch bespielt, mit einem Ausschnitt aus "Figaro" in Stereo auf 38 cm/s, der allerdings mit max. -20 dB re. 514 nWb/m etwas übervorsichtig ausgesteuert war.
Nach Digitalisierung der (sowohl anonymen wie einigermaßen uninteressanten) Interpretation habe ich einige Experimente und Musikaufzeichnungen vorgenommen, ebenfalls in Stereo, aber mit 76 cm/s und mit 17,5 µs, was laut Braunbuch durchaus innerhalb der Einstellmöglichkeit des V 5 Verstärkers aus RRG-Zeiten liegt. Kurzum, ich wollte herausfinden, was sich aus dem Material maximal herausholen lässt.
Als erstes fiel mir auf, dass die alte Aufzeichnung trotz ihres geringen Bandflusses sich tatsächlich nicht vollständig löschen lässt, selbst nach zehnmaligem Drosseldurchlauf. Sie wird sogar stärker hörbar, sobald HF-Vormagnetisierung (mit ihrem unweigerlichen Rauschanteil) aufgezeichnet wird
Dieser sog. Memoryeffekt hat – wie ich schon argwöhnte – offenbar nicht nur etwas mit der chemischen Zusammensetzung des Pigments zu tun (diese Form magnetischer Instabilität war charakteristisch für die zweite Generation der C-Bänder der Ludwigshafener IG-Farben mit Fe3O4 als Pigment), sondern auch mit dessen Form (kubisch statt nadelförmig) – weswegen auch immer, das ist heute wohl nicht mehr zu klären. Bislang ist mir dergleichen nur bei einem CH der Agfa Wolfen von 1953 begegnet, das ebenfalls aus kubischem Fe2O3 besteht.
Rudolf Müller (seit 1980 tätig bei Agfa-Gevaert München in den Abteilungen Anwendungstechnik Magnetband und Produktentwicklung) verfasste für die 77. AES Convention in Hamburg 1985 eine Art Abriss über die Fortschritte der Magnetbandtechnik seit ihren frühen Anfängen. Hier eine Übersicht der ELA-Eigenschaften einiger charakteristischer Bandtypen:
Die Arbeitspunktkurven aus der 67seitigen Langfassung seines resümierenden Berichts bestätigen, dass die Parameter Aussteuerbarkeit, Klirrfaktor und Gleichfeldrauschen beim Bandtyp F nicht wirklich miteinander harmonieren. Möchte man das Material möglichst hoch aussteuern, handelt man sich höhere DCN-Werte ein und umgekehrt:
Bei moderneren Bandtypen fallen für die angestrebte Ziel-Bandgeschwindigkeit und AK-Spaltbreite im empfohlenen Arbeitspunkt die Minima für Klirrfaktor und Gleichfeld- bzw. Modulationsrauschen mehr oder weniger perfekt zusammen, wie durch die folgenden beiden Beispiele eindrucksvoll demonstriert wird (PER 525 stereo aus 1967 und PER 528 aus 1981, als k3B und MR bzw. THD und DCN bezeichnet; damalige Bezugsbandleerteile waren PER 525 #0756 bzw. #1544):
Da ich mit 17,5 µs Wiedergabeentzerrung arbeiten wollte, um herauszufinden, welcher Geräuschspannungsabstand maximal herauszukitzeln ist, habe ich bei meinen Musikbeispielen ausnahmsweise ein höheres Modulationsrauschen in Kauf genommen (was ich bei neueren Bandtypen meist umgekehrt handhabe).
Mit dieser Einstellung habe ich drei Klangbeispiele aufgezeichnet, die als mp3 Dateien (320 kbps) gesammelt hier zu finden sind:
https://we.tl/t-qotIg3KYej
(Link bleibt 7 Tage gültig)
L. v. Beethoven: Sinfonie 8-1 Ende - DKB Järvi (2006)
Lincoln Mayorga & Distinguished Colleagues: You Are The Sunshine Of My Life (1974)
Mark Knopfler: Working On It (für den Film "Wag the Dog", 1997)
Mit meiner HF-Justage – ca. -8 dB iv/ivB, wobei ivB für denjenigen Arbeitspunkt steht, der beim 1985 gültigen Referenzleerband der ARD (PER 528 #43211) minimalen Klirrfaktor ergibt – konnte ich ca. 320 nWb/m bei 1 kHz erreichen, d.h. ca. 4 dB mehr als Müller mit seiner um 5 dB höheren VM-Einstellung (blaue Linie im AP-Diagramm für den F Bandtyp, s.o.). Der Preis dafür ist ein Modulationsrauschen, das an die letzte Generation der C-Bänder erinnert. Dieses macht sich besonders bemerkbar in den beiden Beispielen Beethoven (bei 1'51") und Mark Knopfler (bei 0'30").
Für Orgelaufnahmen auf diesem Bandmaterial würde ich die HF eher beim DCN-Minimum justieren, da ihre wesentlich schwächer ausgeprägten Obertöne meist nicht so schnell in die Sättigung fahren, es sei denn man hat mit Zungenregistern zu tun, bei denen mir nichts anders übrig bliebe, als entweder die Wiedergabeentzerrung zu vergrößern (35 µs) oder die Gesamtaussteuerung zu reduzieren.
Falls Interesse besteht, kann ich dieselben Aufzeichnungen gerne mit Einstellung auf DCN-Minimum wiederholen, um einen direkten Hörvergleich zu ermöglichen.
Genau diese Art subjektiver Klangvergleiche hatte ich mir übrigens auch 1981 für meine Diplomarbeit vorgenommen, für die mir schließlich nach vielen freundlichen Bitten, gutem Zureden und Überzeugungsarbeit sowohl Agfa als auch BASF eine komplette Sammlung früher Magnetbandmuster zur Verfügung gestellt hatten.
Die bloße Auflistung trockener elektroakustischer Kenndaten wäre mir als Abschluss eines Tonstudiums buchstäblich zu unmusikalisch erschienen, zumal mich primär die Rückwirkung des Mediums auf die zeitgenössische Aufnahmetechnik interessierte. Doch sollte mein Leben schon damals anders verlaufen als geplant ("… und zweitens, als man denkt", Wilhelm Busch) :whistling:
Im Unterschied zu 1981 stehen mir heute leider nicht mehr die originalen Bandmaschinen, Röhrenverstärker und Kopftypen zur Verfügung (T 8 und T 9 mit V 66/67 bzw. V 86/87), aber tut halt man was man kann – schließlich war Rudolf Müller um 1983 in keiner besseren Situation, wie sich aus seinen Messbedingungen entnehmen lässt. Immerhin benutze ich die gleichen Maschinen- und Kopftypen, dies macht zumindest unsere Ergebnisse vergleichbar
Grüße, Peter
Grüße
Peter
_____________________
Ich bin, wie ich bin.
Die einen kennen mich, die anderen können mich.
(Konrad Adenauer)
Peter
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Die einen kennen mich, die anderen können mich.
(Konrad Adenauer)