Können AV-Receiver auch Musik?
#20
Hallo Tobi,

was Du da schreibst, ist etwas allgemein. Deine pauschale Wertung geht für die Hersteller-Firmen schon ins beleidigende.

Erstens: Die "deutsche Badewanne", und damit meinst Du wohl den sogenannten "Taunus-Sound" bei Boxen, war Resultat davon, das Entwickler zu Beginn des HiFi-Zeitalters in kontinental-Europa mit Bauelementen zu kämpfen gehabt hatten, die technische Unzulänglichkeiten aufwiesen, noch für Radios konzipiert gewesen waren.
Wolfgang Seikritt, einer der "Erfinder" des sogenannten "Deutschen Klanges", beschrieb das zum Beispiel im Interview mit der Klangbild (8/81).
In England und in den USA hatte man bereits bessere Bedingungen, da HiFi dort schon länger ein Begriff war. Hier ging es ernsthaft erst mit der Definition der DIN, 1966, los, wie Du aus den Hersteller-Prospekten, die bei Wegavision hinterlegt sind, entnehmen kannst. HiFi-taugliche Chassis kamen dann aber auch hierzulande auf den Markt und Boxen wurden linearer. Was blieb waren Reaktionen auf Hörgewohnhieten, vor allem bei Billig-Boxen-Anbietern, und das Vorurteil von Unwissenden, die widerkäuen, was sie mal gehört haben. Auch darüber beschwerte sich Seikritt 1981.
Übrigens gab es typische Klang-Charakteristika nicht nur in Deutschland. Das änderte sich dann zum Dekadenwechsel, weil der Markt sich immer mehr durchmischte. In Japan wurden für den einheimischen Markt konzipierte Boxen teilweise noch in diesem Jahrtausend anders abgestimmt, als die für den Weltmarkt. Beispielsweise Sony "hielt" sich Klaus Dotter als "Deutsches Ohr", wie die Stereoplay es anlässlich seiner Verrentung beschrieb.

Zweitens, wenn Du schon der Meinung bist, speziell Geräte aus Deutschland diffamieren zu müssen, dann denke, bevor Du schreibst. Denn die hatten in der Regel gar keine "Loudness", sondern eine "gehörrichtige Lautstärkekorrektur", sowie Schalter für "Contour" und "Präsenz". Denn Du schreibst ja offensichtlich über die Siebziger.
Die "Loudness" findest Du bei englischen, bei US-amerikanischen und bei japanischen Geräten. Und auch dort gab es welche, bei denen sie sich nicht abschalten ließ.

Die gehörrichtige Lautstärkekorrektur war Bestandteil vieler Verstärker und Receiver und Resultat der Tatsache, das die Empfindlichkeit des menschlichen Ohres für verschiedene Frequenzen unterschiedlich hoch ist, das aber auch Lautsprecher-Chassis unterschiedliche Kraft benötigen, um angetrieben zu werden.
Wenn, wie häufig, mit geringer Lautstärke gehört wird, dann reicht die Arbeitsleistung, die der Verstärker den Boxen zur Verfügung stellt, nicht aus, damit alle Frequenzbereich gleich laut wahrgenommen werden. Deshalb gibt es eine Schaltung, die bestimmte Frequenzen anhebt. So wie es heute im Radio eine Kompression gibt, die, ohne dass Du darauf Einfluß hast, bestimmte Frequenzbereiche anhebt. Letztlich eine Folge des Verhaltens des Konsumenten.
Das hat aber nichts mit "Deutscher Badewanne" zu tun. Eine solche Formulierung ist beleidigend.

Du darfst mir übrigens glauben, ich bin in der Lage zu erkennen, wenn ein Gerät eine Klangregelung hat und habe auch einen Verdacht, wie man Loudness abschaltet und wie man eine Linear-Taste drückt. Von den von mir genannten Geräten hat aber kaum eines eine solche Spielerei. Und das, obwohl es deutsche Geräte sind. Abgesehen mal von dem Marantz von Grundig und dem schweizer Revox.

Drittens. Du meinst, ein linear verstärkender Verstärker würde den Klang nicht verändern? Falsch. Klangveränderungen können viele Ursachen haben. Und auch moderne Geräte sind nicht davon frei, das der Hersteller unter Kostendruck steht und zum Beispiel an der Abschirmung spart oder Trends folgt. Es gibt einen interessanten Artikel von Herrn Wasser in der Elektor über die negativen Eigenschaften von Spannungsspitzen, die in Folge einer Siebung hoher Kapazität in Highend-Verstärkern auftreten und zu Interferenzen führen können.
Überhaupt ist das Netzteil eines Verstärkers relevant für dessen Fähigkeit, "linear" zu verstärken. Wenn nämlich die Stromleistung nicht stimmt, wird ein, in der Schaltung linear konzipierter Verstärker, mit zunehmender Lautstärke unlinear. Abhängig von den Boxen, mit denen er ein dynamisches System bildet.

Viertens. Du solltest Dich in Deiner Aufklärung nicht so auf den Frequenzgang kaprizieren. Selten scheitert ein Verstärker an tonalen Unsauberkeiten. Es sind beispielsweise Verzerrungen oder Einbrüche in der Dynamik, die viel mehr ins Gewicht fallen.

Man kann von der AUDIO halten, was man will. Die sogenannte "Audio-Kennziffer", die sie in Tests vergibt, macht Sinn. Sie soll ein Indiz dafür sein, welcher Verstärker zu welcher Box passt. Die AK hat aber wenig mit dem Frequenzverlauf des Verstärkers zu tun.

Tschüß, Matthias
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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