Historische Bänder (Bukarest) von Hans-Joachim, Fragen hierzu
#1
Im thread über die Uher SG 630/631 erwähnte Hans-Joachim eine historische Aufnahme. Was er so ganz nebenbei beschrieb ist interessant genug für eine weitere Erörterung, würde aber nicht zum Thema des threads passen. Ich bin daher so frei, und stelle seinen Beitrag hier ein, verbunden mit ein paar Fragen.

Zitat:PhonoMax postete
(...)

Dazu eine Episode der letzten Zeit aus meiner eigenen Praxis, etwas o.t., aber vielleicht in diesem Zusammenhang doch nicht uninteressant:

Vor einigen Tagen kamen mir zwei Bänder professioneller Herkunft unter (AGFA Wolfen Typ C, gemäß Chargennummer von 1958), die 1959 in Bukarest aufgenommen worden waren. Auf dem Karton war jeweils eine "Viteza" von 77 cm/s (!) definitiv vermerkt, wobei das Anhören auf einer eigens kontrollierten Studer A810 ergab, dass die Höhen auf dem Band selbst für eine Wiedergabeentzerrung von 35 µs -damals hierzulande für 76,2 cm/s üblich- gewaltig angezogen waren.

Dies kann eigentlich nur zwei Gründe haben: Entweder war mit der Gewalt der Verzweiflung versucht worden, eine nicht 15-kHz-taugliche Apparatur über diese Klippe zu heben (unser Forenkollege Friedrich Engel brachte mich aufgrund eigener Erfahrungen darauf), oder aber den Geräuschspannungsabstand einer Aufnahme dadurch anzuheben, dass man das aufnahmeseitige Überziehen der Höhen bei der Wiedergabe vollständig kompensierte.

Beides war in diesem Falle grundsätzlich denkbar, nährte bei mir aber gewisse Ahnungen, weshalb ich mir das Spektrum der Aufnahme in der Fast-Fourier-Analyse ansah. Und da erkannte man nun, was Sache war:

Die 'privat nach Gutdünken' entzerrt durchaus hochwertige Aufnahme ging letztlich nur bis 10 kHz und fiel danach sichtlich tonkopf- und/oder elektronikbedingt geplant ab. Zudem entsprach der Pegel bei 10 kHz etwa dem bei 80 Hz, was nun eine bewusste Verbiegung des Aufsprechfrequenzganges nach den Höhen hin zur Gewissheit macht, die auch aus der grundsätzlich niedrigen Aussteuerung spricht (100 pWb/mm, jedoch kein Messton auf dem Band).

Noch interessanter war der Frequenzverlauf des Höhenspektrums, der nämlich genau den Eigenschaften der RRG-Aufnahme-Wiedergabeverstärkerkombination V7b/V5 in den hohen Stellungen der "Frequenzabgleich" genannten Potentiometer folgt. Plötzlich erhält dann auch die Bandgeschwindigkeitsangabe auf den Kartons (77 cm/s) eine ganz eigene Bedeutung, denn noch 1959 scheinen im Bukarester Opernhaus Magnetbandaufnahmeanlagen der Reichsrundfunkgesellschaft betriebstüchtig vorhanden gewesen zu sein, die man unter konsequenter Ausnützung damals modernen Bandmaterials neuzeittauglich zu machen versuchte. Angaben zur Entzerrung suchte ich auf den Kartons und einem beiliegenden privaten Notizzettel aber leider vergeblich.

Die Bandgeräte dürften sehr wahrscheinlich (30-cm-Wickel auf 10-cm-Kernen) AEG-K4, vielleicht aber gar solche des seltenen Typs AEG-K7 gewesen sein. Dies ließe sich gegebenfalls dadurch belegen oder ausschließen, dass die auf den nie geschnittenen Bändern vorhandenen, sehr typischen Anlaufgeräusche identifiziert und einer K4 (meine rennt noch nicht wieder) zugewiesen werden können, oder aber eben nicht. Dies sollte wegen des Vorhandenseins der elektrischen Schaltgeräusche zweier Relais (in immer identischem Zeitabstand) selbst ohne betriebstüchtige Originalverstärker V7b/V5 möglich sein.

Es wird also Zeit, dass ich meiner K4 von 1944/45 wieder ans Netz helfe, um einmal zu sehen, wie sie sich beim Anfahren des Bandes anstellt...

Hans-Joachim
Über so eine Ausgrabung zu lesen und auch über die Arbeitsweise dabei ist immer interessant und spannend. So stellt man sich die Frage, wie diese Aufnahmen wohl entstanden sein mochten, was mit ihnen im Laufe der Jahre passierte und wie man soetwas findet und ausgräbt. Auch was aufgezeichnet ist, würde ich gerne wissen, und ob in Mono oder evtl. schon in Stereo? Immerhin lag die Erfindung der Stereophonie schon etliche Jahre zurück. Wie kann man diese Aufnahmen klangtechnisch beurteilen, auch im Vergleich zu heutigem Standard, und wie sieht es mit der künstlerischen Qualität aus?

Von der technischen Seite gibt es bei mir noch viele Unklarheiten, vor allem wohl deshalb, weil unsere Sprachen unterschiedlich sind. Du schreibst von "gewaltig angezogenen Höhen", was ich als "zu viele Höhen" interpretiere.

Nun kommt die Fast-Fourier-Analyse ins Spiel, die ich nicht unbedingt verstehen muss, aber zumindest möchte ich gerne wissen, was der Fachman daraus erkennen und ablesen kann.

Das Ergebnis dieser Analyse deckt sich nach meinem Verständnis nicht mit dem voher beschriebenen: Gleiche Pegel bei 80 und 10.000 Hz, danach Absturz. Wo kommt dann die Höhenlastigkeit her? Es ist schwer vorstellbar, daß eine Aufnahme die nicht über 10 kHz herauskommt, höhenlastig klingen kann. Oder waren die Höhen innerhalb dieser Grenzen überhöht? Dann ist das Ziel, die 15 KHz zu erreichen wohl gescheitert?

Und wie spielt man so ein Band korrekt wieder ab, wenn man nicht weiss, wer da wie am Frequenzgang herumgebogen hat? Gibt das ein "Remastering" per Equalizer?

Ich hoffe, wir lesen noch öfter über solche Themen Wink
Michael(F)
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[Kein Betreff] - von Michael Franz - 20.12.2004, 21:13
[Kein Betreff] - von Matze - 20.12.2004, 22:28
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