Topmodell 1957: Grundig TK830
#1
Hallo, Freunde der Tonband-Dinosaurier.

Nachdem sich mein TK 830 nach dem Einschalten als lustiges Räuchermännchen
gebärdete und ich es sowieso aufschrauben musste, bietet sich bei dieser Gelegenheit eine Gerätevorstellung an.
Vorgeschichte: Meinem Vater hatte ich ja als Kind sein TK 35 abgeluchst, anbei befand sich ein Grundig-Tonbandgeräteprospekt. Fasziniert habe ich es damals studiert und mir in den Kopf gesetzt, irgendwann einmal alle darin abgebildeten Geräte zu besitzen, nämlich TK 20, TK22, TK25, TK30, TK32, TK 35 und vor allen Dingen das auf Seite 1 abgebildete TK830! Vater meinte, das wäre damals unbezahlbar gewesen, bestimmt gäbe es nur wenige davon. Ewig habe ich danach gesucht-vergeblich. Ich hatte es im Laufe der Zeit schon fast vergessen und die "Bucht" als Quelle derartiger Herzenswünsche gab es ja noch nicht.
1997, Flohmarkt. Da steht ein Rasta-Freak etwas abseits, Dreckswetter.
Was muss ich sehen? Neben ihm im Schlamm steht EIN TK 830! Jeder Sammler kennt die inneren Zuckungen, die den Körper beim Anblick eines lange gesuchten Objektes befallen. Schlimmer noch, der Typ hatte keine Ahnung um was es sich handelte, irgend so ein altes Teil halt. Der Kaufpreis war dementsprechend lächerlich. Auch hier ein Glück, alles komplett.
Der Zustand war noch ganz passabel, der Motor und die vermaledeiten Sperrkupplungen, sowie einige Kontakte und die Spulentellerkupplungen bedurften allerdings einer Reparatur, dann lief es wieder. Guter Klang! Das Chassis ist noch nicht so richtig schön. "Die Tage" wird der Kasten gründlich überholt, die meisten Kondensatoren sind mittlerweile endgültig hinüber. Das Räuchermännchen war ein ausgelaufener Teerkondensator, der wohl zur Vermeidung von Kontaktabbrand am Geschwindigkeitsumschaltrelais diente.

Das Gerät hat 2 Laufrichtungen und 2 Geschwindigkeiten (9,5 und 19), der Waschmaschinen-Papstmotor wird hierzu mit viel Relaisgeklapper elektrisch umgeschaltet, eine wuchtige Angelegenheit. Zum Vor- und Rückspulen wird
per Elektromagnet unter den Spulentellern eine Kupplungsscheibe zugeschaltet.
Interessant und sehr empfindlich die Sperrkupplungen, zuständig für die Kraftübertragung je nach Laufrichtung. Dünne Schlingfedern sind um die innere Achse gewickelt, die daraufsitzenden Riemenscheiben sind nur in einer Richtung kraftschlüssig. Werden die Simmerit-Distanzscheiben brüchig, sucht sich das Federchen einen Weg ins Freie und aus ist's mit der Kraftübertragung. Mein Tipp: Wer ein Grundig-Gerät mit solchen Sperrkupplungen erwirbt, der überprüfe diese unbedingt vor dem ersten Einschalten! Ist die Feder erst vom bärenstarken Papstmotor herausgewürgt worden und gebrochen, kann man an der Reparatur verzweifeln. Besagter Motor dient mit seiner Achse auch als Capstanwelle, der Gleichlauf wurde wohl durch seine schiere Masse erzwungen. Mitdrehende Schaumstoffröllchen drücken das Band an die steckbaren Halbspurtonköpfe. Der rechte Drehknopf dient als Netzschalter und Lautstärkeregler, darunter ein kleiner früher Equalizer, auch in Grundigradios als "Wunschklangregister" zu finden. Links der Knopf für die Aussteuerung, zu sehen mittels EM71. Darunter der Eingangswähler für Radio, Mikro und Platte. Dank der 6 Watt-Gegentaktendstufe (2x EL 95), der 3 Lautsprecher und des voluminösen Gehäuses ist dem TK 830 ein imposanter Konzertklang zu entlocken. Damals haben sich wahrscheinlich zigarrenrauchende, dicke Chefs Wagner-Opern damit reingezogen, für Normalbürger war es wohl 1957 unerschwinglich. Mir kommt ein Vergleich in den Sinn, war das TK 35 sozusagen Grundigs Opel Rekord, muss das TK 830 wohl Grundigs Opel Kapitän gewesen sein :-).

So, bis zur Generalüberholung erstmal ab auf den Dachboden damit!

Taubenblau und Messingschmuck war bei Grundig angesagt:
[Bild: Tk830-1.jpg]

Unter der Haube findet sich solide Werkmannsarbeit mit goldlackiertem Druckgussrahmen:
[Bild: tk830-2.jpg]

Das Chassis lässt sich mit 6 Schrauben leicht ausbauen, kompakte und schwere Sache!
[Bild: tk830-chassis.jpg]

Ansicht von hinten mit den Anschlüssen. Eher Grundig-untypisch die dicken Steckleisten, Ober- und Unterteil des Chassis lassen sich so einfacher voneinader trennen (dazu habe ich jetzt aber keine Lust):
[Bild: Tk830-chassis-hinten.jpg]

Röhrenschau seitlich
[Bild: tk830-roehrenschau.jpg]

Na bitte, es geht doch! Grundig konnte auch übersichtlich bauen. Alles gut zugänglich. Zu sehen sind einige provisorisch eingelötete neue Kondensatoren.
Die Fliehkraftgewichte am Motor betätigen dessen Anlaufrelais.
[Bild: tk830-chassis-unten.jpg]

Hier noch die Tonkopfsektion. Dreifachspielbänder würde ich allerdings nicht auflegen, die verspeist der Apparat zum Frühstück.
Ansonsten funktioniert es gut.
[Bild: tk830-Koepfe.jpg]

Und wieder ab ins Gehäuse mit dem Chassis. Fast ein kleiner Konzertschrank, das
Gehäuse:
[Bild: tk830-geh%E4use.JPG]

Gruß
Peter S.
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