Siemens V276 auf der Frankfurter Musikmesse 2009
#11
Lieber Michael,
lieber Niels,
lieber Matthias und wer sonst noch mitliest,

nur wenige Schlaglichter:

Im März 1993 musste Helmut Krüger auf die hörbaren (Flak-???) Nebengeräusche, die innerhalb der Konserve unverkennbar 'von draußen' kommen, hingewiesen werden. Er bekannte damals, das "damals gar nicht mehr gehört" zu haben, weil es die alltägliche Geräuschkulisse Berlins bildete.
Man hört auf der Aufnahme der Klavierkonzertes unregelmäßige Schussgeräusche, die bestenfalls auf ein einzeln fliegendes Aufklärungsflugzeug hindeuten. Entscheidend ist wohl weniger wie als dass geballert wird, weil dieses 'Geräuschtrittsiegel' den individuellen Aufnahmemoment in beklemmender, aber philosophischer Weise wie ein Time-Code ohrenfällig macht, was bei Tonaufnahmen sonst 'so' eher selten vorfällt.
Man denke darüber informationstheoretisch nach.

Leute hörte ich in der Aufzeichnung allerdings noch nicht über das Blechdach von Saal I an der Masurenallee laufen. Auf welches Interview mit Krüger beziehst du dich dabei, lieber Michael? Ich habe mehrere Gesprächaufzeichnungen mit ihm, kann mich aber jetzt nicht an eine Aussage zu Brandwachen auf dem Dach erinnern (das mag mir also entfallen sein...).

Die Aufnahme mit Gieseking muss aufgrund ihrer Überlebengeschichte im Juli/August/September 1944 entstanden/aktuell gewesen sein, weil man im Oktober 1944 zweifellos schon die Übersiedelung des Magnetbandlabors in die Oberpfalz plante, womit allemal stereofone Ruhe an der Masurenalle eingekehrt sein dürfte.


Zur geplanten SWR-Sendung:
Nachdem im Vorfeld der oben genannten Sendung für den SWR in Berlin möglicherweise nochmals das Quasi-Original Beethoven-Gieseking-Rother von 1961 hervorgekramt werden könnte, würde mich interessieren, ob sich bei 16:30:730 (Zeit ab Dr. Benjamin Bernfelds AES-CD) auf diesem Band ein mechnaishc nachweisbarer Schnitt befindet. Weiterhin wäre interessant zu erfahren, ob -und wenn ja, wo- noch mehr Schnitte im Material vorhanden sind.

Schließlich sei daran erinnert, dass sowohl Dr. Ludwig Heck, der schon gegen Ende der 1960er gestorbene RRG-Stereo-Kollege Helmut Krügers, als auch Hans-Joachim von Braunmühl bis zum Ende ihrer Tage bzw. ihres Berufslebens Angehörige des Südwestfunks waren. Dass Braunmühl dabei über Bayern in den Südwesten gelangte, blieb ja auch nicht folgenlos.

Gibt es beim SWF Unterlagen vor allem über Heck und -nicht ganz so dringend- über Braunmühl?


Hinsichtlich der dramatischen Verbessungen des Geräuschspannungsabstandes und des Klirrfaktors durch die Hf-Vormaggnetisierung 1940 stellt sich natürlich immer die frage wie man das gemäß welcher Normen misst und welchen Klirrfaktor man beispielsweise betriebspraktisch noch zulässt. Das sah 1941 noch etwas anders aus als heute. Der sprung von Wachs-Matrize, Declith-Folie und Schellack-Platte war auf nahezug allen relevanten Teilbereichen (betrieblich und elektroakustisch) geradezu ungeheuerlich: Man kann dafür aus der damaligen Warte keine Worte finden, weil plötzlich die Konserve so klang, wie man das vor Speicher aus den besten Lautsprechern kannte. Der Geräuschspannungsabstand gibt von etwa 37 dB (DC-Magnetofon im 'Bestpunkt') auf 60 dB hinauf, der Klirrfaktor fiel ähnlich dramatisch auf unter 1 %, wenn man nicht voll aussteuerte.

Bei Spurverbreiterung auf das Doppelte oder Spurbreitenherabsetzung auf die Hälfte verändert sich die Geräuschspannung um jeweils 3 dB. Es tut sich also bei Steigerung des Aufwandes vergleichsweise eher wenig. 38 cm/s stellen daher gerade mit modernem Band ein relatives Ideal dar, so dass die Steigerung der Bandgeschwindigkeit über 38 hinaus wenig bringt außer dem einen oder anderen zusätzlichen Problem(!, z. B. Kopfspiegelresonanzen). Das Verfahren ist bei 38 cm/s ausgereizt bzw. auszureizen, auch wenn das der eine oder andere nicht so gern wahrhaben möchte.

Der Ersatzteilengpass ist heute bereits katastrophal und daher für eine flächendeckende Erhaltung analoger Speicherapparaturen nicht mehr zureichend. Damit gehen aber auch Spezialkenntnisse -beispielsweise die der Kopfmacher- soweit und sukzessiv verloren, dass ihre seltenen und damit teuren Leistungen nicht mehr bezahlbar sind, gerade unter musealen Bedingungen. Dank abenteuerlicher, 'wissenschaftlicher' (hüstel, wenn man Kant, aber auch das Mittelalter kennt) Moden in der 'modernen' Wirtschaftsgeschichte wurde uns über nun mehr als drei Jahrzehnte neben allerhand anderem Schwachsinn der Rückzug des Gemeinwesens aus der Kultur des 'Mousaions' als der Weisheit letzter Schluss verkauft. Dies ist zwar nicht die meine, die Folgen in Museen und Archiven, Bildungs- und Kulturpolitik liegen aber längst auf der Hand. Auch für das schmale Segment der Erhaltung medialer Zeugnisse, deren Ort nun zwangsläufig die Vergangenheit ist.

Hans-Joachim
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