Wie wurden MusiCassetten hergestellt?
#5
Waren größere Auflagen erforderlich, war die Cassetten- der Schallplatten oder CD- Fertigung grundsätzlich unterlegen.
Die Produktionsrentabilität hing von der Kopier- plus Konfektionszeit ab, was auf jeden Fall länger dauerte als das Prägen einer Schallplatte.
Daher wurden Schnellkopieranlagen in verschiedenen Bauformen und Kapazitäten gebaut, die mit mehrfacher Originalgeschwindigkeit kopierten und somit erst die wirtschaftliche Massenfertigung bespielter Compact- Cassetten ermöglicht haben.

Eine Schnellkopieranlage besteht aus dem Masterläufer, auf dem der „Master“, eine bearbeitete Kopie der Originalaufnahme, wiedergegeben wird, und den „Töchtern“ oder „Sklaven“, auf denen das Cassettenband bespielt wird.
In kleineren Anlagen für 4...8fache Überspielgeschwindigkeit sind Masterläufer und Töchter (4...6Kopierstationen) häufig in einem Gehäuse zusammengebaut, während Master und Töchter in größeren Anlagen (16-, 32- und 64fache Kopiergeschwindigkeit und bis zu etwa 15 Töchtern pro Masterläufer) selbstständige Einheiten bildeten.
Bei 32facher Überspielgeschwindigkeit erreicht der gewöhnlich mit 19,05 cm/s bespielte Master eine Laufgeschwindigkeit von 6,096m/s, die Tochterbänder von 1,523m/s, der Frequenzbereich von 30Hz...16kHz wird auf 960Hz bis 512kHz transponiert, wobei jedoch der Wellenlängenbereich unverändert ist (!).
Die Hochfrequenz- Vormagnetisierung liegt bei etwa 1,5...10MHz.
Diesen Forderungen mußten besonders die Verstärker angepasst werden; für die Wiedergabeentzerrung des Masterverstärkers gilt als Zeitkonstante der n-te Teil der Zeitkonstanten bei Originalgeschwindigkeit (also bei T = 50 + 3180µs und n = 32 : t = 1,56 + 99,4 µs).
In dem einer größeren Zahl von Töchtern gemeinsamen Aufsprechverstärker ist dann auch die Differenz zur Cassetten- Entzerrung mit t = 120 + 3180 µs zu berücksichtigen.
Aus wirtschaftlichen Gründen wurde z.B. nahezu ausschließlich auf LH/LN- Eisenoxidbänder mit etwa 18µm Gesamtdicke kopiert.
Nur "hochwertiges" Tonmaterial wurde auf Cr- Band kopiert.
Wegen der Reibung zwischen Kopf und Band wurden hochverschleißfeste Magnetköpfe eingesetzt, von den Tochterbändern erwartete man einwandfreie Laufeigenschaften und Wickelverhalten.
Die am wenigsten aufwändige, vor allem für kleine Auflagen geeignete Bauart der Schnellkopieranlagen überspielt „in die Cassette (in-cassette-duplicating)“.
Hier erübrigte sich zwar eine spezielle Konfektionierstation, dafür sollte die Programmlänge der Cassettenspielzeit angepasst werden, da allgemein handelsübliche Ausführungen benutzt wurden.
Nach jedem Durchlauf mußten das meist ¼“ breite Masterband zurückgespult und die Cassetten getauscht werden.
Die Kopiergeschwindigkeit ist allgemein achtfach.
Für die Vervielfältigung von z.B. Sprachlehrkursen wurden Kopierautomaten angeboten, in denen als Master eine Cassette benutzt wurde.
Die Überspielgeschwindigkeit ist gewöhnlich vierfach.
Die meisten Kopieranlagen für die Massenfertigung arbeiteten mit Endlosbändern (Master loop),
die in senkrecht oder waagerechtgestellten Schleifenkästen (loop bin) liefen, so dass sich ein kontinuierlicher Betrieb ohne Totzeiten ergab.
Das Masterband ist zwischen ¼“ und 1“ breit.
Die Kopierbänder wurden in Längen von 1800...3000m auf Spule oder freitragend eingesetzt (open reel, Rohwickel), das Programm wurde fortlaufend überspielt, wobei die Spuren 3 und 4 rückwärts kopiert wurden.
Das Ende der einen bzw. der Anfang der folgenden Kopie war durch ein niederfrequentes Signal (cue signal, etwa 7Hz, als unhörbar bei normaler Bandgeschwindigkeit) gekennzeichnet, auf den die Auswerteelektronik des Spultisches, „loader“, beim schnellen Spulen ansprach und dafür sorgte, dass das Band an dieser Stelle im Wickelkern befestigt bzw. an das Vorspannband angeklebt wurde.
Je nach Konstruktion des Loaders wurden die einzelnen Kopien entweder zu kleinen Wickeln aufgespult und in Cassettenschalen eingesetzt oder in komplette Cassettengehäuse eingespult, an deren Wickelkernen zunächst nur ein aufzutrennendes Vorspannband befestigt war (C-Null-Cassetten)
An Stelle des Endlosmasters konnten auch zwei Maschinen im Tandem- Betrieb arbeiten, die alternierend auf Wiedergabe gingen oder umspulten, was wohl Totzeiten vermied, aber jeweils zwei vierspurig bespielte Masterbänder erforderte.
Alle open- reel- Schnellkopieranlagen zeichnten sich aus durch hohe Wirtschaftlichjkeit auf Grund der stark erhöhten Kopiergeschwindigkeit und durch kostengünstigen, flexiblen Betreib, da auf vorkonvektionierte Cassetten verzichtet wurde.
Technisch vorteilhaft war der Umstand, daß das Tochterband von justierbaren Bandführungen gelenkt wurde, so daß eine azimutgenaue Bespielung, unbeeinflusst von den Führungseigenschaften einer Cassette, möglich war.

Ich durfte mir Mitte der 80er Jahre eine Groß- Kopierstraße des VEB Deutsche Schallplatten in Berlin anschauen.

Bernd
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