Wie heute Reparaturen verhindert werden
#10
Hallo in die Runde

Dann will ich mal aus dem Nähkästchen plaudern: Ein elektronisches Teil und sei es noch so klein wäre man sicher in der Lage zu reparieren. Es gibt allerdings mehrere Gründe, die das auf der Anbieterseite verhindern:

a) Allein die Ausfertigung einer Rechnung kostet ein Unternehmen heute im Schnitt zwischen 20 und 25 Euro.

b) Ein umfassendes technisches Handbuch (Service-Manual) würde selbst bei größerer Stückzahl min. 30-50 Euro kosten. Geht es über die reine Darstellung des Vorhanden hinaus und liefert es Erklärungen und Know How kommen locker 300 und mehr Euro in der Kalkulation zusammen. Weil jemand dafür seine Zeit und damit Geld verbraucht sowas zu erstellen und das natürlich in einer Zeit in der die Margen immer geringer werden. Extra bezahlen will keiner dafür.
Man erinnere an eine immer gestellte Frage im Forum: "Hat jemand ein Service Manual von xyz als PDF ..." Da gibt es doch die bekannten Adressen, wo man schon für 10 Euro brauchbare Kopien bekommt. Dafür würden sich viele nicht mal selbst an den Kopierer stellen. Es wird aber trotzdem fast immer nach einer kostenlosen Alternative gefragt - nur so als Beispiel für das Verhalten von Konsumenten und den daraus resultierenden Entscheidungen der Anbieter.

c) Die sogenannten Fachhändler haben in den letzten 20 Jahren mit der technischen Entwicklung kaum schrittgehalten. Nur etwa 10 Prozent (und das ist schon optimistisch) der Händler verfügen heute über das benötigte Know How um wenigstens defekte Komponenten zu identifizieren und auszutauschen. Von Reparatur ganz zu schweigen. Stichwort SMD-Technik und 6-8 Schichtplatinen und hohe Taktraten auf den Boards und besonders wenn Software im Spiel ist. Früher hatten sich gute technische Leute vom Hersteller als Fachhändler selbstständig gemacht usw. Die gehen/sind jetzt in Rente. Heute: Für 20 Euro bekommt man bei der Stadt einen Gewerbeschein und darf Handel betreiben. Von Know How keine Ahnung bzw. Halbwissen. Es gibt in der E-Branche heute viel mehr Händler (Verkäufer) als Techniker. Selbst Bonusprogramme der Hersteller für die Servicequalität der Fachhändler bis hin zum Ausschluss konnten dem nicht entgegenwirken. Es ist halt sehr viel bequemer geworden zum Telefon zu greifen und den Hersteller zu fragen, als selbst das Gehirn für sehr einfache Dinge zu gebrauchen. Bezahlen will den 0815-Support natürlich keiner.

d) Unter der Berücksichtigung u.a. der o.g. Punkte hat sich das Produktdesign für Europa und Asien geändert. Ausnahme hier war zumindest vor einigen Jahren noch die USA. (Liegt wohl an der allgemeinen Rechtsprechung dort) Zu meiner Zeit, als ich für die Amis arbeitete, wurde peinlichst genau darauf geachtet, dass alles Benötigte zu einer Reparatur zur Verfügung stand. Brauchte man ein spezielles Werkzeug, Kleber oder weitere Teile wurde dies einfach mit dem Ersatzteil mitgeliefert. Man kennt das als Sparepart-Kit. US-Händler machen heute noch viele Dinge, Projekte, wo sich hierzulande nur Hersteller rantrauen. Das weiter oben beschrieben Problem mit der Maho-Maschine hätte es in USA nicht lange gegeben, dann gäbe es entweder in Kürze ein Modifikations-Kit oder eine Schadensersatzklage. In Europa spielte Sparepart-Service nur eine Nebenrolle, weil wir den Servicegedanken am Kunden nicht so hoch halten: "Du bekommst zwar gerade noch von mir das Teil, aber siehe zu wie du klar kommst" Die Asiaten haben das dann in den 90ern aufgrund ihrer Rezession für Europa nachgemacht. Im eigenen Land sieht es ganz anders aus. Man möchte beim Kunden auf keinen Fall "sein Gesicht" verlieren. Europa/Deutschland ist/wäre in den Augen der Asiaten (Japaner) Barbarenland, dritte Welt, hätten wir nicht die Queen, den Eifelturm, Neuschwanstein, Goethe, Beethoven, Kafka usw. Wir taugen bestenfalls als Kulturquelle. Nicht als ehrenwerter Konsument,sondern nur als Geldlieferant zweiter Wahl. Man vergleiche die Konsumgütertechnologie in Japan mit Europa. Da liegen min 2-3 Jahre dazwischen.

e) Durch die globale Produktion wird (wie wir es nennen) das "Marketing in der Factory" gemacht. Das heißt, dem Ingenieur "zwickt es im Hintern" und dann wird das Produkt eben "so" gemacht. Weil halt nur er die technologische Ahnung hat, in seinem Glashaus sitzt, keinen Ausländer versteht und die Kommunikationswege von Asien nach Europa zum Kunden "sehr, sehr, sehr lang" sind. Da sitzt der Finanzbuchhalter (Controller) gerade zu nebenan und der spricht auch noch die gleiche Sprache. Also widerspricht ihm technologisch keiner mehr und er folgt dem Kostendruck, nicht der Vision und Wünschen des lokalen Kunden. Und als Kunde kannst du nur zwischen den Übeln wählen und der Händler an der Ecke flucht über den unverkäuflichen Murks.

Fazit: Gewollt oder geplant ist die Entwicklung so eigentlich nicht. Eher aus dem Verhalten und der Oberflächlichkeit der Beteiligten gewachsen und da gehört unser Konsumverhalten halt dazu. Übrigens funktionieren diese Mechanismen auch im Kleinen, sprich innerhalb Europas oder Deutschland sehr gut. Gutes Beispiel hier: Die Softwarebranche!

In diesem Sinne, aber mich nicht dafür schlagen ;-)
Michael

Ich stimme Ulrich zu: Torx ist besser als Philips, da hat einer mal nachgedacht.
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