einmessen: ein buch mit sieben siegeln?
#14
Lieber Hans-Georg,

nach NAB ("National Association of Broadcasters", zuvor "National
Association of Radio and Television Broadcasters") und CCIR/IEC ("Comité Consultatif International des Radiocommunications"/"International Electrotechnical Commission") sind Bezugspegel (NAB: 370 pWb/mm, IEC 320 pWb/mm) und Entzerrung genormt, und beide Normen unterscheiden sich, wobei sich der europäische Amateurmarkt ab den späten 1960ern (also auch Revox seit A77) im Grunde durchwegs nach NAB richtet. Man bekam bei den Regensdorfern zwar auch die jeweils anderen Entzerrungen, musste das aber gezielt angeben. Die Amerikaner haben sich seit Existenz von NAB nach dieser Norm gerichtet.

Der hiesige Rundfunk blieb bei der angestammten Norm, weil man sich die Etablierung zweier 'Systeme' in einem Hause gemäß Murphy's Law zumindest im Sendebetrieb nicht antun wollte und die Archive per se bereits eine Festlegung waren.

NAB ist konsequenterweise nicht unbedingt kompatibel mit IEC, man muss etwas tun, damit das Ereignis so aus dem Lautsprechern kommt, wie es einmal aufs Band gebracht wurde. Bei Interesse lasse ich dir gerne eine Frequenzgang-Korrekturliste zukommen, dann erkennst du, wie groß die Unterschiede tatsächlich sind. Siehe dazu aber auch unten. Unter Amateurgesichtspunkten ist dieser Fehler aber marginal.
Die Qualitätsforderung der Rundfunkanstalten rührt ja nicht daher, dass man den bestmöglichen 'Klang' haben wollte. Man fordert viel, vor allem aber: Man kopierte, bis man schwarz war. Nachdem in der Analogtechnik jede Kopie der Teufel gesehen hat, denn bei jeder Kopie wurde eine Aufnahme hörbar schlechter, versuchte man eben, qualitativ möglichst weit oben mit der Kopiererei anzufangen. Außerdem verlangte man absolut betriebssichere Technik. Und das kostet dann --- nicht nur Aufwand.

Nach welcher Entzerrung dein Gerät eingerichtet ist, lässt sich am besten über den Hersteller, seine Infoschriften, ehemalige Werksangehörige oder pathologische Liebhaber, Sammler deines Gerätes herausfinden. Schließlich gibt es bei gutem Gerätezustand auch noch die Möglichkeit, irgendein bandgeschwindigkeitsadäquates Bezugsband (Frequenz- oder Gleittonteil) aufzulegen und mit dem Millivoltmeter am Bandgeräteausgang durchlaufen zu lassen. Der Fachmann sieht dann an den möglichen Frequenzgangabweichungen bzw. Identitäten (und den Herstellerspezifikationen der Bandgerätes), ob die Entzerrung NAB oder IEC folgt.

Irgendwelche Umrüstungen sind nicht notwendig und nicht sinnvoll, weil zumeist Archive existieren, und NAB gerade für neuzeitliches Bandmaterial und die gedrängt aufgebauten Amateurgeräte eigentlich nur Vorteile besitzt.

Ein Bezugsband ist ein 'Messgerät'/Messwerkzeug, das genormte Aufzeichnungen auf normalem Tonband, allerdings qualitativ kontrollierter Chargen enthält. Diese Aufzeichnungen werden auf besonders sorgfältig gewarteten Bandmaschinen hergestellt, wobei die Aufzeichnung der Prüftöne ihrerseits nach genauen Vorgaben kontrolliert wird.

Mit diesen Aufzeichnungen überprüft unsereiner dann den Wiedergabezug seines Tonbandgerätes (Pegelung und Frequenzgang, Spaltsenkrechtstellung). Mit dem auf diese Weise justierten Wiedergabezug kann man dann problemlos den Aufnahmezug derselben Bandmaschine -natürlich auch mit einem anderen Bandmaterial- einstellen (einmessen).

Das Bezugsband enthält auch noch einen so genannten Leerteil, der zumeist der gängigen 'Bezugscharge' entspricht. Im Profibereich entspricht/entsprach diese Bezugscharge zumeist dem allgemein genutzten Rundfunkband, das aber im Produktionsbetrieb der Plattenindustrie (mitunter aber auch beim Rundfunk selbst!) gar nicht verwendet wird/wurde, weil man sich für die Produktion doch lieber an neuzeitlicheres (und elektroakustisch besseres) Bandmaterial hielt. Man benützt dann den Leerteil einfach nicht, sondern eicht allein den Wiedergabezug und legt danach zur Einmessung des Aufnahmekanales ein modernes Band (PEM 468, 911 oder heute eben das Quantegy-Material) auf und stellt die Arbeitspunkte aufnahmeseitig nach den Datenblättern dieser Bänder ein.

Ich glaube, das beantwortet hoffentlich auch hinreichend klar deine letzte Frage. Bei Bedarf kann ich mit einem Funkschauaufsatz von 1975 dienen, in dem Peter van Bommel (Agfa-Mitarbeiter und Buchautor zur Sache) sich knapp zum Thema äußert. Außerdem könnte ich natürlich den Beitext zu einem Bezugsband scannen, so dass wir uns nicht immer mit akademischen Beschreibungen herumschlagen müssen.

Im Internet gibt es eine Tonmeister-Enzyklopädie, die mein Freund und Kollege Eberhard Sengpiel mangels Verfügbarkeit vergleichbarer Materialien für seine Vorlesungen am Tonmeisterinstitut der UdK in Berlin angelegt hat. Dort herumzuschauen lohnt sich, auch wenn er vielleicht oft mehr voraussetzt, als ein von außen kommender Interessent mitbringen kann. Zum Unterschied zwischen NAB und IEC hat er eine eigene Seite:

http://www.sengpielaudio.com/IEC-NAB-Stu...ergabe.pdf

Da siehst du sogar, in welcher Beziehung NAB und IEC stehen.

Hans-Joachim
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