Elektrostaten
#8
Lieber Andreas,
lieber Matthias,

bei aller prinzipbedingt 'beabsichtigten' Idealisierung fängt man sich beim kapazitiven Lautsprecher so viele Probleme ein. dass man sich schon genau überlegen sollte, ob man dieses Verfahren anwenden will.

So kann/könnte der elektrostatische Lautsprecher tatsächlich aus sich heraus und besser als Konuslautsprecher mit ihre irren bewegten Massen als Einwege-System betrieben werden, gäbe es nicht ein anderes Problem, das übrigens auch von Mikrofonen bekannt ist und Großmembranmikros in besonderer Weise belastet:

Wenn die Membran groß wird gegenüber der Wellenlänge des abgestrahlten Signales, kommt es zur Ausprägung von in der Regel unerwünschten Richtcharakteristiken, was man bei Elektrostaten damit umgeht, dass man Zweiwegesysteme (kassische Tiefen vs. Höhen) installiert. Beim Kondensatormikrofon, das übrigens als solches nicht ohne weiteres auf den Lautsprecher zu beziehen ist (die 'bessere Tieftonwiedergabe' eines Großmembranmikros ist ein Ammenmärchen, also purer Unsinn) macht man stattdessen die Membran möglichst klein, was aber an Grenzen für die Empfindlichkeit des Mikros heranführt, wehsalb man sich auch dort weltweit (die Japaner hören mit an desnselben Erscheinungen entlang wie wir) auf einen der vielen Kompromisse 'verständigte' und die Mikros mit etwa 20mm Durchmesser baut.

Bei elektrostatischen Lautsprechern darf man auch nicht übersehen, dass elektronisch-musikalische Entwicklungen der letzten 60 Jahre (z. B. die künstlich aufgemörtelten Tiefenamplituden als Gestaltungsmerkmal) bei diesem Prinzip ebenso Ärger machen, wie der mehr oder minder verzweifelte Versuch, bei der Stereofonie 'Hörflächen' durch großwinkelige Abstrahlungen mittlerer und höherer Frequenzen zu erreichen, ohne dass die akustische Übersprechdämpfung allzusehr leidet. Die optimierte Kalotte gehört da zu den so alten (!) wie reizvollen Lösungen, die auch ihrerseits Komprimisse darstellen, aber mit höherer Praxistauglichkeit aufwarten. Mein Reden: Klangqualität ist eine Sache, Praxistauglichkeit eine doppelte. Beides zusammengenommen lässt viele Klangdiskussionen schnell in Dampf aufgehen, weil die dabei geäußerten Ansprüche in praxi einfach nur 'zufällig', gelegentlich, en passant eingehalten werden können. Das Problem dieser ganzen und sehr teuren Tontechnik war über sehr, sehr lange Zeit die Verknüpfung beider Elemente in fachlich vertretbarer Weise: Extrem hohe Zuverlässigkeit (überwiegend mechanische Feinwerktechnik!) bei großer Hochwertigkeit. Diesen Kompromiss trieb man vorwärts, ja meint ihn in einschlägigen Fach-(?)Diskussionen noch immer vorwärts treiben zu müssen ("schneller-höher-weiter"), obgleich dies in der hinreichend hochwertigen Digitaltechnik zum Unsinn verkommen ist, da diese sich die Leistungsfähigkeit ihrer 'Vierpole' nach Wunsch bestimmen kann.
Doch wenn man nichts mehr hört (= hören kann; wir sprachen über die Lautsprecher!), muss man sich eben etwas vorstellen.
Die mit Kalotten erreichbaren Differenztondämpfungen reichen aus.

Das technische Verfahren der Elektrostatik mag vom Prinzip her beim Lautsprecher durchaus bestechend sein, für den Praktiker ist es aber nicht gerade verlockend. Ich kann mir deshalb nicht vorstellen, dass Hanns Eckmiller bei seinen Lautsprecherüberlegungen je mit dem elektrostatischen Problemkind geliebäugelt hätte. Er kam stattdessen geradlinig auf den Koax-Lautsprecher mit Hochtonkalotte und elektrischer Weiche. Und dabei blieb es dann.

Der elektrostatische Lautsprecher erlebte eine kleine Blüte im frühen Tonfilm der -seit 1927 ehemaligen- Triergon-Leute (Vogt, Engl, Massolle), die eine Vorliebe für technisch anspruchsvolles Experimentieren besaßen. Hans Vogt, dessen Firma in Erlau bei Passau noch heute existiert (seine Kollegen wanderten aus), bestückte ab etwa 1928 erste Tonkinos mit seinen "Statophonen" (Rundlautstrecher von 25 cm Durchmesser), von denen auch Fotos durchs Internet geistern.

Hans-Joachim
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